Netflix‘ Naziploitation-Reißer knallt gut rein
Von Christoph PetersenNach all dem Oscar-Hype gibt es bestimmt kein deutsches Netflix-Original, das weltweit häufiger angesehen wurde als „Im Westen nichts Neues“. Ganz sicher lässt sich das allerdings nicht sagen. Denn für die öffentlich zugänglichen Top-10-Listen des Streaming-Portals werden lediglich die gesehenen Stunden in den ersten 30 Tagen nach der Veröffentlichung herangezogen – und nach dieser Rechnung steht noch immer Peter Thorwarths Vampire-im-Flugzeug-Horror-Actioner „Blood Red Sky“ an erster Stelle. Mehr als 110 Millionen Stunden wurde der Film allein im ersten Monat geschaut. Das reicht – nur hinter „Troll“ – sogar für Platz 2 der erfolgreichsten nicht-englischen Netflix-Produktionen überhaupt.
Kein Wunder also, dass dem „Was nicht passt, wird passend gemacht“-Regisseur bei seinem zweiten Netflix-Projekt nun offenbar eine gewisse (Narren-)Freiheit zugestanden wurde. Und diese hat er auch prompt genutzt, um mit „Blood & Gold“ einen Film abzuliefern, wie man ihn nun wirklich nicht aus Deutschland erwartet hätte: Der Naziploitation-Reißer macht nämlich vor allem deshalb mächtig Laune, weil ausgerechnet die Action-Szenen richtig gut reinknallen – sonst ja oft eine auffallende Schwäche des hiesigen Filmschaffens. Da verzeiht man dann auch gern, dass sich „Blood & Gold“ hier und da doch arg auffällig an das Retro-Grindhouse-Kino von Quentin Tarantino & Co. anlehnt.
Gerade die Action-Szenen in „Blood & Gold“ machen echt was her – und das längst nicht nur wegen des im deutschen Film selten so gesehenen Härtegrads.
Auf dem Weg nach Hause zu seiner kleinen Tochter wird der Deserteur Heinrich (Robert Maaser) vom Trupp des sadistischen SS-Führers Von Starnfeld (Alexander Scheer) an einem Baum aufgeknüpft – und erst im allerletzten Moment von Bäuerin Elsa (Marie Hacke) gerettet. Während der SS-Trupp in das nahegelegene Dorf Sonneberg weiterzieht, um dort in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs noch vor den herannahenden Alliierten einen jüdischen Goldschatz zu bergen, wird Heinrich von Elsa und ihrem Bruder Paule (Simon Rupp) auf ihrem Bauernhof aufgepäppelt.
Doch als einige der SS-Männer vorbeischauen, um sich Vorräte für die Truppe zu krallen (und dabei gleich noch Elsa zu vergewaltigen), kommt es zur ersten von noch vielen blutigen Konfrontationen – zumal auch einige der Dorfbewohner*innen wie der schmierseifige Bürgermeister Richard (Stephan Grossmann), der holzbeinige Reinkober (Christian Kahrmann) oder die resolute Sonja (Jördis Triebel) mit allen Wassern gewaschen und absolut nicht bereit sind, „ihren“ aus 31 Barren bestehenden Schatz einfach so herzugeben…
„Blood & Gold“ hat einen sinistren schwarzen Humor, der sich vor allem in den Szenen mit Alexander Scheer vollends Bahn bricht: Nicht nur liefert der „Gundermann“-Star als arrogant-schmieriger SS-Scherge einen Maximal-cringe-Heiratsantrag. Nach dem Abnehmen seiner „Phantom der Oper“-Gedächtnismaske wird auch noch ein Loch in seiner offenbar weggeschossenen linken Gesichtshälfte sichtbar – und dieses sorgt dann in einem besonders bösen Zyankali-Moment für einen Lacher, der bei der Berliner Weltpremiere selbst dann noch der lauteste im Saal war, als er der Hälfte der Anwesenden direkt wieder im Halse steckengeblieben ist.
Natürlich fühlt man sich in solchen Szenen, zumal wenn sie dann auch noch mit einem Mundharmonika-Score wie aus einem Spaghetti-Western unterlegt sind, unweigerlich an Quentin Tarantino und speziell dessen Exploitation-Blockbuster „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“ erinnert. An diese Vorbilder reicht „Blood & Gold“ zwar nicht heran – und trotzdem zählt er zu den klar besseren Tarantino-Epigonen, weil er eben längst nicht nur auf die schnellen ironisch-brutalen Gags abzielt, sondern im Gegenteil sehr solide geschrieben und noch besser inszeniert ist (nur die Idee, eigentlich ausgesprochen brutale Actionmomente mit anachronistischen Chansons zu unterlegen, war schon vorher dermaßen ausgelutscht, dass es einem hier schon bald auf die Nerven geht).
Alexander Scheer kostet seine Auftritte als schmieriger SS-Scherge voll aus…
Die handwerkliche Qualität kommt dabei ausgerechnet in den Action-Szenen besonders zum Tragen: „Blood & Gold“ erreicht immer wieder eine unmittelbare Körperlichkeit, wie man sie speziell vom deutschen Film kaum noch gewöhnt ist – und damit meinen wir längst nicht nur die offenkundigen Splatter-Einschübe, wenn etwa ein Nazi mit einer Mistgabel aufgespießt wird. Stattdessen knallen die meisten Auseinandersetzungen ob nun mit bloßen Fäusten oder ratternden Maschinengewehren einfach richtig gut rein – und machen „Blood & Gold“ so zu einer angenehm kurzweiligen Räuberpistole…
Fazit: Bei der Deutschlandpremiere von „Blood & Gold“ im Rahmen des Fantasy Filmfest gab es gerade bei den actionreichen Gewaltszenen immer wieder kathartischen Szenenapplaus. Ob sich diese Begeisterung auch eins-zu-eins von der großen Leinwand auf den heimischen Fernsehschirm überträgt, bleibt abzuwarten – und doch ist Peter Thorwarth auf jeden Fall dafür zu gratulieren, dass er einen von (zu) wenigen deutschen Filme abgeliefert hat, der in seinen Actionszenen vor allem mit einer oft brachialen Körperlichkeit punktet. Da hätte man vielleicht gar nicht so sehr in Richtung der amerikanischen Grindhouse-Vorbilder von Quentin Tarantino & Co. schielen müssen…
Wir haben „Blood & Gold“ bei den Fantasy Filmfest Nights 2023 gesehen.