Eine neue Begegnung der dritten Art
Von Lutz GranertSteven Spielbergs „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ avancierte nicht zuletzt durch seine beeindruckenden Lichteffekte zu einem Klassiker des Science-Fiction-Films. Wenn orangenes Licht durch Schlüssellöcher bricht oder gleißend-helle Lichtkegel vom Himmel leuchten, bleibt die Bedrohung lange Zeit unterschwellig und die Alien-Invasion unsichtbar, bevor erst am Ende die friedlich gesinnten Außerirdischen in regelrecht glühenden Raumschiffen am Nachthimmel auftauchen. „Dark Encounter“, der hierzulande seine Premiere auf dem Fantasy Filmfest gefeiert hat, ist eine Hommage an solche erfrischend altmodischen Spannungsmittel: Geschickt eingesetzt Scheinwerfer, Nebelmaschinen und ein unheilvoll anschwellender Score erledigen hier den Job, für den ansonsten meist nur noch (weniger effektive) CGI-Effekten verwendet werden. Die gibt es in „Dark Encounter“ zwar auch, aber nur in deutlich geringerer Dosierung. Im letzten Drittel kippt der atmosphärisch dichte Sci-Fi-Thriller von Regisseur Carl Strathie jedoch zunehmend in Richtung eines kitschigen Melodramas.
Im November 1982 verschwindet die achtjährige Maisie Anderson (Bridget Doherty) spurlos. Vater Ray (Mel Raido), Mutter Olivia (Laura Fraser) und Bruder Noah (Spike White) suchen verzweifelt nach ihr – jedoch ohne Erfolg. Ein Jahr später haben sie die Hoffnung, Maisie noch einmal lebend wiederzusehen, quasi aufgegeben. Die Familie und einige Freunde kommen zusammen, um dem Mädchen zu gedenken. Als die kleine Gruppe helle Lichter im nahen Wald erspäht, fahren die Männer los, um nachzusehen und die Nachbarskinder, die ihnen hier offenbar einen Streich spielen wollen, zurechtzuweisen. Doch dann verschwindet plötzlich auch noch Maisies Onkel Morgan (Vincent Regan) spurlos. Offenbar stecken doch keine Kinder, sondern außerirdische Wesen hinter dem vermeintlichen Schabernack – und im Haus der Familie häufen sich schon bald die unerklärlichen Vorfälle...
Schon das Poster macht aus den Achtziger-Vorbildern kein Geheimnis!
Effektvolle Science-Fiction muss nicht immer teuer sein – das stellte der britische Filmemacher Carl Strathie bereits in seinem Langfilmdebüt und Einpersonenstück „Solis“ unter Beweis, in dem ein Astronaut einsam und orientierungslos in einer Raumkapsel durch den Weltraum treibt. Mit wenigen, aber sehr detailreichen Sets und hervorragenden CGI-Effekten konnte sich der Low-Budget-Film durchaus mit ungleich finanzkräftigeren Genre-Produktionen messen. Wie schon bei „Solis“ übernahm Strathie auch bei seinem Zweitling „Dark Encounter“ wieder viele zentrale Funktionen der Filmproduktion selbst. Neben der Regie, dem Drehbuch und dem Filmschnitt zeichnet er auch für die Co-Produktion (durch seine eigene Produktionsfirma) verantwortlich – und erweist sich dabei abermals als cleverer Sparfuchs. Da für ihn nur ein Schauplatz in den USA infrage kam (Aliens landen halt immer in Amerika), es aber zu teuer gewesen wäre, die gesamte Crew über den großen Teich zu fliegen, betrieb er akribisches Location-Scouting, bevor er für den Dreh der Außenaufnahmen in einem amerikanisch anmutenden Landstrich in der Grafschaft Yorkshire fündig wurde.
Die CGI-Effekte, darunter die Ufos am Himmel und eine wirklich angsteinflößende extraterrestrische Begegnung, sind auf der Höhe der Zeit. Aber zum Glück hält sich Strathie mit Effekten aus dem Computer ohnehin erfrischend zurück. Stattdessen setzt er vor allem ganz altmodisch auf die suggestive Kraft unheilvoller Bilder und Töne. Immer wieder fluten abwechselnd orangene oder blaue Lichtstrahlen die Fenster des Hauses, während schwebenden Metallteile, verformte Wasserstrahlen, wabernder Nebel und düster anschwellende Streicher die extraterrestrische Bedrohung andeuten. Und zwar ohne billige jump scares, die diese behutsam aufgebaute, unheilvolle Atmosphäre ohnehin nur kaputmachen würden. Auch die Ausstattung ist stimmig: Spielzeuge wie ein Plüschaffe mit Becken, Camping-Klappstühle mit Blumenmuster, Jeans-Lederjacken und verblichene Basecaps sorgen für ein gelungenes Zeitkolorit, auch wenn die Verortung in den Achtzigern abseits des angestrebten Retro-Looks für die Story eigentlich gar nicht notgetan hätte.
Im letzten Drittel des Films bemüht sich Strathie dann darum, das Verschwinden von Maisie und die Alien-Invasion erzählerisch zusammenzuführen – und bleibt dabei in einer zähen Melange aus Zeitreise-Esoterik und zäher Melodramatik jegliche Antworten zu den Handlungsmotiven der Aliens und des Kindsmörders schuldig. Spätestens, wenn in der Schlussviertelstunde die Protagonisten immer wieder in Zeitlupe gefilmt werden, während der dick aufgetragene, pathosgeschwängerte Streicher- und Choralbombasts von Komponist David Stone Hamilton die Tonspur dominiert, lässt „Dark Encounter“ jene Zurückhaltung vermissen, die das unheilvolle Szenario des Independent-Films zuvor noch ausgezeichnet hat. Schade eigentlich – schließlich war bei „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ gerade das musikalische Finale der eigentliche Höhepunkt des Films.
Fazit: So lange die Bedrohung durch elektromagnetische Phänomene und Lichteffekte im vagen bleibt, überzeugt „Dark Encounter“ als atmosphärisch dichter Sci-Fi-Thriller, der sich spürbar im Fahrwasser des Genre-Klassikers „Unheimliche Begegnung der dritte Art“ bewegt. Leider gelingt es nicht, die Handlungsstränge um das Verschwinden eines Kindes und die Invasion von Aliens am Ende stimmig zusammenzuführen.