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    Die Ironie des Lebens
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die Ironie des Lebens

    Alles andere als eine One-Man-Show!

    Von Christoph Petersen

    Es ist erschreckend lange her, dass Uwe Ochsenknecht die Hauptrolle in einem großen Kinofilm gespielt hat – aus den letzten 25 Jahren fallen einem da eigentlich nur „Fußball ist unser Leben“ (2000) und „Ich war noch niemals in New York“ (2019) ein. In familienfreundlichen Parts wie dem Kammerjäger in „Die Mucklas“ oder dem König in „Jim Knopf“ ist der „Das Boot“-Star zwar eine sichere Bank, aber Fans solcher Komödien-Klassiker wie „Männer“ oder „Schtonk“ haben ihn trotzdem schmerzlich vermisst. Deshalb klang die Prämisse von „Die Ironie des Lebens“ auch von Beginn an so faszinierend: Uwe Ochsenknecht tourt als in die Jahre gekommener, nicht gerade politisch korrekter Stand-up-Comedian über die Bühnen – und reißt dabei Witze übers unaufhaltsame Älterwerden, seine gescheiterte Ehe sowie Sätze, die beim Sex ebenso gut passen wie beim Grillen: „Kannst du das Ding nicht vorher auch mal saubermachen?“ Wenn das keine Steilvorlage für ein Leinwand-Comeback ist!

    Stand-up-Szenen in Kinofilmen sind aus Erfahrung nur selten richtig lustig, und auch in „Die Ironie des Lebens“ liegt man nicht unbedingt vor Lachen unter den Stühlen. Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg hat uns in einem unbedingt hörenswerten Interview für unseren Podcast Leinwandliebe auch verraten, woran das liegt: Nachdem er zunächst ein ganzes Showprogramm nach dem Vorbild seines Lieblings-Comedians Louis C.K. verfasst hat, mussten die Nummern für das fertige Skript so weit runtergekürzt werden, dass am Ende nur noch einzelne Punchlines übrigblieben. Nun ist es aber gerade die hohe Kunst der Stand-up, Pointen sorgfältig vorzubereiten – nur bleibt gerade dafür in einem Spielfilm leider kaum Zeit. Zum Glück ist das in diesem Fall aber gar nicht schlimm. Stattdessen ist es wohl nur eine weitere Ironie des Lebens, dass Uwe Ochsenknecht in seiner Comeback-Rolle zwar ganz allein die Stand-up-Bühne betritt, aber dann vor allem im Zusammenspiel mit Corinna Harfouch begeistert.

    Warner Bros.
    Edgar (Uwe Ochsenknecht) hat seine Fans immer mehr geliebt als seine eigene Familie – aber womöglich ist nun endlich die Zeit zum Umdenken gekommen.

    Edgar (Uwe Ochsenknecht) ist ein wahnsinnig erfolgreicher (und erfolgsverwöhnter) Comedian, der von seinem Privat-Chauffeur Kurt (Henning Peker) von einem ausverkauften Auftritt zum nächsten kutschiert wird, während in seiner Prachtvilla bereits seine Privat-Köchin Marta (Maria Hofstätter) darauf wartet, ihn zu verwöhnen. Während er eines Abends mal wieder über seine gescheiterte Ehe herzieht („das Beste daran war die Scheidung“), erspäht er in der zweiten Reihe seine Ex-Frau Eva (Corinna Harfouch). Für Edgar ist klar, dass ihr Besuch nach all diesen Jahren nur etwas mit Geld oder den Kindern zu tun haben kann. Aber Pustekuchen: Eva hat Krebs und wollte ihm nur persönlich sagen, dass sie sehr bald sterben wird. Statt es mit einer eh fast aussichtslosen Behandlung zu versuchen, wolle sie nun ihre letzten Monate noch einmal so gut es geht genießen.

    Für Edgar, der es gewohnt ist, mit seinem Geld und seinem Einfluss alles zu erreichen, ist das nicht hinnehmbar: Über seinen Agenten besorgt er sofort einen Platz in einer holländischen Privatklinik. Aber Eva ist mit sich im Reinen und zieht ihren Plan durch. Allerdings entfacht das Wiedersehen auch einen unerwarteten Funken zwischen den Ex-Eheleuten – und so begleitet Eva ihren Ex kurzerhand zu einigen seiner nächsten Auftritte. Neben einer späten Romanze hofft sie dabei insgeheim auch darauf, dass sich Edgar vor ihrem Tod womöglich auch noch mit seinen entfremdeten Kindern versöhnt: Melli (Emilia Schüle) will selbst Stand-up-Komikerin werden und ist deshalb ein Riesenfan ihres Vaters. Patrick (Robert Gwisdek) hingegen kann ihm einfach nicht verzeihen, dass er seine ganze Karriere darauf aufgebaut hat, seine Mutter auf der Bühne durch den Dreck zu ziehen…

    Deutschlands beste Schauspielerin zeigt’s mal wieder allen

    Nachdem sie gerade erst für „Sterben“ – völlig zu Recht! – mit dem Deutschen Filmpreis als Beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde (die Küchentisch-Szene mit Lars Eidinger wird in die Kinogeschichte eingehen), haut Corinna Harfouch in „Die Ironie des Lebens“ direkt die nächste großartige Performance raus: Schon beim ersten Backstage-Aufeinandertreffen setzt sie dem auf der Bühne polternden Edgar eine entwaffnende innere Ruhe entgegen. Und wenn Eva auf dem Weg zu einem Auftritt meint, man müsse doch auch einfach mal von der Autobahn abfahren, um das wahre Leben zu entdecken, dann hätte das mit einer weniger fähigen Schauspielerin sicherlich auch leicht ins Kitschige abgleiten können. So aber entwickelt sich zwischen den beiden eine Chemie, die den ansonsten womöglich etwas konstruiert wirkenden Plot konsequent erdet.

    Sowieso schwappt da von den Seiten immer wieder genug Überraschendes und Lebensnahes rein, um der Tragikomödie das gewisse Etwas zu verleihen: So ist das Kinopublikum wahrscheinlich ebenso überrascht wie Edgar, wenn seine Tochter ihn nicht nur nicht hasst, sondern sich im Gegenteil sogar als sein größter Fan entpuppt. Und wenn Sohn Patrick loslegt, seinen Vater wegen dessen Anti-Eva-Kalauern mal so richtig zur Sau zu machen, dann lässt der Film ihn so sehr von der Leine, dass einige Zuschauende womöglich sogar ihre Sympathien für Edgar komplett verlieren könnten. So überzeugend ist Robert Gwisdek beim Schmettern dieser erbarmungslos-abrechnenden Tirade!

    Warner Bros.
    Das Zusammenspiel von Uwe Ochsenknecht und Corinna Harfouch ist ein Ereignis!

    Aber Edgar und Uwe Ochsenknecht halten all dem Stand. Regisseur Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg, die mit Sunnysideup inzwischen sogar eine gemeinsame Produktionsfirma besitzen, haben in Filmen wie „Simpel“ oder „25 km/h“ schon oft ihr Händchen fürs Bittersüße bewiesen – und gerade in solchen Momenten kann auch „Die Ironie des Lebens“ ganz besonders scheinen: etwa beim spontanen Duett von Edgar und Eva nach einem Comedy-Preis, wenn nur noch die Sektgläser abräumenden Kellner*innen ihnen zuhören, oder wenn Edgar später seine Bühnenshow nutzt, um statt der geplanten Gags über seine ehrlichen Gefühle zu sprechen. Vielleicht auch wieder so eine titelgebende Ironie, dass ausgerechnet diese Lebensbeichte sein bester Auftritt ist (und ein Film über einen Stand-up-Komiker vor allem dann begeistert, wenn man im Kinosaal von allen Seiten leises Schluchzen hört).

    Fazit: Man kommt für Uwe Ochsenknecht auf der Stand-up-Bühne und bleibt für das herausragende Zusammenspiel mit Corinna Harfouch! „Die Ironie des Lebens“ ist bittersüßes Schauspielkino, bei dem man ruhig auch die eine oder andere Träne verdrücken darf.

    PS: Um dem immer mal wieder vorgebrachten „Vorurteil vom lahmen deutschen Film“ etwas entgegenzusetzen, hat sich die FILMSTARTS-Redaktion dazu entschieden, die Initiative „Deutsches Kino ist (doch) geil!“ zu starten: Jeden Monat wählen wir einen deutschen Film aus, der uns besonders gut gefallen, inspiriert oder fasziniert hat, um den Kinostart – unabhängig von seiner Größe – redaktionell wie einen Blockbuster zu begleiten (also mit einer Mehrzahl von Artikeln, einer eigenen Podcast-Episode und so weiter). „Die Ironie des Lebens“ ist unsere Wahl für den August 2024.

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