Familie. Der Ort der Liebe und des Zusammenhalts? Was hält denn eine Familie zusammen? Und was ist, wenn irgendwie gar nichts da ist, was die Familie zusammenhält?
Drei Stunden holt Matthias Glasner die Zuschauer in den Kosmos der Familie Lunies. Das ist faszinierend, spannend, aber auch ziemlich niederschlagend und auch traurig.
Da sind Lissy Lunies (Corinna Harfouch) und ihr Mann Gerd (Hans-Uwe Bauer). Sie sind Mitte siebzig, und es steht nicht gut um sie. Er ist dement, und auch sie wird immer schwächer und macht ins Bett - sie hat eine schwere Diabetes, und sie sieht kaum noch was. Als sie auch noch einen Herzinfarkt bekommt, muss Gerd ins Heim - wo es mit ihm immer wieder bergab geht.
Ihr Sohn Tom (Lars Eidinger) ist Dirigent und arbeitet gerade am neuen musikalischen Werk seines besten Freundes Bernard (Robert Gwisdek) - es heißt "Sterben". Toms Ex-Freundin Liv (Anna Bederke) bekommt ein Kind, und er soll Ersatzvater sein. Für einen Besuch bei seinen Eltern ist kaum Zeit.
Und dann ist da noch die Tochter Ellen (Lilith Stangenberg). Sie hat eine Affäre mit dem Zahnarzt Sebastian (Ronald Zehrfeld) - jeden Abend besaufen sie sich, und so wird der Alkohol für Ellen immer mehr zum Problem.
Im Drei-Stunden-Film "Sterben" wird eigentlich die Geschichte einer Familie erzählt. Allerdings: Es ist eine Familie, die irgendwann mal auseinandergefallen ist. Sie haben kaum wirkliche Schnittpunkte. Und so erzählt der Film gewissermaßen drei parallel verlaufene Geschichten, und nur ab und zu überschneiden sie sich. Wenn es Tom wirklich mal ins Pflegeheim eines Vaters schafft, zum Beispiel.
So sind sehr unterschiedliche Geschichten entstanden.
Einmal die aufwühlenden Momente über das Altwerden. Und das Krankwerden. Und auch das Sterben. Lissy leidet unter den Attacken ihres Körpers, und sie schafft es einfach nicht mehr, ihren Mann zu pflegen. Hilfe von der Krankenkasse bekommt sie nicht wirklich - erst, als es nach ihrem Herzinfarkt nicht mehr geht. Im Heim siecht Gerd dann nur vor sich hin, und es sind ergreifende Szenen, die auch nachdenklich machen - und traurig.
Tom hat ganz andere Sorgen, denn er steht vor der Premiere des neuen Werkes von Bernard. Hier schafft der Film sehr spannende Augenblicke, wenn wir bei der Konzertprobe dabei sind und nach und nach ein Gänsehaut-Stück entsteht.
Als Tom dann eines Tages seine Mutter besucht, erleben wir einen Dialog, der unter die Haut geht. Denn auf ganz trockene Weise hauen sich beide schlimme Wahrheiten um die Ohren, allein diese eine gute Viertelstunde dauernde Szene ist ein Meisterstück von Corinna Harfouch und Lars Eidinger. Wie überhaupt die Harfouch hier wahnsinnig gut spielt.
Und schließlich noch die Geschichte über Süchte und Abhängigkeiten, die Ellen durchgebt.
"Sterben" ist eine Familiengeschichte über eine Familie, die scheinbar gar keine mehr ist. So kann der Filmtitel dann auch auf vielfältige Weise gedeutet werden.