Mein Konto
    Destination Wedding
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Destination Wedding
    Von Antje Wessels

    Keanu Reeves spielt seit Jahren bevorzugt den schweigsamen Rächer und ist in Actionkrachern wie „John Wick“ oder „47 Ronin“ zu Hause. Winona Ryder dagegen, aktuell als Joyce Byers in „Stranger Things“ zu sehen, wurde häufig auf die Rolle der niedlichen Sympathieträgerin festgelegt. Regisseur und Drehbuchautor Victor Levin („Verrückt nach dir“) besetzte dieses ungleiche Duo nun als bindungsgestörte Narzissten und lässt die beiden in seiner romantischen Komödie „Destination Wedding“ wider Willen 72 Stunden miteinander verbringen, was wunderbar funktioniert. Mit einem beachtlichen Gespür für zwischenmenschliche Details und einem überaus beeindruckenden komödiantischen Timing machen Levin und seine Stars aus dem Stoff ein mitreißendes Zwei-Personen-Stück.

    Schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen am Flughafen sind sich Frank (Keanu Reeves) und Lindsay (Winona Ryder) nicht grün. Als sie im Flugzeug dann auch noch feststellen, dass sie ein und dasselbe Ziel haben, ist der Tag für sie gelaufen. Ihre Reise steht einfach unter keinem guten Stern. Beide sind zu einer Hochzeit eingeladen, an deren Brautpaar sie ohnehin wenig Interesse hegen. Lindsay wurde vom Bräutigam selbst vor einigen Jahren sitzen gelassen, während Frank als Verwandter wohl nur eingeladen wurde, weil es sich so gehört. Obwohl sich die zwei anfänglich ziemlich ätzend finden, schweißt sie die unangenehme Situation zusammen. Bei einem gemeinsamen Spaziergang kommen sich beide dann auch noch so richtig nahe und es scheint, als würden die zwei Beziehungsgestörten einander nicht mehr wieder los…

    Es ist ein gängiges Motiv (nicht nur) der romantischen Komödie, dass sich zwei Menschen zunächst nicht ausstehen können und sich schließlich doch ineinander verlieben. Aber bei Victor Levin läuft das alles ein wenig anders ab als gewohnt. Die Antipathie zwischen seinen beiden Hauptfiguren rührt nicht von sowas Banalem wie Missverständnissen oder Vorurteilen her. Eigentlich kann man noch nicht einmal sagen, dass sich die zwei tatsächlich nicht mögen. Frank ist ganz einfach ein absoluter Egoist ohne Interesse an seiner Umgebung, während Lindsay den Glauben an die Liebe nicht einfach nur verloren hat, sie hat überhaupt keinen Bock, über die sechs Jahre (!) zurückliegende Trennung von ihrem Ex-Verlobten hinwegzukommen, der nun eine andere ehelicht.

    Es gibt schlicht und ergreifend zunächst einmal nichts, worüber diese beiden einander so gleichgültigen Zeitgenossen reden wollten. Dass dann allerdings doch ein Dialog entsteht, ist einzig und allein dem Umstand geschuldet, dass an ihrem gemeinsamen Tisch bei der Hochzeitsfeier sonst niemand sitzt, den sie mit Verachtung strafen könnten. Und so beobachten die beiden das oberflächliche Treiben von außen, kommentieren lustlos die Fehltritte ihrer Mitmenschen und beschließen schließlich, die Party zu verlassen.

    Aus purer Verlegenheit brechen Frank und Lindsay zu Fuß zu einer kleinen Tour durch das malerische Weinanbaugebiet in der Nähe auf – alles ist besser, als sich das (natürlich vergängliche) Glück von anderen unter die Nase reiben zu lassen. Unterwegs machen die beiden Bekanntschaft mit einem Berglöwen (oder ist es doch ein Puma?), geben sich einer absurden Sexszene hin, die das Zeug hat, in die Filmgeschichte einzugehen, und schwadronieren schließlich über das Leben an sich. Franks Ergüsse sind dabei im Grunde nicht gerade originell, denn seine ganze Lebensphilosophie läuft auf ein ziemlich banales „Alles ist scheiße!“ hinaus, und auch wie Lindsay dann endlich über ihren Ex hinwegkommt ist etwas zuviel des Guten.

    Doch Victor Levin federt die letztgenannte Entwicklung mit einer subtil-charmanten Auflösung ab und sorgt vor allem dafür, dass es stets ein Vergnügen bleibt, den ausschweifenden Dialogen zu lauschen, die vor erhellenden Ideen und amüsanten Momenten strotzen. Besonders die ausgestellt menschenfeindliche Attitüde und die diversen Spleens (Lindsay spricht mit Pflanzen) der beiden Hauptfiguren erzeugen immer wieder extrem komische Situationen. Nebenbei legen die langen Gespräche über Liebe, Beziehungen, Familie und das Leben an sich gerade in ihren bisweilen absurden Gedankengängen auch das Innenleben der Protagonisten frei.

    Frank und Lindsay sind so sehr um staubtrockene Konversation bemüht und geben so beharrlich absolutes Desinteresse vor, dass sie natürlich letztlich doch perfekt zusammenpassen – so viele Gemeinsamkeiten müssen sich ja auch irgendwie auszahlen. Und schließlich ergeht es uns mit diesem Paar so ähnlich wie mit den Figuren von Ethan Hawke und Julie Delpy aus Richard Linklaters Trilogie „Before Sunrise“, „Before Sunset“ und „Before Midnight“, denn auch nach diesem einprägsamen und völlig für sich stehenden Wochenende mit Reeves und Ryder wäre es überaus faszinierend, Frank und Lindsay in einigen Jahren wiederzusehen, um zu überprüfen, was aus ihnen geworden ist.

    Keanu Reeves in „Destination Wedding“ als Idealbesetzung zu beschreiben, wäre noch untertrieben. Immer wieder spielt Victor Levin in seinen Dialogen mit dem Image des normalerweise so robusten Actionstars. Winona Ryder mimt dagegen die vom Leben enttäuschte Singlefrau, die nicht weiß, ob sie nun resignieren oder Trotz zeigen soll und dabei zwischen den Extremen feststeckt. Die Chemie zwischen den Schauspielern könnte in ihrer Disharmonie besser nicht sein. Beide agieren so subtil, dass bereits der leiseste Hauch von Zuneigung spürbar wird. Sie kommen ohne große Gesten aus und zeigen dafür umso mehr Charisma.

    Fazit: „Destination Wedding“ ist eine hinreißend komische Liebeskomödie, in der Keanu Reeves und Winona Ryder als dysfunktionales Vielleicht-Pärchen brillieren.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top