Die (nächste) deutsche Antwort auf Harry Potter
Von Karin JirsakTiere mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, eine Schule, in der mysteriöse Dinge vor sich gehen, lebendige Fotos auf Printmedien – huch, befinden wir uns etwa schon wieder in Hogwarts? Leider nein. Bevor es dort erst im Frühjahr 2022 mit „Phantastische Tierwesen 3“ weitergeht, öffnet hierzulande nun erst einmal „Die Schule der magischen Tiere“ ihre Pforten. Was dahinter zum Vorschein kommt, ist allerdings weder originell noch sonderlich bezaubernd.
Allzu deutlich scheint schon beim Titel das goldene Reißbrett durch, an dem kalkulierte Kassenschlager für den Fantasy-begeisterten Nachwuchs entstehen. Kinder im Grundschulalter, an die sich die gleichnamige Bestseller-Buchreihe von Margit Auer hauptsächlich richtet, dürften damit wahrscheinlich kein Problem haben. Auch und gerade ihnen hätte die Verfilmung von Gregor Schnitzler („Die Wolke“) aber neben den üblichen Botschaften wie „Freundschaft ist das Wichtigste“ und „Sei immer du selbst“ aber ruhig eine große Schippe mehr an spaßigen Ideen und verrücktem Witz gönnen dürfen.
So richtig spaßig, ist "Die Schule der magischen Tiere" leider viel zu selten.
Ida (Emilia Maier) ist die Neue an der Wintersteinschule und trauert ihrem alten Leben hinterher. Das ändert sich, als sie erfährt, dass es an der neuen Schule magische Tiere gibt, die den Kindern von Lehrerin Mrs. Cornfield (Nadja Uhl) nach und nach zugeteilt werden. Wie Ida hofft auch Piratenfan Benni (Leonard Conrads), der wegen seiner Ungeschicklichkeit in der Klasse gehänselt wird, bald ein solches Tier zum Freund zu haben. Und dann ist da auch noch der coole Jo (Loris Sichrovsky). Der ist zwar beliebt, leidet aber unter seinen ständig streitenden Eltern. Neben der Verteilung der magischen Tiere sorgt auch noch ein dreister Dieb für Aufregung an der Schule. Gelingt es den Kindern mit tierischer Hilfe, den Täter zu schnappen?
Idas neue Lehrerin heißt Mrs. Cornfield und kommt aus Schottland, hat aber keinen schottischen Akzent, was allerdings keinem auffällt. Dafür trägt sie lange, bunte Mäntel, eine winzige, runde Brille und eine wuschelige Hochsteckfrisur. Man könnte sie glatt für die wohlgeratene Schwester von Bellatrix Lestrange halten. Nein, stranger wird’s nicht. Dafür aber pädagogisch: Mrs. Cornfield hat nämlich ein besonderes Konzept, um den Klassenzusammenhalt zu entwickeln… – die magischen Tiere, die bis zu ihrer Verteilung an die Schüler in der Zoohandlung ihres Bruders namens Mortimer Morrison (Milan Peschel) wohnen.
Mit diesen verhält es sich dabei ähnlich wie mit dem „Fight Club“, denn die erste Klassenregel lautet: „Niemals, niemals sprechen wir mit anderen über das magische Tier!“ Gewünschtes Ergebnis: Eine verschworene Gemeinschaft heranzuzüchten. Diesem Ziel entgegen steht zunächst der Neid heraufbeschwörende Umstand, dass erst mal nur zwei Kinder jeweils einen tierischen Begleiter erhalten, nämlich jene, die nach Mrs. Cornfields Ansicht einen echten Freund am nötigsten haben. So weit, so nett.
Die Magie der Tiere beschränkt sich nun darauf, dass sie sprechen und sich vor Uneingeweihten in Stofftiere verwandeln können, damit geheim bleibt, was geheim bleiben soll. Schildkröte Henrietta kann außerdem Breakdance, Skateboard fahren und quatscht lässig mit der Stimme von Katharina Thalbach daher. Ansonsten erfahren wir noch, dass sie, wie es dem gängigen Bild der Schildkröte entspricht, uralt und entsprechend weise ist. Fuchs Rabbat (gesprochen von Max von der Groeben), ist, wie man es nicht erst seit Goethes Reineke von seiner Gattung erwartet, schlau und schnell. Das wird jedenfalls immer wieder behauptet. Ein weiteres Merkmal von Rabbat ist sein Signature-Satz „Die Menschen sind echt verrückt!“, den er hin und wieder aufsagt, wenn gerade etwas völlig Unverrücktes passiert, zum Beispiel jemand aufräumt. Und nein, witziger wird’s leider nicht.
Fuchs Rabbat ist eines der beiden magischen Tiere.
Eher steif kommt auch die Animation daher, die sich nie so recht ins reale Setting einfügen will, weshalb bei den Kind-Tier-Interaktionen insgesamt wenig an Gefühl überspringt. Die menschlichen Darsteller geben größtenteils ihr Bestes. Vor allem Emilia Maier und Nadja Uhl („Sommer vorm Balkon“) strahlen tapfer gegen ihre flachen Figuren und die belanglosen Sätze an, die ihnen das Drehbuch wie trockenes Holz in den Mund legt. Einen Charakterkopf wie Justus von Dohnanyi („Das Experiment“) als Schuldirektor Siegmann völlig farb- und konturlos wirken zu lassen, muss man auch erst einmal schaffen.
Nach der langwierigen Einführung der wichtigsten Schüler, Lehrer und Tierchen sowie des Hausmeisters (Heiko Pinkowski) folgt ein Kinderkrimi-Plot von der Stange, der zumindest für Erwachsene keine echte Überraschung bereithält. Die Tiere helfen bei der Lösung des Falls auch irgendwie mit oder sind jedenfalls dabei – eigentlich auch egal, denn sie sind hier im Wesentlichen Staffage, und genau das ist das große Problem. Worum es wirklich geht, das ist die Botschaft: Freundschaft, Teamgeist, so sein, wie man ist. An all dem ist ja per se nichts auszusetzen, allerdings gibt es eben auch schon hunderte von Kinderfilmen, die diese Moral nahebringen – viele davon mit mehr Köpfchen, Wiedererkennungswert und, tja, Magie.
Es sind aber nicht nur die Tiere, die die titelgebende Magie vermissen lassen. Auch die Protagonisten in menschlicher Gestalt, die meisten übrigens Muggel, kommen nicht aus magischen Ideenwelten, sondern aus dem Schablonenbaukasten: Das schlaue, freche Mädchen mit den roten Haaren, der trottelige Streber, und natürlich darf auch die arrogante Minirock-Tussi-Gang mit blonder Zicke als Anführerin nicht fehlen. Eine Frage, die man allerdings vor allem den Besteller-Kinderbuchautor*innen des Landes stellen muss: Wo bleiben sie, die wirklich neuen und unvergesslichen Heldinnen und Helden, die mit ihren Problemen wirklich ernst genommen werden, auch wenn sie sich in fantastischen Szenarien bewegen?
Mit Margit Auers „Schule der magischen Tiere“ sind sie jedenfalls nicht gekommen. Dem Erfolg tut das keinen Abbruch, was ja auch völlig in Ordnung ist, schließlich legitimiert sich die Reihe ja schon dadurch, dass sie offenbar den Bücherhunger zahlloser Erstleser weckt. Ob man nun die Filme unbedingt braucht, sei dem Urteil des jungen Publikums überlassen. Der nächste Kinofilm zur bereits elf Teile und zwei Spin-offs umfassenden Buchreihe ist jedenfalls schon abgedreht – „Die Schule der magischen Tiere 2“ soll bereits 2022 in die deutschen Kinos kommen.
Fazit: Für Kids um die 8 ganz nett, aber sicher kein Must-see. Erwachsene, die gern mal Kinder-Fantasy (mit-)schauen, um sich aus dem Alltag zu beamen, werden hier hingegen weder etwas Neues noch etwas Magisches entdecken.