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    Things Heard And Seen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Things Heard And Seen

    Mehr Drama als Grusel – nur leider kein besonders gutes

    Von Helena Berg

    Ich denke, eines der beängstigendsten Dinge auf der Welt ist eine Ehe”, hat die Filmemacherin Shari Springer Berman in einem Interview gesagt und damit ihr für Netflix produziertes Neo-Gothic-Drama „Things Heard And Seen“ beschrieben. Die Regie und die Adaption des 2016 erschienenen Romans „All Things Cease To Appear“ von Elizabeth Brundage, der bisher noch nicht in einer deutschen Übersetzung erschienen ist, teilte sie sich dabei - ironischerweise - mit ihrem Ehemann Robert Pulcini, mit dem sie bereits seit ihrem gemeinsamen Durchbruch mit „American Splendor“ erfolgreich hinter der Kamera kooperiert.

    Man darf also hoffen, dass die Ehe des Regieduos wesentlich besser funktioniert als die von George (James Norton) und Catherine (Amanda Seyfried), die in „Things Heard And Seen“ gemeinsam mit ihrer Tochter Franny (Ana Sophia Heger) aus Manhattan nach Upstate New York ziehen. Der frisch habilitierte George tritt dort eine Stelle als Kunstgeschichte-Professor am renommierten Saginaw College an, während seine Frau, die an der Uni eigentlich viel besser war als er, versucht, ihr neues Zuhause zu einem lebendigen Ort zu machen. Das ist allerdings gar keine so schwierige Aufgabe, denn in dem alten Landhaus scheint es zu spuken. Während die Ehe der jungen Eltern kriselt und sich beide in Affären verstricken, kommt Catherine einem dunklen Geheimnis auf die Spur und muss sich fragen, wer der Mann wirklich ist, den sie da geheiratet und mit dem sie eine Tochter gezeugt hat…

    Irgendetwas geht in dem neuen Haus nicht mit rechten Dingen zu ...

    „Things Heard And Seen“ ist eine Mischung aus melodramatisch-abgründigem Ehedrama und einem klassischen Horrorfilm mit flackernden Lampen und Radios, die sich ohne Grund einschalten. Man sollte sich von diesen oft gesehenen Gruselkino-Motiven jedoch nicht auf die falsche Fährte locken lassen: Statt typischen bösen Geistern, die Catherine das Leben zur Hölle machen, schwebt mindestens auch eine gute Seele im verfluchten Haus herum, die Catherine – womöglich vor ihrem eigenen Mann – zu beschützen versucht. Ganz im Sinne des Zitats „Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier“ aus William Shakespeares „Der Sturm“ beschäftigt sich der Filmstoff mit dem Bösen im Menschen – und der passenden Bestrafung für ihre Taten.

    Leider nehmen sich die Filmemacher dabei trotz der stolzen und sich mitunter auch hinziehenden Laufzeit von 120 Minuten zu wenig Zeit, um die Figuren angemessen ambivalent zu zeichnen. Zwar erfährt man etwas über George und Catherines Berufe und den bisherigen Verlauf ihrer Beziehung, wirklich greifbar werden die Charaktere jedoch nicht. So bleibt beispielsweise unnötig vage, warum Catherine ihren Job als Restauratorin für den Umzug aufs Land aufgibt, welche Hoffnungen sie bezüglich ihres neuen Lebens hat und wie tief die Gefühle der Eheleute füreinander zu Beginn wirklich sind.

    Zu sehr Streaming-Film der Woche

    Obwohl das Regiegespann in Interviews gerade ihr Interesse an der Ehethematik betonen, wird auch dieses allzu oberflächlich und klischeehaft abgehandelt. So findet Catherine Halt bei ihrem jungen attraktiven Gärtner (Alex Neustaedter), während sich George mit einer Studentin („Stranger Things“-Star Natalia Dyer) vergnügt. Nicht besser werden diese Stereotypen durch Einstellungen auf die nackte Brust des Gärtners oder die wehenden Haare der jungen Geliebten (während sie auf einem Pferd reitet). „Things Heard And Seen“ nimmt einige wirklich abgründige Wendungen – fühlt sich aber gerade in den melodramatischen Momenten zu oft an wie ein Sat.1-Film-der-Woche.

    Während es an visuellen Motiven nicht mangelt (selbst wenn einige davon wie gesagt ins Klischeehafte übergleiten), fehlt es immer wieder an der inneren Motivation: Was trieb George an, ausgerechnet in das Haus mit dunkler Vergangenheit zu ziehen? Welche seiner Handlungen sind geplant, welche geschehen im Affekt? Da ist beim Übertragen von den Romanseiten auf den Fernsehschirm einfach etwas verloren gegangen. Der Fokus des Films ist dagegen ganz auf Catherines Verbindung mit den Geistern gerichtet und wirft so die Frage nach der Schnittstelle zwischen Leben und Tod auf, die sich auch in den immer wieder auftauchenden Kunstgemälden wiederfindet.

    ... und auch in der Ehe von Catherine und George herrscht schon längst nicht mehr Eitelsonnenschein.

    So entstehen wild-dramatische Bilder von in Flammen stehenden Segelbooten oder milchig-durchsichtigen Geistern, die verschiedene Hinweise darauf geben, ob der Tod nun eine Erlösung oder eine Strafe ist – offensichtliche visuelle wie thematische Verweise auf das klassische Gothic-Horror-Kino mit seinen übergroßen Gesten und Gefühlen. Aber dafür beschäftigt sich der Film dann doch zu oberflächlich mit seinen Figuren, um in diesem Genre wirklich zu überzeugen: So hat Catherine neben den Ehe- und Geisterproblemen auch noch mit einer Essstörung zu kämpfen. Diese wird zwar – unter anderem im besten Dialog des Films – gut in die Geschichte eingebunden, bräuchte aber mehr Raum, um wirklich etwas über Catherine oder den Umgang anderer Menschen mit psychischen Erkrankungen zu erzählen.

    Positiv zu erwähnen sind hingegen unbedingt noch die Leistungen von Rhea Seehorn („Better Call Saul“) als Catherines einzige Freundin und F. Murray Abraham (Oscar für „Amadeus“) als Georges Vorgesetzter, der aus voller Überzeugung an Geister glaubt und auch zu ihnen Kontakt aufnehmen kann. Die beiden Co-Stars verkörpern dank ihres starken Spiels nicht nur die beiden Figuren, mit denen man am ehesten mitfiebert – sie sind es auch, die einen bei diesem abgründigen Schauerstück, das durchaus an dunkle Orte geht, die man angesichts der mitunter fernsehhaften Erzählung in dieser Konsequenz so eher nicht erwartet hätte, nicht vollends den Glauben an die Menschheit verlieren lassen.

    Fazit: „Things Heard And Seen“ ist zumindest kein vorhersehbarer Gruselfilm, sondern entpuppt sich stattdessen als modernes Gothic-Horror-Melodram, das sich jedoch allzu oberflächlich mit seinen Figuren beschäftigt. So entfaltet der spannende Ansatz, dass einen die Geister des Jenseits möglicherweise vor den Menschen im Diesseits beschützen, nur einen Teil seiner potenziellen emotionalen wie tragischen Wucht.

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