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    The United States Vs. Billie Holiday
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The United States Vs. Billie Holiday

    Auch dieses Porträt der Ikone ist missglückt

    Von Oliver Kube

    1972 kam mit „Lady Sings The Blues“ erstmals ein Biopic über Billie Holiday, die noch vor Ella Fitzgerald, Nina Simone oder Dinah Washington wohl größte und bedeutendste Sängerin der Jazz- und Blues-Historie, in die Kinos. Der von Sidney J. Furie („Superman IV“) mit der damaligen Leinwand-Debütantin Diana Ross in der Titelrolle inszenierte Film wurde für fünf Oscars nominiert, gewann keinen und spaltete die Kritik. Denn so großartig Ross auch in der Hauptrolle war, das plumpe und klischeehafte Drehbuch konnte da nicht mithalten.

    Fast ein halbes Jahrhundert später versucht nun „Precious“-Regisseur Lee Daniels dem bis heute von Millionen verehrten Musik-Idol mit „The United States Vs. Billie Holiday“ gerechter zu werden. Daniels distanziert sich klar von „Lady Sings The Blues“ und nähert sich mittels deutlich abweichender Schwerpunkte der Geschichte der in den 1940ern und 1950ern zum Weltstar avancierten „Lady Day“. Leider ist das Ergebnis seiner Bemühungen kaum besser als der Vorgänger geraten.

    Billie Holiday im Konflikt mit dem Staat.

    New York in den 1940ern: Billie Holiday (Andra Day) ist die angesagteste Sängerin Amerikas. Das missfällt speziell dem ebenso mächtigen wie rassistischen FBI-Abteilungsleiter Harry Anslinger (Garrett Hedlund). Denn der ist davon überzeugt, die über ethnische Grenzen hinaus populäre Holiday könnte durch ihren Hit „Strange Fruit“, in dem ein brutaler Lynchmord in den Südstaaten beschrieben wird, die langsam aufkommende Bürgerrechtsbewegung stärken. Deshalb plant er, dem Star Drogendelikte anzuhängen, um ihn mundtot zu machen. Zu diesem Zweck setzt Anslinger den naiven, schwarzen Agenten Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes) auf Holiday an.

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    Zunächst liefert Fletcher tatsächlich Beweise, die Billie sogar ins Gefängnis bringen. Dabei verliebt er sich allerdings in die ebenso schöne wie charismatische, aber schwer problembeladene Künstlerin. Nach ihrer Entlassung macht Holiday unbeirrt dort weiter, wo sie aufgehört hat: mit der erfolgreichen Karriere, mit „Strange Fruit“ und mit dem Heroin, dem sie längst hoffnungslos verfallen ist. Doch Anslinger legt ihr weiterhin diverse Hindernisse in den Weg…

    Ein kaltes Portrait

    Daniels versucht, die Diva gleichzeitig als geniale Musikerin, tragisches Drogenopfer, heroische Menschenrechtskämpferin und unglücklich nach der wahren Liebe suchende Frau, die sich dabei immer wieder an gewalttätige, egoistische Kerle bindet, zu porträtieren. Die 1959 verstorbene Legende mag all dies im realen Leben tatsächlich gewesen sein. Doch schlüssig und glaubhaft kommen nur ihre musikalischen Verdienste (dank der famosen Songs) rüber.

    Denn die immer wieder wirr und wenig fokussiert wirkende Inszenierung und das arg melodramatische Drehbuch von Suzan-Lori Parks („Girl 6“) zeichnen keine wirklich lebendig oder zumindest emotional greifbar erscheinende Figur aus Fleisch und Blut. So lässt einen das Schicksal der Sängerin über 130 Minuten seltsam kalt und unberührt, was schon ein Kunststück für sich ist.

    Die Sängerin im Scheinwerferlicht.

    Schon der Aufbau bremst das Drama aus. Denn eingebettet ist der eigentliche Film in eine überflüssige Rahmenhandlung: Ein fiktiver Klatsch-Journalist (Leslie Jordan überzieht gnadenlos und ist ausstaffiert wie eine groteske Billigversion von Liberace) soll Holiday zwei Jahre vor ihrem Tod interviewen. Die gibt sich aber bockig und unkooperativ, bis sie dann doch schließlich redet und „The United States Vs. Billie Holiday“ endlich wirklich losgehen kann.

    Einen wirklichen roten Faden gibt es allerdings auch dann nicht. Die sich auf die Dekade nach ihrer 1947 erfolgten ersten Verhaftung wegen Drogenbesitzes konzentrierende Story wirkt sprunghaft - nicht nur aufgrund diverser, mal mehr, mal weniger passender Flashbacks in Kindheit und frühe Jahre als aufstrebende Musikerin. Vielmehr entsteht nie der Ansatz eines Handlungsflusses, um die losen Episoden zu verbinden. Das liegt auch daran, dass die immer wieder unterbrechenden Live-Auftritte der Protagonisten meist viel zu lang geraten sind und die Geschichte so wiederholt zusätzlich ausbremsen.

    Eine fiktive Ergänzung, die nichts bringt

    Auch die überkompliziert konstruierte, immer wieder unnötig in den Vordergrund der Erzählung gerückte Lovestory mit dem im Auftrag seines rassistischen Chefs gegen den Star ermittelnden Bundesagenten Fletcher nimmt viel zu viel der Laufzeit in Anspruch. Die Figur gab es wirklich, die Beziehung ist aber erfunden. Der echte Fletcher arbeitete nur kurz an ihrem Fall, war nie romantisch mit Holiday liiert und am Ende ihres Lebens längst aus selbigem verschwunden.

    Wenn man zwecks Dramatisierung so eine fiktive Geschichte einbaut, dann sollte sie wenigstens auch einen Effekt haben. Doch den hat sie nicht, auch weil zwischen Hauptdarstellerin Day und dem solide aufspielenden Trevante Rhodes („Moonlight“) keine echte Chemie zu spüren ist – da helfen auch einige zumindest ansatzweise explizite Sexszenen nicht. Am Ende gewinnt das Drama durch die Liebesgeschichte nicht, sondern verliert sogar. Denn interessantere Aspekte werden deswegen in den Hintergrund gedrückt oder fallen sogar ganz unter den Tisch.

    Eine erfundene Liebesgeschichte, die auch wenig berührt.

    So sind ihre brutalen, sie nach Strich und Faden ausbeutenden Ehemänner (Erik LaRay Harvey, Rob Morgan) sowie ihre sie schon als Kind verstoßende, als Prostituierte arbeitende Mutter (Dana Gourrier) lediglich Randfiguren. Und die Ereignisse der für das Ende der Sängerin durchaus mitverantwortlichen ersten Europa-Tournee sehen wir bloß in einer kurzen, stilistisch und tonal unpassenden Zeitraffer-Montage. Holidays zweiter, noch desaströsere Auswirkungen auf ihren körperlichen wie mentalen Zustand habender Trip durch unseren Kontinent wird sogar nicht einmal erwähnt.

    Wenn die Hauptfigur dann gen Ende nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, kommt dieser Verfall dann auch ziemlich plötzlich. Schließlich haben wir sie über eineinhalb Stunden voller scheinbarer Vitalität, Kreativität und Kampfgeist gesehen. Ihre Sucht- und Gesundheitsprobleme wurden zwar regelmäßig erwähnt, aber im Vergleich zu den amourösen Eskapaden und der Verfolgung durch die Behörden auffällig marginalisiert, streckenweise sogar fast schon romantisiert.

    Ärgerliche Schönzeichnung

    Das allseits bekannte Ende wird eingeleitet, indem sie bei einer Aufnahmesession versagt, weil sie völlig zugedröhnt sowie mit ihrer Kraft am Ende ist. Kurz darauf liegt Holiday bereits auf dem Sterbebett. Auf dem wird sie natürlich noch ein letztes Mal von Agenten und sogar dem vom Skript ohne jeden charakterlichen Hintergrund präsentierten, von Garrett Hedlund („Tron: Legacy“) als eindimensionalen Bösewicht verkörperten Anslinger selbst drangsaliert.

    Obgleich in seinem Film Heroin und Alkohol in rauen Mengen konsumiert werden, nahm sich Daniels vor, den Star nicht als kaputten Junkie zu zeigen, wie Furie es in „Lady Sings The Blues“ tat. Er wollte sie vielmehr als Opfer unablässiger Belästigung und Rufmord-Kampagnen durch das FBI und als unglücklich-romantische Seele skizzieren. Auch wenn das nichts von ihrem Genie als Performerin und ihrer Wichtigkeit als Identifikationsfigur für mindestens zwei Generationen von Afro-Amerikaner*innen nimmt, war Holiday allerdings über weite Strecken ihres nicht zuletzt deshalb viel zu kurzen Lebens halt doch ersteres. Diese in manchen Momenten fast schon „Schönzeichnung“ zu nennende Schwerpunktverlagerung trägt massiv dazu bei, dass sich „The United States Vs. Billie Holiday“ oft gekünstelt und übersteigert anfühlt.

    Billie ist abgekämpft.

    Da gehen die Stärken fast unter. So sieht „The United States Vs. Billie Holiday“ großartig aus – und zwar nicht nur, weil die Ausstattung mit Kostümen, Frisuren, Requisiten, Kulissen etc. erstklassig ist. Chef-Kameramann Andrew Dunn, der nach „Precious“ und „The Butler“ zum dritten Mal mit Daniels arbeitet, setzt alle Schauwerte stark in Szene. Dies gilt vor allem für das zumindest in Teilen größte Prunkstück des Biopics: die reinen Filmfans sicher bislang nahezu unbekannte, einst von Stevie Wonder protegierte und nun für ihr Schauspieldebüt direkt oscarnominierte Andra Day.

    Wenn ihre Figur auf der Bühne steht, ist Day einfach nur brillant. Sie bringt nicht nur den Gesang mit, sondern hat auch die Aura. In einigen dramatischen Szenen tendiert die professionelle Sängerin und Live-Performerin allerdings zum fast schon karikaturhaften Grimassieren und gelegentlichen Übertreiben ihrer Gestik. Der auffälligste dieser Momente ist eine lange Szene etwa in der Mitte des Films, als Billie Zeugin der Nachwirkungen eines Lynchsmords wird. Doch in dieser Szene führt Regisseur Daniels nicht nur seine debütierende Hauptdarstellerin schlecht, sondern sie gerät ihm allgemein ziemlich aus den Händen – und wird durch diverse inszenatorischer Entscheidungen sehr zweifelhaft – wie leider zu viele Teile des Dramas.

    Fazit: Trotz einer teilweise herausragenden Hauptdarstellerin ein enttäuschendes Biopic über eine der ganz großen Legenden des Jazz.

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