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    Massive Talent
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Massive Talent

    Nicolas Cage spielt sich selbst – und hat eine Menge Spaß dabei

    Von Björn Becher

    Massive Talent“ ist ein Comeback für Nicolas Cage! Das mag sich erst mal komisch anhören, da der Oscargewinner ja nie wirklich weg vom Fenster war – zuletzt hat er sogar regelmäßig mehrere Filme pro Jahr gedreht. Aber „Massive Talent“ von Tom Gormican ist nun tatsächlich seine erste Hauptrolle in einem Film, der weltweit groß in die Kinos kommt, seit elf (!) Jahren: Das letzte Mal war das 2011 bei dem Marvel-Sequel „Ghost Rider 2: Spirit Of Vengeance“ der Fall (wobei Cages Abschied vom Blockbuster-Geschäft wohl in erster Linie mit dem Disney-Flop „Duell der Magier“ von 2010 zu tun hatte).

    Mehr als ein Jahrzehnt lang hat Nicolas Cage also nur Filme gemacht, die maximal kleine lokale Kinostarts erhalten haben, meist aber direkt auf Blu-ray und DVD veröffentlicht wurden. Cage war dabei allerdings nie jemand, der nur auf den Gehaltsscheck schielt. So sind dabei nicht nur großartige Filme wie „Joe“, „Mandy“ oder „Pig“ entstanden, Cage hat sich auch bei jedem einzelnen Auftritt die Seele aus dem Leib gespielt. Das ist nun auch in „Massive Talent“ nicht anders: In seiner vielleicht schwersten Rolle spielt er sich selbst und beweist dabei endlich mal wieder sein großes Comedy-Talent. Umso überraschender, dass ihm trotzdem einer seiner Co-Stars ein Stück weit die Show stiehlt...

    Nicolas Cage spielt sich selbst - und zieht sein eigenes Image dabei mit jeder Menge Selbstironie angenehm uneitel durch den Kakao.

    Nick Cage (Nicolas Cage) ist frustriert, nachdem er bei einem Regisseur (David Gordon Green) ebenso verzweifelt wie vergeblich um eine Traumrolle gekämpft hat. In Selbstgesprächen mit seinem jüngeren Ich (Nicolas Kim Coppola) hängt der einstige Star alten Zeiten nach und hat auch sonst nur Filme im Kopf. Deswegen hat sich auch seine Ex-Frau Olivia (Sharon Horgan) von ihm getrennt. Seine 16 Jahre alte Tochter Addy (Lily Sheen) rollt hingegen nur verzweifelt mit den Augen, wenn Papa mit ihr mal wieder „Das Cabinet des Dr. Caligari“ oder einem anderen expressionistischen Stummfilm schauen will.

    Gerade als Nick die Schauspielerei sogar ganz hinschmeißen will, macht ihm sein Agent (Neil Patrick Harris) ein Angebot, mit dem er wenigstens seine Schulden los wäre: Für eine Million Dollar soll er nach Mallorca fliegen, um als Star-Gast bei der Geburtstagsparty des reichen Geschäftsmanns Javi (Pedro Pascal) aufzutreten. Auf der Balearen-Insel wird Nick allerdings von zwei CIA-Agenten kontaktiert: Vivian (Tiffany Haddish) und Martin (Ike Barinholtz) erklären ihm, dass der vermeintlich nette Superfan in Wahrheit ein gefürchteter Waffenhändler sei und der Schauspieler nun undercover für sie herausfinden soll, wo Javi eine entführte Politikertochter versteckt hält. Bald wird Nick klar, dass er die Rolle seines Lebens spielen muss, um aus dieser Situation noch lebend herauszukommen...

    Ein Liebesbrief an Nicolas Cage

    Regisseur Tom Gormican und sein Co-Autor Kevin Etten lieben Nicolas Cage – das wird schon in den ersten Minuten von „Massive Talent“ klar. Und sie machen sich auch nicht über den Star und dessen vermeintliche Spleens lustig, sondern persiflieren gemeinsam mit ihrem Hauptdarsteller einige Aspekte dessen Bildes in der Öffentlichkeit. Vor allem verbeugen sie sich aber vor dessen langer Karriere: Auf zahlreiche Cage-Filme wird dabei angespielt – von einem „Con Air“-Ausschnitt in der Eröffnungssequenz über diverse kleinere und größere Insider-Witze bis hin zu „Tess und ihr Bodyguard“ als zentrales Element eines Plädoyers über die lebensverändernde Kraft des Kinos.

    „Massive Talent“ ist vor allem ein Film für Cage-Fans. Wie der Schauspieler sein ein gutes Stück weit fiktionalisiertes Alter Ego darstellt, ist großartig. Der in den Achtzigern oft in Komödien wie „Mondsüchtig“ brillierende Cage darf endlich mal wieder diese Seite von sich zeigen und dem Affen in seiner unnachahmlichen Art so richtig Zucker geben. Vor allem in seiner Doppelrolle dreht er mächtig auf. Denn dass der in Visionen auftauchende junge Cage laut Abspann von einem gewissen Nicolas Kim Coppola gespielt wird, ist natürlich nur ein weiterer Insider-Gag: Nicolas Cage ist bekanntlich nur ein Künstlername – bürgerlich heißt er Nicolas Kim Coppola. Er spielt also auch diese – digital verjüngte – Version und interagiert so mit sich selbst. Der junge Cage grimassiert dabei mit weit aufgerissenem Mund in Anlehnung an bekannte Memes und der Star liefert sich aberwitzige Wortgefechte mit sich selbst darüber, ob ein Filmstar eigentlich zu viel drehen kann oder sich nicht besser auch mal rarmachen sollte.

    Nicolas Cage und Pedro Pascal harmonieren großartig miteinander.

    Am besten sind aber die Momente zwischen Nicolas Cage und Pedro Pascal. Der „The Mandalorian“-Star spielt Superfan Javi so wunderbar vielschichtig, dass er schnell zum nicht ganz so heimlichen Star des Films avanciert. In einem Interview verriet Cage, dass er nach dem Lesen des Drehbuchs die Macher fragte, ob er nicht vielleicht doch lieber Javi spielen könne – und man versteht warum. Denn nach und nach wird Javi immer mehr zum Zentrum der Geschichte, zur eigentlichen Identifikationsfigur. Wenn der scheinbar so gefährliche Gangster vor seinem Idol kein Wort herausbekommt, ist das höchst amüsant. Die Momente zwischen Cage und Pascal sind schlicht herausragend – auch weil Regisseur Gormican so schlau ist, seinen Stars den nötigen Raum zu geben.

    Ihre Szenen steuern nicht auf vorgegebene Pointen zu, sondern sind offensichtlich immer wieder auch improvisiert. Gespräche fransen auch mal aus, verlaufen im Sande oder sind einfach nur cooles Abhängen. Wenn Javi wie ein Honigkuchenpferd grinst, während Cage über die Schauspielerei spricht, dann ist man sich gar nicht mehr sicher, ob beide gerade noch in ihren Rollen sind oder sich der selbsterklärte Cage-Superfan Pedro Pascal in einem völligen Meta-Moment jetzt einfach nur über die Zusammenarbeit mit dem geschätzten Kollegen freut. Wenn das Duo gemeinsam vor dem TV heult, sich an LSD berauscht oder in intimen Gesprächen die negativen Seiten ihres jeweiligen Lebens teilen, um dann gemeinsam ein Drehbuch zu schreiben, ist das nämlich immer wieder nicht nur komisch, sondern vor allem eben auch herzerwärmend. Das ist auf eine dermaßen unaufgeregte Art aufregend, dass es wohl auch einen ganz wunderbaren Slacker-Film ergeben hätte. 

    Die Inszenierung bleibt hinter den Stars zurück

    Doch nun müssen wir zum großen ABER kommen: „Massive Talent“ ist natürlich auch eine Action-Komödie und so muss sich immer wieder der eigentliche Plot seinen Weg bahnen. Der ist allerdings ziemlich berechenbar und die diversen kleineren Twists wenig überraschend. Das komische Talent von Tiffany Haddish („The Card Counter“) und Ike Barinholtz („Bad Neighbors“) wird zudem völlig verschenkt und leider ist auch die Action nur selten bemerkenswert inszeniert.

    In einem Meta-Moment fragt Javi beim gemeinsamen Schreiben des Drehbuchs für ihr Bromance-Drama den Hollywood-Star, warum er nun plötzlich eine Actionszene einbauen will. Cages Antwort: Die braucht es für den Trailer. Und man sieht in diesem Moment, dass die „Massive Talent“-Macher ihr eigenes Problem erkannt haben. Ein Waffen schwenkender und sich eine Autoverfolgungsjagd liefernder Nicolas Cage sind auch die Trailer-Szenen von „Massive Talent“, die das Publikum in einen Film locken, der am Ende viel mehr von der Männerfreundschaft als von Explosionen und Schießereien lebt. Sie haben ihr Problem aber nicht gelöst.

    "Massive Talent" ist ein toller Slacker-Abhäng-Film - aber als Action-Streifen kann er nicht wirklich überzeugen.

    Der als Vergleichsfilm allein schon aufgrund des Cameos von Regisseur David Gordon Green naheliegende „Ananas Express“ hat damals wilde Comedy mit Bromance und starken Actionszenen kombiniert. „Massive Talent“ bietet nur zwei dieser drei Zutaten in überzeugender Qualität, weil das Geschehen dann doch recht bieder und konventionell in Szene gesetzt wird. Das betrifft nicht nur die Action, sondern unter anderem auch einen Drogen-Trip der Freunde, die sich nach einer Paranoia-Attacke verfolgt und beobachtet fühlen. Doch statt visuell ebenfalls etwas freier zu drehen, ist die Szene sehr nüchtern-beobachtend gefilmt.

    Wenn „Massive Talent“ zu Beginn in Los Angeles spielt, gibt es logischerweise jede Menge Insider-Gags, da hat Cage etwa im berühmten Chateau Marmont ein Treffen oder er brettert im Anschluss ausgerechnet über den Sunset Boulevard. Aber darüber hinaus sind es eben auch Schauplätze, die optisch etwas hermachen. Im Anschluss an den Ortswechsel nach Mallorca werden diese Momente allerdings zunehmend seltener. Es gibt zwar noch eine spektakulärere Sequenz an einer Klippe, doch oft ist die Kamera seltsam nah an den Figuren, versteckt die Umgebung förmlich. Gerade im großen Showdown macht sich das bei einer Verfolgungsjagd durch eine Stadt negativ bemerkbar – und das hat seinen Grund: Gedreht wurde nämlich nicht auf der spanischen Insel, sondern in Ungarn und Kroatien.

    Fazit: „Massive Talent“ ist ein Muss für Nick-Cage-Fans und eine höchst amüsante, zu Herzen gehende Komödie, der man dank zwei glänzend aufgelegter Stars auch verzeiht, dass Plot und Action nur ein durchschnittliches Niveau erreichen.

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