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    American Boogeyman - Faszination des Bösen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    American Boogeyman - Faszination des Bösen

    Ted Bundy ist einfach nicht totzukriegen

    Von Lutz Granert

    Neben Jeffrey Dahmer, John Wayne Gacy und Charles Manson gilt Ted Bundy als einer der berühmtesten und berüchtigtsten Serienkiller der US-Justizgeschichte. Mindestens 30 Morde an jungen Frauen konnten ihm nachgewiesen werden, wobei er seine Opfer meist durch einen Vorwand in seinen VW Käfer lockte, um sie dann zu entführen, zu vergewaltigen, zu erwürgen und schließlich zu zerstückeln.

    Erstmalig wurden die Behörden bei einer Verkehrskontrolle am 16. August 1975 auf ihn aufmerksam, bei der Polizisten Einbruchswerkzeug auf dem Beifahrersitz seines Wagens entdeckten und ihn daraufhin in Gewahrsam nahmen. Die USA hielt er jedoch durch zwei spektakuläre Fluchten – einmal aus der Bibliothek eines Gerichtsgebäudes und einmal aus dem Gefängnis in Glenwood Spring in Colorado – noch bis zum 15. Februar 1978 in Atem. Da wurde er schließlich noch einmal gefasst und endgültig eingesperrt.

    Gleich zwei Mal kann der Serienmörder Ted Bundy (Chad Michael Murray) den Behörden wieder entwischen.

    American Boogeyman - Faszination des Bösen“ zeichnet nach, wie es zur ersten und auch zur letzten Verhaftung des oftmals als attraktiv und charmant bezeichneten Psychopathen kam. Dabei versucht der genreerfahrene Regisseur und Drehbuchautor Daniel Farrands („The Haunting Of Sharon Tate“) einen ambitionierten Spagat: Neben der um Detailtreue bemühten Nachstellung einiger recht willkürlich ausgewählter Morde rückt er verstärkt auch den FBI-Profiler Robert Ressler und die ambitionierte Ermittlerin und spätere stellvertretende FBI-Direktorin Kathleen McChesney in den Fokus.

    Damit grenzt sich Farrands zumindest inhaltlich von den ebenfalls erst kürzlich erschienenen Ted-Bundy-Filmen „Extremely Wicked, Shockingly Evil And Vile“ mit Zac Efron (beleuchtet die 1969 begonnene Beziehung zur alleinerziehenden Mutter Liz Kloepfer) und „Ted Bundy: Man Of God“ mit Elijah Wood (handelt von den Gesprächen des FBI-Profilers William Hagmaier mit dem Killer nach seiner Inhaftierung) ab. Das Experiment misslingt jedoch: Psychologisch kratzt der düstere, mit zahlreichen Retro-Elementen angereicherte Real-Crime-Thriller nur an der Oberfläche und kommt deshalb zuweilen arg plump daher.

    Die ehrgeizige Ermittlerin Kathleen McChesney (Holland Roden) setzt alles daran, um weitere Morde zu verhindern.

    Oktober 1974: Als die junge Polizistin Kathleen McChesney (Holland Roden) vom King County Police Department im US-Bundesstaat Washington in mehreren Vermisstenfällen im Dunkeln tappt, erhält sie Unterstützung vom FBI-Profiler Robert Ressler (Jake Hays). Einige Monate und ein paar Morde später gelingt es ihnen, Ted Bundy (Chad Michael Murray) festzunehmen. Doch dem Tatverdächtigen gelingt die Flucht. Seine Spur führt zur Studentinnen-Verbindung Sorority Chi Omega nach Florida. Während Bundy sich dort unter falschem Namen einlebt, hängen sich McChesney und Ressler in der Hoffnung an seine Fersen, noch weitere Morde verhindern zu können...

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    Im Jahr 1971 war die reale Kathleen McChesney die erste Frau, die im US-Bundesstaat Wahington auf Streife ging und sich langsam hocharbeitete, bis sie schließlich im Alter von nur 24 Jahren eine führende Rolle bei den Ermittlungen im Fall des Serienmörders Ted Bundy einnahm. In einer von Männern dominierten Polizeibehörde war Sexismus definitiv ein Problem – aber ob er so unverhohlen, betont klischeehaft gelebt wurde wie in der ersten Viertelstunde von „American Boogeyman - Faszination des Bösen“, darf trotzdem angezweifelt werden. Nachdem ihr auf dem Flur nachgepfiffen wurde, reißt der Polizeichef in Anwesenheit von McChesney einen frauenfeindlichen Witz, bevor er nimmermüde wird zu betonen, dass sein Sohn Shane (Sky Liam Patterson) der Beste seines Jahrgangs sei – welcher dann bei einer (falschen) Analyse des Bundy-Mordschemas von McChesney aber sofort als debil grinsendes Dummbrot entlarvt wird.

    Verständlich, dass die Seriendarstellerin Holland Roden („Teen Wolf“) ihre Rolle als profilierungssüchtige Polizistin, die von einer Karriere beim FBI träumt, entsprechend tough, scharfzüngig und humorlos anlegt. Wirklich sympathisch wirkt sie unter dieser harten Schale jedoch nicht, weil ihr so etwas wie ein weicher Kern gänzlich fehlt. Ähnliches gilt auch für den blassen Jake Hays als Robert Ressler oder Chad Michael Murray als Ted Bundy: Ihnen mangelt es perfekt gescheitelt bzw. mit perfekt sitzender Fönfrisur einfach an Profil. Wirkliche schauspielerische Akzente setzt nur der bekannteste Name im Cast. Horror-Ikone Lin Shaye (bekannt aus der „Insidious“-Reihe) verleiht der ungläubigen Killer-Mutter in ihren wenigen Szenen verstörende Züge, wenn McChesney und Ressler sie mit den erschütternden Taten ihres Sohnes konfrontieren – und sie plötzlich wenig empathisch bedauert, dem Ermittler-Duo weder Eiskrem noch Apfelstrudel anbieten zu können.

    Der Sex mit den Schaufensterpuppen ist eine klare Anspielung an William Lustigs Skandal-Klassiker "Maniac".

    Formal punktet „American Boogeyman - Faszination des Bösen“ mit einer düsteren Atmosphäre. Dazu kommt – beginnend beim Vorspann in blauen Neon-Lettern, die auf die Kamera zufliegen – ein stimmiger 80er-Jahre-Retrocharme, welcher sich auch in einigen Filmreferenzen niederschlägt. Der unheilvoll fauchende Synthie-Soundtrack erinnert an „Henry: Portrait Of A Serial Killer“ – und wenn sich Ted Bundy in einer exzessiven, rot ausgeleuchteten Montage in seinem neuen Domizil auf dem Gelände einer Studentinnen-Verbindung an mehreren Schaufensterpuppen vergeht, ist das eine unverhohlene Anspielung auf die Alptraumsequenz im berüchtigten Horrorklassiker „Maniac“.

    Dem Vergleich mit diesen Genre-Klassikern hält „American Boogeyman - Faszination des Bösen“ aber nicht stand – und das liegt nicht nur an mangelnder psychologischer Tiefe: Der Mix aus deftigem Horror (etwa beim sehr blutigen Massaker im letzten Viertel), mit Tonbandaufnahmen aus dem Off angereicherten Psychopathen-Portrait und mit wiederkehrenden Datumseinblendungen um historische Exaktheit bemühten, aber etwas lustlos abgespulten Real-Crime-Thriller funktioniert durch seine sehr verschiedenen Zutaten einfach nicht. Dasselbe gilt übrigens für das weibliche Pendant „American Boogeywoman – Engel des Todes“, der ebenfalls von Farrands stammt, von der Serienmörderin Aileen Wuornos handelt und in Deutschland mit nur einer Woche Abstand vor „American Boogeyman“ erscheint.

    Fazit: Auch wenn hier verstärkt die beiden Hauptermittler in den Fokus rücken, fehlt es dem stets bemühten, aber inhaltlich unausgegorenen Real-Crime-Thriller „American Boogeyman - Faszination des Bösen“ mangels Sympathie schlicht an Identifikationsfiguren.

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