Superhelden aus dem Seniorenheim
Von Thomas LassonczykWer in diesen Zeiten auf Superheldenfilme steht, der kann sich im Kino nach wie vor so richtig satt sehen. Allein 2019 kam fast ein Dutzend dieser Comic-Abenteuer in die deutschen Kinos. Dabei spannte sich der Bogen von klassischen Unterhaltungs-Blockbustern wie „Shazam!“ und „Avengers: Endgame“ über „X-Men: Dark Phoenix“ und „Spider-Man: Far From Home“ bis hin zum „Joker“, der zuletzt trotz eines ambitionierten Arthouse-Anstrichs die weltweiten Kino-Charts nach Belieben dominierte.
Einen ganz anderen Ansatz hat nun Regisseur Steve Barron gefunden. Der aus Dublin stammende Regisseur, Autor und Produzent wurde vor rund 30 Jahren quasi über Nacht berühmt, als er mit „Turtles“, jener Fantasy-Komödie um vier kampfsportverrückte und Pizza mampfende Schildkröten, einen Sensationserfolg landen konnte. Allzu viel ließ Barron danach allerdings nicht folgen, 2012 adaptierte er fürs Fernsehen eine von vielen Versionen von Louis Stevensons Roman „Die Schatzinsel“, konnte aber auch damit nicht wirklich neue Akzente setzen. Jetzt, 13 Jahre nach seinem letzten Kinofilm „Choking Man“, will es der Ire trotzdem noch mal wissen und versucht sich mit „Supervized – Helden bleiben Helden“ an einer satirischen Komödie und einer Art Persiflage auf den Superheldenfilm.
Ray (Tom Berenger) sieht nicht ein, dass er trotz seiner Superkräfte schon zum alten Eisen gehören soll...
Ein idyllisch gelegenes Seniorenheim irgendwo in Irland, in dem sich aber keineswegs „normale“ Greise tummeln, sondern vielmehr in Ehren ergraute Superhelden, die ihre besten Zeiten längst hinter sich haben. Dazu zählen neben Ray (Tom Berenger) alias „Maximum Justice“ auch Ted Ted alias „Shimmy“ (Beau Bridges), Madera alias „Moonlight“ (Fionnula Flanagan) und Pendle alias „Total Thunder“ (Louis Gossett Jr.). Während sich die drei Letztgenannten in der „Hero-Pension“ offensichtlich ganz wohl fühlen, ist Ray völlig unausgelastet und unterfordert. Das ändert sich, als er per Zufall den skrupellosen Machenschaften der Anstaltsleiterin Alicia (Fiona Glascott) auf die Schliche kommt. Diese will nämlich alle Insassen ihrer Superkräfte berauben, die Power auf sich vereinen und so den ultimativen Helden, der alles und jeden besiegen kann, kreieren…
„Supervized“ kommt in der ersten Hälfte nur schwer in die Gänge. Die Hauptcharaktere werden (zu) lange eingeführt, zudem legt ihnen Barron weder sonderlich ausgefeilte noch ausgesprochen witzige, aber immerhin zum Teil sehr herzhafte Dialoge in den Mund. Überwiegend werden dem Thema gemäß Senioren-Gags gerissen, die sich um Prostata-Beschwerden und Dritte Zähne sowie um Rollatoren und Treppenlifte drehen. Doch aus der durchaus originellen Grundsituation, dass auch strahlend schöne Superhelden, die in die Jahre kommen, irgendwann mit ähnlichen Problemen wie du und ich zu kämpfen haben, macht der Regisseur viel zu wenig. Und auch von seinen Schauspielern bekommt er nur wenig Unterstützung. Sowohl Tom Berenger („Platoon“) als auch Louis Gossett Jr. („Der stählerne Adler“) sind nicht wirklich Charakterdarsteller, hatten zuletzt auch kaum attraktive Job-Angebote (zu mehr als zu zweitklassigen Actionern wie „Sniper: Homeland Security“ oder „A Fighting Man“ reichte es nicht) und haben letztendlich nicht das Zeug dazu, einen Film zu tragen.
Erst in der zweiten Hälfte des Films, wenn die Komödie dem Actionfilm weicht, nimmt „Supervized“ ein wenig Fahrt auf. Dann dürfen die ausrangierten Helden in ihre (so lächerlichen, dass sie schon wieder gut sind) Kostüme, etwa mit gewagter Grün-Gelb-Violett-Kombination, steigen. Und Barron zündet ein kleines, sehr bescheidenes Effekte-Feuerwerk, das lediglich aus ein paar hellen Blitzen und diversen Zeitraffer-Tricks besteht oder gar nur im Off stattfindet. Das ist nicht wirklich schlimm, denn bei einem derart niedrigbudgetierten Film kann man computergenierte Perfektion kaum erwarten – und sie ist auch in diesem Fall nicht nötig, schließlich soll „Supervized“ über schrullige Figuren, deftige Oneliner und schräge Situationskomik funktionieren. Dass dies leider viel zu selten der Fall ist, muss man wohl in erster Linie Steve Barron anlasten, der nicht in der Lage war, seinen senilen Superhelden wirklich Leben einzuhauchen, ihnen Kanten und Konturen zu verleihen.
Fazit: Nur mäßig witzige Action-Komödie, die dem Superhelden-Genre neue Aspekte abgewinnen will, indem sie in Ehren ergraute Oldie-Heroes in einem Seniorenheim ein ungewöhnliches Abenteuer erleben lässt. Allerdings macht „Turtles“-Regisseur Steve Barron viel zu wenig aus seiner an sich originellen Grundidee.