Historischer Kinderhandel
Von Markus TschiedertNach Josie Rourkes „Maria Stuart, Königin von Schottland“ mit Saoirse Ronan als Maria Stuart und Margot Robbie als Elisabeth I sowie Yórgos Lánthimos‘ „The Favourite - Intrigen und Irrsinn“, dessen Hauptdarstellerin Olivia Colman für ihre Rolle als Königin Anne gerade mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, folgt nun schon das nächste Historiendrama innerhalb nur weniger Wochen, das sich mit den Problemen historischer Herrscherinnen auseinandersetzt: Marc Dugain erzählt in „Ein königlicher Tausch“ eine wahre Geschichte vom Beginn des 18. Jahrhunderts, als das französische und das spanische Herrscherhaus den Austausch von zwei adligen Jungfrauen vereinbarten (von denen eine zum Zeitpunkt der Absprache gerade mal vier Jahre alt war). Ein potenziell brisanter Stoff nach dem Roman „The Exchange Of Princesses“ von Chantal Thomas („Leb wohl, meine Königin!“). Aber um sein Publikum wirklich zu packen, fehlt es dieser belgisch-französischen Koproduktion nicht nur an der erzählerischen Raffinesse von „The Favourite“, sondern auch an der emotionalen Tiefe von „Maria Stuart, Königin von Schottland“.
Um 1721 den Frieden mit Frankreich zu sichern, erklärt sich der spanische König Philipp V. (Lambert Wilson) einverstanden, seine vierjährige Tochter Maria Anna Viktoria (Juliane Lepoureau) an den französischen Hof zu schicken. Dort soll sie mit ihrem Cousin ersten Grades, Ludwig XV. (Igor van Dessel) verlobt werden. Im Gegenzug wird Louise-Elisabeth (Anamaria Vartolomei), die zwölfjährige Tochter des französischen Regenten Herzog Philipp von Orléans (Olivier Gourmet), dem spanischen Thronfolger Don Luis (Kacey Mottet-Klein) als Gemahlin versprochen. Während Maria Anna Viktoria brav jeden Befehl befolgt, rebelliert ihre ältere Leidensgenossin, was an ihrem Schicksal aber auch nichts ändert. Als Philipp V. abdankt, besteigt Louise-Elisabeth mit ihrem Gemahl tatsächlich den Thron. Wenige Monate später stirbt Don Luis jedoch an den Pocken und die kinderlose Königin ist damit für den spanischen Hof nutzlos geworden. Auch die Zukunft von Anna Maria Viktoria in Frankreich ist ungewiss. Der ihr in Aussicht gestellte Bräutigam findet auch drei Jahre nach ihrem Eintreffen noch immer kein Gefallen an dem Kind. Der Austausch der Prinzessinnen soll rückgängig gemacht werden…
Was Kulissen und Kostüme betrifft, ist „Ein königlicher Tausch“ ein herrlicher Hingucker. In Kerzenlicht getauchte Königsgemächer und romantisch inszenierte Landschaftsbilder wirken wie lebendig gewordene Gemälde und versetzten den Zuschauer zumindest optisch 300 Jahre in die Vergangenheit zurück. An der Opulenz mag man sich kaum sattsehen können – und doch fehlt etwas. Vielleicht so etwas wie ein Gefühl der Betroffenheit. Denn Regisseur Marc Dugain, der sich bisher mit Fernsehfilmen wie „Der Fluch des Edgar Hoover“ hervorgetan hat, wahrt meist den nüchternen Blick der Erwachsenen. Dass deren politisches Ränkespiel um Macht und Einfluss in diesem Fall auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird, ist jedoch die eigentliche Tragik der Geschichte, deren Tragweite aber kaum spürbar wird. Da fällt höchstens mal ein Satz wie „Prinzessinnen sind zum Aufrechterhalten von Dynastien geboren“ oder „Meine Kindheit hätte mir gehört“, um ein gewisses Gespür für die Verlorenheit dieser Kinderseelen zu vermitteln.
Die zehnjährige Juliane Lepoureau („Die Sch‘tis in Paris - Eine Familie auf Abwegen“) bleibt als Maria Anna Viktoria durchgehend das niedliche Püppchen, während die heute 20-jährige Anamaria Vartolomei („Das Mädchen, das lesen konnte“) wie ein moderner Teenager und damit wie ein Fremdkörper wirkt. Mit seinen damals 13 Jahren spielt Igor van Dessel den jungen Ludwig XV. fast schon ein bisschen zu souverän. Umso mehr nimmt man dem Schweizer Kacey Mottet-Klein („Mit siebzehn“) den verunsicherten und von Selbstzweifeln geplagten Don Luis ab. Neben diesen Nachwuchsschauspielern ist der französische Kinostar Lambert Wilson („Jacques - Entdecker der Ozeane“) das bekannteste Gesicht des Ensembles – auch wenn er mit zerzauster Perücke nicht mehr als den Zampano gibt.
Mit vier Jahren verschachert: Maria Anna Victoria
Man hätte durchaus mehr aus dem Stoff machen können als ein steifes Sittenbild jener Zeit, das sich mit seinem langsamen Erzähltempo und ausgedehnten Kameraschwenks selbst zu genügen scheint. In Erinnerung bleibt zumindest das wunderschöne Abschlussbild, wenn auf einer nebligen Lichtung minutenlang die Kutschen der beiden heimkehrenden Prinzessinnen wortlos aneinander vorbeifahren. Nebulös ist ebenso das Gefühl, mit dem der Zuschauer zurückgelassen wird: Unbeteiligt und unberührt, auch wenn man meint, dass man angesichts der tragischen wahren Geschichte eigentlich etwas anderes und vor allem mehr hätte spüren müssen.
Fazit: Pompöser Ausstattungsfilm, der unsere Augen verzaubert, aber unsere Herzen leer lässt. Er würde sich womöglich noch am besten eignen, um Mädchen den Traum vom Prinzessinnen-Dasein madig zu machen, aber er ist ja nun mal kein Kinderfilm.