Kurzweilig, aber einseitig
Von Sidney ScheringNein, nach den Superstar-Biopics „Bohemian Rhapsody“ über Queen, „Rocketman“ über Elton John und „I Wanna Dance With Somebody“ über Whitney Houston kommt mit „What's Love Got To Do With It?“ jetzt nicht auch noch ein Film über Tina Turner in die Kinos. Stattdessen handelt es sich beim neusten Film des hauptsächlich für Historiendramen bekannten Regisseurs Shekhar Kapur um eine britische Romantik-Komödie ganz nach dem Vorbild solch ikonischer Insel-Klassiker wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, „Notting Hill“ oder „Tatsächlich… Liebe“.
Aufgepeppt wird der bekannte Mix aus neckischen Dialogen, stimmungsvollen Stadtmotiven und aufgewühlten Monologen mit Elementen einer Culture-Clash-Comedy: Die von „Cinderella“-Star Lily James gespielte Protagonistin setzt sich mit den Traditionen ihrer in Südasien verwurzelten Nachbarfamilie auseinander. Die hält arrangierte Ehen für das Patentrezept zum langlebigen Liebesglück – woher letztlich auch der Filmtitel rührt. Die Antwort auf die titelgebende Frage wird dann durchaus kurzweilig herbeiargumentiert, fällt aber auch arg einseitig aus...
Sind Zoe (Lily James) und Kaz (Shazad Latif) wirklich nur beste Freunde?
Die Dokumentarfilmerin Zoe (Lily James) ist Dauersingle – und das trotz steter Bemühungen, mit Hilfe von Dating Apps den Richtigen zu finden. Das überstrapaziert die Geduld ihrer chaotischen Mutter Cath (Emma Thompson), die mit allerlei schnippischen Kommentaren über das Dating-Versagen ihrer Tochter herzieht. Zoes Kindheitsfreund und Nachbar Kaz (Shazad Latif) muss sich über solche Themen derweil keine Gedanken machen: Er wurde von seinen Eltern an Maymouna (Sajal Ali), die schüchterne Tochter einer pakistanischen Einwandererfamilie, vermittelt. Schon bald soll die Hochzeit stattfinden – und Zoe verfolgt die Vorbereitungen und Feierlichkeiten eifersüchtig grantelnd mit ihrer Kamera...
Während mit Shekhar Kapur („Elizabeth“) ein indischstämmiger Filmemacher, der bereits seit Jahrzehnten im westlichen Kino aktiv ist, Regie führt, stammt das Drehbuch aus der Feder der Ex-Journalistin Jemima Khan. Die gebürtige Britin war jahrelang mit dem pakistanischen Cricket-Spieler und späteren Premierminister Imran Khan verheiratet – und gründete mit ihm in seinem Heimatland eine Familie. Die sich um einen argumentativen Austausch bemühende RomCom wurde also maßgeblich von Kreativen geprägt, die sich in beiden thematisierten Kulturkreisen auskennen. Dennoch lässt sich das Gefühl schwer abschütteln, dass eine Perspektive in „What's Love Got To Do With It?“ deutlich mehr Gehör findet als die andere.
Europäische Märchen bekommen dabei in Form eines anfangs noch gezielt eingesetzten, über die Dauer des Films aber abstumpfenden Running Gags ihr Fett weg: Zoe erzählt den Kindern einer Freundin Gute-Nacht-Geschichten, in denen sie Märchen wie „Aschenputtel“ oder „Die Schöne und das Biest“ im ironisch-strengen Tonfall feministisch revidiert. Kaz' Familie darf zudem ein paar Seitenhiebe auf die Vereinsamung und Egozentrik, die im westlichen Kulturkreis überproportional vorkommen, austeilen. Zugleich werden die Traditionen, die Kaz' und Maymounas Familien verfolgen, nicht mit derselben Kürze und Leichtigkeit kritisiert:
Entgegen ihrer Absicht, eine progressive Dokumentation zu drehen, die mit Vorurteilen aufräumt, stößt Zoe bei ihrer Arbeit schnell auf schwerwiegende Konflikte: So erfährt sie unter anderem von verstoßenen Verwandten und begegnet Maymouna wiederholt bibbernd vor Angst, da die junge angehende Braut den Zorn ihrer Eltern fürchtet. Schicksale, die so in jeder Familie vorkommen könnten – sich aber ausgerechnet in dieser um Aufklärung bemühten RomCom auf nicht-weiße Familien konzentrieren.
In der Familie von Kaz wird traditionell nicht als Individuum, sondern im Verbund über Beziehungen entschieden.
Dabei finden sich im Drehbuch durchaus Ansätze, die bei entsprechender Ausarbeitung ein Gleichgewicht ermöglicht hätten: Einzelne Szenen stellen Parallelen zwischen unpersönlicher Partnersuche via Tinder & Co. sowie den bürokratisierten Mechanismen hinter einer modernen arrangierten Ehe her. An anderer Stelle wird angedeutet, dass sich westliche Verkupplungsversuche kaum davon unterscheiden, was Kaz' gerade durchmacht. Spannend auch die Erkenntnis, dass langfristige Beziehungen oftmals vom Segen der Freund*innen und Familien des Paares abhängig sind. Während sich manche Menschen erst beschnuppern und danach diesen Segen einholen, gehen andere halt umgekehrt vor.
Dass es in beiden Fällen schiefgehen kann, reißt „What's Love Got To Do With It?“ zwar an, allerdings kritisiert Khan Zoes Perspektive wahnsinnig behutsam, während Kaz und seine Familie dagegen mit den dramatischsten Szenen des Films zur Raison gebracht werden. Daher wirkt eine Sequenz, in der Zoes oberflächliches Produzenten-Duo kalte Füße bekommt und der Dokumentarfilmerin vorwirft, mit ihrem Film bloß ihre persönliche Sicht der Welt bestätigen zu wollen, wie ein zynisches Feigenblatt: Wer „What's Love Got To Do With It?“ unausgewogen findet, wird in die Nähe dieser offensichtlichen Schwachköpfe gerückt.
Dass „What's Love Got To Do With It?“ trotzdem gefällige 108 Kinominuten beschert, ist vor allem der soliden Trefferquote zu verdanken, mit der dickköpfige Nebenfiguren gewitzte Sprüche vom Stapel lassen. Da werden direkt Erinnerungen an Hugh Grants Mitbewohner Spike aus „Notting Hill“ wach – und so kommen hier ebenso wohlige Erinnerungen an diverse britische RomCom-Klassiker auf wie beim ebenso kurzweiligen wie warmherzigen Rapport zwischen Zoe und Kaz: Mit ihren Insider-Gags, förmlich in Fleisch und Blut übergegangenen Neckereien sowie gegenseitiger Fürsorge wirken die beiden als lebenslange Freunde absolut glaubhaft.
Lily James („Baby Driver“, „Yesterday“) und Shazad Latif („Star Trek: Discovery“) unterstreichen diesen Eindruck mit ihrem Zusammenspiel effektiv. Fast schon sind die Freundschafts-Vibes zwischen ihnen sogar zu überzeugend, da der „Kommen sie noch zusammen oder nicht?“-Spannungsbogen bei dieser platonischen Sympathie mitunter wie eine erzwungene Genre-Konvention wirkt.
Zoe muss sich von ihrer Mutter Cath (Emma Thompson) regelmäßig dumme Sprüche wegen ihrer Dating-Fehlschläge anhören.
Das romantische Knistern, das Zoe und Kaz als potentielles Traumpaar positionieren soll, bleibt lange aus. Erst im letzten Drittel gelingt es den Co-Stars, ihre Figuren doch noch als Freunde, zwischen denen vielleicht auch mehr laufen könnte, in Stellung zu bringen. Zumindest versteht Shekhar Kapur es, mit allerlei visuellen Sperenzchen über dieses Manko hinwegzutäuschen: Gemeinsam mit seinem „Elizabeth“-Kameramann Remi Adefarasin erschafft der Regisseur atmosphärische Bilder, die eine kuschelig-liebreizende Stimmung erzeugen. Sei es Zoes heimeliges Hausboot, das mit Krimskrams bestückte Haus ihrer Mutter, oder der Reigen an farbenfrohen Schauplätzen im Rahmen der ausgelassenen pakistanischen Hochzeitsfeierlichkeiten.
Im Tandem mit der gefühlvoll-beschwingten Musik von Nitin Sawhney („Solange ich atme“) bekommt „What's Love Got To Do With It?“ somit ein effektives, gemütlich-gefälliges Äußeres verpasst. So gemütlich und gefällig, dass selbst ohne Tina-Turner-Popklassiker-Bonus genug Charme entsteht, dass sich die Makel erst mit Abstand bemerkbar machen. Das genügt vielleicht fürs unverbindliche Dating, aber nicht für den ewigen Bund der Filmliebe.
Fazit: Auf den ersten Blick räumt „What's Love Got To Do With It?“ mit Vorurteilen auf. Schaut man aber genau hin, erweist sich der Kulturaustausch-Aspekt dieser Romantik-Komödie als freundlich gemeinter Schall und bunter Rauch. Dennoch bietet der Film dank seines hübschen Looks und seiner charmant geschriebenen Figuren kurzweilig-warmherziges Vergnügen für zwischendurch.