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    Elisa und Marcela
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Elisa und Marcela

    Netflix' Premiere im Berlinale-Wettbewerb

    Von Carsten Baumgardt

    Einen Eklat gab es schon vor der Weltpremiere von Isabel CoixetsElisa und Marcela“ bei der Berlinale 2019. Aber nicht etwa, weil das Melodram die erste in Spanien geschlossene gleichgeschlechtlichen Ehe überhaupt ins Zentrum seiner Geschichte stellt, sondern weil es sich bei dem Film um eine Netflix-Original-Produktion handelt. 160 Kinobetreiber forderten laut Verband Arbeitsgemeinschaft Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater von Festivaldirektor Dieter Kosslick und Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Ausschluss des Films aus dem prestigeträchtigen Wettbewerb, weil davon auszugehen sei, dass „Elisa und Marcela“ nie in die Kinos kommt, sondern direkt auf der Streamingplattform erscheint. Netflix hält schließlich sämtliche Rechte. Die Berlinale-Verantwortlichen schlossen das Werk trotzdem nicht aus und erklärten, dass „Elisa und Marcela“ laut Netflix zumindest in Spanien einen Kinostart erhalten wird. Ein allzu großer Verlust für die deutschen Kinos ist das allerdings ohnehin nicht: Denn Coixets dramatisierte Version der wahren Ereignisse aus dem Jahr 1901, als Marcela Gracia Ibeas und Elisa Sanchez Loriga in A Coruna heirateten, ist zwar ein in stilvollem Schwarz-Weiß fotografiertes Drama, dem es allerdings an erzählerischer Ambition und Tiefe mangelt.

    Galicien, 1889: Elisa (Natalia de Molina) und Marcela (Greta Fernández) begegnen sich auf einer höheren Schule und entwickeln sofort romantische Gefühle füreinander. Das macht Marcelas strenge Eltern (Francesc Orella, Maria Pujalte) schnell misstrauisch, weshalb die beiden auf getrennte Internate geschickt werden. Nach einem jahrelangen leidenschaftlichen Briefwechsel treffen die Frauen als ausgebildete Lehrerinnen wieder aufeinander und ziehen sogar zusammen, um ihre verbotene Liebe ausleben zu können. Doch der soziale Druck in dem Dorf Dumbria ist groß, als klar wird, dass die beiden ein Paar sind. Auch der Trick, Elisa vermeintlich nach Kuba verschwinden zu lassen, funktioniert nicht. Sie kehrt als Mann Mario zurück, fliegt aber schnell auf, weil sie in ihrer Verkleidung zu leicht zu erkennen ist. Doch für eine kirchliche Heirat vor dem Altar hat die Kostümierung gereicht. Deshalb wollen die Dorfoberen die Ehe rückgängig machen…

    „Elisa und Marcela“ beginnt im Jahr 1925 mit einem Prolog in Argentinien, der am Ende als Epilog fortgeführt wird. Kleiner Tipp: Wer gleich voll aufmerksam ist und sich die Gesichter der beiden Frauen gut einprägt, muss zwischendrin nicht rätseln. Regisseurin Isabel Coixet („Das geheime Leben der Worte“, „Der Buchladen der Florence Green“) war es eine Herzensangelegenheit, die ebenso bewegende wie berührende Geschichte der realen Elisa und Marcela zu erzählen, „die zu dieser Zeit nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Kirche und den Konventionalismus mit solchem Mut und unglaublicher Leidenschaft herausforderten“. Erst mehr als 100 Jahre später, 2005, wurde in Spanien die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Wenn das nicht der Stoff für ganz große Emotionen ist, was dann?

    Doch Coixet macht zu wenig aus der Steilvorlage. Die Annährung von Elisa und Marcela ist zart, aber überraschungsfrei und fast schon seicht. Es fühlt sich fad an, die Konflikte verbleiben an der funkelnden Oberfläche und allzu schematisch. Außer herausragend schönen und atmosphärischen Schwarz-Weiß-Bildern von Kamerafrau und Kinodebütantin Jennifer Cox, die „Elisa und Marcela“ mitunter wie ein filmisches Bewegungsgemälde des ungarischen Expressionisten Béla Tarr („Das Turiner Pferd“) aussehen lässt, gibt es zunächst wenig Begeisterndes.

    Erst in der zweiten Hälfte mit dem Umzug des von der Gesellschaft gehetzten Paares ins Exil nach Portugal gewinnt „Elisa und Marcela“ an Format, weil die Konflikte jetzt - auch dank neuem Personal wie einem progressiven Gefängnischef und seiner emanzipierten Frau – greifbarer und erlebbarer werden. Zuvor spielte sich die Geschichte mehr oder minder als limitiertes Zwei-Personen-Stück zwischen den beiden Hauptfiguren ab, ohne dass dabei allzu viel erzählerische Reibung (außer intensivem Anschmachten) entstand. Wenn jedoch die aufgebrachte Dorfbevölkerung mit Forken und Mistgabeln aufmarschiert und einige gute Bürger ihre Menschlichkeit entdecken, wird „Elisa und Marcela“ zu etwas Universellem, was auch heute noch gilt – Gegensätze und Schranken überwinden, auch über menschenverachtende gesellschaftliche Konventionen hinweg.

    Natalia de Molina („Food And Shelter“) hat mit dem scheinbaren Wechsel der Geschlechter von Elisa zu Mario (in Wirklichkeit wurde Marcela zu Mario) eine größere Bandbreite an Emotionen zu bespielen und zeigt vor allem als vermeintlicher Mann, dessen Tarnung viel zu durchsichtig ist, eine berührende Brüchigkeit. Sie harmoniert gut mit Greta Fernández („Sunday’s Illness“), die beiden geben ein glaubhaftes Paar ab. Fernández ist schließlich die wichtigere Figur, der Coixet mehr Aufmerksamkeit und Stärke schenkt. Sie behält in nahezu jeder Situation ihre Grazie und Würde – nur einmal nicht, wenn Regisseurin Coixet ihre seltsame Fixierung auf Oktopusse, die mehrfach beiläufig im Bild zu sehen sind, in einer schlicht dämlichen Sexszene auf die Spitze treibt. Selbst wer sich den Film nicht ansehen mag, kann dann ja auf Netflix schon aus Kuriosität zu der Glibber-Szene hinspringen.

    Fazit: In ihrem expressionistischen Melodram „Elisa und Marcela“ liefert Regisseurin Isabel Coixet eine manchmal berührende, aber oft auch zähe historische Liebesgeschichte gegen alle gesellschaftlichen Widerstände.

    Wir haben „Elisa und Marcela“ im Rahmen der Berlinale 2019 gesehen, wo er im offiziellen Wettbewerb gezeigt wurde.

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