Gabriel Byrne ist einfach unwiderstehlich
Von Oliver KubeDen Titel zu seinem vierten Spielfilm „Death Of A Ladies‘ Man“ hat sich Matt Bissonnette von dem gleichnamigen, pompös produzierten und faszinierend selbstverliebten 1977er-Album von Leonard Cohen ausgeliehen. Sowieso scheint das Schaffen des legendären kanadischen Poeten und Romanciers eine zentrale Quelle der Inspiration für Bissonnette zu sein: Bereits in seinem Debüt „Looking For Leonard“ spielte der Filmemacher immer wieder auf die Rock-Ikone an …
… und auch 20 Jahre später kann Bissonnette nun offenbar nicht aus seiner (Fan-)Haut. Was allerdings völlig okay ist. Schließlich verhindern die Cohen-Referenzen, dass „Death Of A Ladies‘ Man“ wie ein Derivat aus bekannten (und oft besseren) Werken wie etwa Woody Allens „Midnight In Paris“, Stephen Frears‘ „High Fidelity“, Alexandre Paynes „About Schmidt“ oder „Einfach das Ende der Welt“ von Xavier Dolan wirkt.
Sitzt Sam (Gabriel Byrne) da wirklich Frankensteins Monster gegenüber - oder meldet sich doch nur wieder sein Hirntumor?
Sam O‘Shea (Gabriel Byrne) ist Literatur-Professor an der Universität von Montreal. Nur durch Zufall erwischt er eines Tages seine deutlich jüngere zweite Ehefrau Linda (Carolina Bartczak) dabei, wie sie ihn betrügt. Nach einem kurzen Streit beschließt das Paar sich zu trennen. Nur wenig später stellen sich bei Sam Halluzinationen ein. Diese werden zunehmend absurder und manifestieren sich etwa darin, dass er sich immer wieder angeregt mit seinem schon vor vielen Jahren verstorbenen Vater Ben (Brian Gleeson) unterhält.
Als die Wahnvorstellungen, die er zunächst auf seinen exzessiven Alkoholkonsum zurückführt, einfach nicht weniger werden, lässt Sam sich endlich untersuchen. Dabei kommt heraus, dass ein inoperabler Tumor in seinem Kopf wächst, der ihm bestenfalls noch ein Jahr zu leben gibt. Also beschließt er spontan, sich in sein Geburtshaus an der irischen Westküste zurückzuziehen. Nicht mal seinen erwachsenen Kindern oder deren Mutter (Suzanne Clément) gibt er Bescheid. Stattdessen will er dort einen schon lang geplanten Roman schreiben. Kaum auf der grünen Insel angekommen, lernt er allerdings die ebenfalls deutlich jüngere Charlotte (Jessica Paré) kennen…
Gabriel Byrne („Die üblichen Verdächtigen“) ist perfekt als gealterter Schwerenöter mit gravierenden Charakterschwächen. Sobald der Abspann läuft, werden sich Kinogänger*innen kaum noch einen anderen Schauspieler als den virtuos zwischen Weltschmerz, Zynismus und Spitzbübigkeit chargierenden Iren in der Rolle vorstellen können. Gibt er den auf sich selbst fixierten, alle Welt auf Distanz haltenden und dabei dennoch unwiderstehlich charmanten Sam doch komplett überzeugend. Weshalb es durchaus realistisch ist, dass eine Reihe intelligenter und selbstbewusster, dazu deutlich jüngerer Frauen mit Sam zusammen sein will. Und genauso glaubhaft ist es, dass der Sohn und die Tochter, die er ihr Leben lang vernachlässigt hat, noch immer um seine Aufmerksamkeit buhlen.
Aufgrund der Konzentration auf die Titelfigur kommen die restlichen Charaktere arg kurz. Über Sams Nachwuchs erfährt man jenseits der Beziehung zum Vater nur das Allernötigste. Auch die Frauen in seinem Leben sind wenig mehr als Drehbuch-Werkzeuge, um den Protagonisten zum Handeln zu zwingen oder uns Essenzielles über seine Vergangenheit zu vermitteln. Selbst wenn Sam ausnahmsweise mal nicht in einer Szene dabei ist, drehen sich die Unterhaltungen allein um ihn. Dadurch lässt der Film einiges an Tiefe missen. Aufgrund der von Byrne und seiner Figur ausgehenden Anziehungskraft ist dies aber verzeihlich.
Eigentlich war Sam ja nur zum Schreiben und Sterben an die irische Küste gekommen...
Auch wenn Bissonnette sie gelegentlich zu lang auswalzt, sind die zum Ende hin immer abgefahreneren Halluzinations-Episoden meist recht unterhaltsam. Zudem sagen sie einiges über Sams Charakter und seine Gedankenwelt aus. Der erste Hinweis darauf, dass irgendetwas mit dem Verstand des Professors nicht in Ordnung ist, kommt nach etwa zehn Minuten. Vor dem Anpfiff eines Eishockeyspiels seines Sohnes wird wie bei diesen Anlässen üblich die Nationalhymne angekündigt. Anstelle von „O Canada“ stimmt die im Mittelkreis stehende junge Dame mit dem Mikro allerdings Leonard Cohens „Bird On The Wire“ an. Mit Ausnahme von Sam scheint sich aber niemand darüber zu wundern. Schließlich realisiert er, dass nur er allein das Lied hört. Derlei Dinge passieren Sam von nun an immer häufiger – viele davon ebenfalls mit Bezug auf Songs oder Gedichte des 2016 verstorbenen Singer-Songwriters aus Westmount bei Montreal, der in der realen Welt bis heute so etwas wie ein Volksheld im Ahornland ist.
„Death Of A Ladies‘ Man“ mag an keinen der eingangs erwähnten, ähnliche Themenfelder beackernden Filme heranreichen – dafür wirkt er insgesamt zu fahrig und ist visuell zu unscheinbar. Die Cohen-Einlagen verleihen ihm aber nicht nur willkommenes Lokalkolorit, sondern auch einen verspielten Charme und sympathische Leichtigkeit. Sie hellen die Düsternis der Geschichte um das Ende eines in mehreren Belangen unerfüllten, von verbrannten Brücken bestimmten Lebens angenehm auf. Dazu trägt übrigens auch das überraschend plötzliche und in seiner Konsequenz fast schon schockierende, dabei aber rundum befriedigende Finale bei.
Fazit: „Death Of A Ladies‘ Man“ ist kein Tragikomödien-Highlight, dazu sind weder die Prämisse noch die visuelle Umsetzung packend oder originell genug. Aufgrund der exzellenten Leistung von Hauptdarsteller Gabriel Byrne und seiner liebenswert-skurrilen Art ist das Ganze für Fans des Genres oder des Stars aber dennoch sehenswert.