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    Forget About Nick
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Forget About Nick
    Von Thomas Vorwerk

    Im Laufe ihrer langen Karriere hat Katja Riemann („Der bewegte Mann“, „Fack ju Göhte 3“) schon so einige Auszeichnungen auf ihrem sprichwörtlichen Kaminsims aufgereiht: Bayrischer Filmpreis, Deutscher Filmpreis, Bambi… Die bedeutendste Trophäe ist bisher jedoch die Copa Volpi als Beste Schauspielerin bei den Filmfestspielen 2003 in Venedig. Diese international renommierte Ehrung erhielt sie für ihre Rolle im Drama „Rosenstraße“ von Margarethe von Trotta. Mit der ebenfalls hochdekorierten Regisseurin von Filmen wie „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, „Rosa Luxemburg“ und „Hannah Arendt“ hat die Schauspielerin nach dem gemeinsamen Erfolg schon zwei weitere Male zusammengearbeitet und nun ist sie auch in von Trottas neuestem Werk zu sehen, der in New York spielenden Komödie „Forget About Nick“. Trotz vertrauter Themen bleibt diese Zusammenarbeit aber sogar noch hinter dem missglückten Thriller-Melodram „Ich bin die Andere“ zurück, das die Regisseurin und ihre Hauptdarstellerin 2004 vorlegten.

    Das 40-jährige Model Jade (Ingrid Bolsø Berdal, „Westworld“) wird von ihrem Mann Nick (Haluk Bilginer, „Winterschlaf“) für eine ihrer halb so alten Kolleginnen verlassen. Sie ist am Boden zerstört und stürzt sich erst einmal in die Arbeit in ihrer frisch gegründeten Modeagentur. Als sie eines Tages in das riesige Loft zurückkehrt, das sie bis vor kurzem mit Nick teilte, traut sie ihren Augen kaum: Jades „Vorgängerin“, also Nicks erste Frau Maria (Katja Riemann), ist nach dem Abschluss ihres Germanistikstudium und der Promotion wieder in New York und hat laut ihrem Ehevertrag ebenfalls Zugriff auf das Luxus-Loft. Da die beiden Frauen abgesehen von dem Ex-Gatten kaum Gemeinsamkeiten haben, beginnt zwischen den unfreiwilligen WG-Bewohnerinnen augenblicklich ein Zickenkrieg um vernünftige Ernährung, die Wohnungseinrichtung und konträre Lebensziele…

    Margarethe von Trotta beauftragte ihre Stammautorin Pam Katz mit einem Drehbuch mit schnellzüngigen Dialogen „à la Woody Allen“, dessen Handlung dann auch naheliegenderweise in New York angesiedelt ist. Tatsächlich lässt sich der Stoff sehr gut als leichtfüßig-neurotische Komödie mit weltstädtischem Manhattan-Flair und mit US-Stars wie Bette MidlerDiane Keaton oder Goldie Hawn vorstellen. Doch stattdessen hat die Regisseurin nun eine Deutsche, eine Norwegerin und einen Türken besetzt und den Film bis auf einige Außenaufnahmen in einem Studio bei Köln gedreht. Viel Big-Apple-Stimmung kann dabei nicht aufkommen, aber als wesentlich problematischer erweist sich die Entscheidung, „Forget About Nick“ tatsächlich in englischer Sprache zu drehen. So scheitern die beiden Hauptdarstellerinnen letztlich an den komplexen, manchmal komplizierten Dialogen, zumal auch die Regisseurin sich mit dem Timing sehr schwer tut und selten komödiantische Leichtigkeit erreicht.

    Im Fall von Maria wird immerhin der deutsche Background angesprochen, bei Jade (und Nick, der aber nicht viel zu sagen hat) versuchen die Filmemacherinnen dem Publikum allerdings weiszumachen, dass es sich hier tatsächlich um alteingesessene New Yorker handelt. Wenn Jade und Maria sich ihre verbalen Schlagabtäusche liefern, wirkt das wie gut auswendig gelernt (und fehlerfrei ausgesprochen), aber eben nicht, als wären die Sätze den beiden Figuren gerade so in den Sinn gekommen. Besonders auffällig ist das, wenn Maria in einer Szene mit ihrer Tochter telefoniert (auf Deutsch), und diese zwei, drei Sätze dann wieder Katja Riemann als Schauspielerin und nicht nur als Rezitatorin zeigen. Natürlich kann man eine gute Komödie mit Nicht-Muttersprachlern drehen, aber dann sollte man die sprachlichen Barrieren und Defizite möglichst auch in die Handlung einbauen.

    So raubt die Steifheit des Vortrags nicht nur den Dialogen die Natürlichkeit (und macht „Forget About Nick“ zu einem der seltenen Filme, die durch eine Synchronisation gewinnen könnten), sondern sie überträgt sich gewissermaßen auch auf den Rest des Films. Die Gegensätze zwischen Jade und Maria wirken aufgesetzt und sind dabei nicht gerade lustig (die eine ernährt sich von Diät-Smoothies, die andere backt jeden Tag einen großen Kuchen), zudem verhalten sich die beiden Frauen oft merkwürdig unangemessen, fast trampelig, etwa als Maria, ganz praktisch veranlagt, für das gemeinsame Abendessen Jades geliebte Schmuckteller benutzt, die wie Kunstwerke in einer Vitrine drapiert sind. Und wenn die beiden Frauen schließlich handgreiflich werden, hat das etwas vom „Denver-Clan“ oder einer ähnlichen heute etwas altmodisch wirkenden Edel-Seifenoper.

    Zur Künstlichkeit von Figuren und Handlung gesellt sich dann auch noch eine wenig glaubwürdige Kulisse: Das Loft, in dem sich fast der gesamte Film abspielt, ist eine angeblich zweistöckige Luxuswohnung, doch die verbindende Treppe sieht alles andere als vertrauenerweckend aus und ist deutlich als Studiodekoration erkennbar. Solche Details wären für sich genommen nebensächlich, aber zugleich erweisen sie sich als symptomatisch für einen Film voller Holprigkeiten. Wenn etwa zur Hälfte des Films plötzlich Marias Tochter Antonia (Tinka Fürst) nebst kleinem Enkel Paul (Vico Magno) eingeführt wird, hat das etwas von einer Halbzeiteinwechslung, mit der ein Trainer neuen Schwung in ein lahmes Fußballspiel bringen will. Von Trotta spitzt so kurzfristig verschiedene Konflikte zu, woraufhin alsbald die dramatischste und unglaubwürdigste Szene des Films folgt, in der sich alle involvierten Figuren komplett irrational verhalten.

    Aber selbst wenn „Forget About Nick“ auf den meisten grundlegenden Ebenen kaum funktionieren mag, so stecken trotzdem einige bedenkenswerte Ansätze und hübsche Ideen in dem Film. Das Gesamtwerk von Margarethe von Trotta ist von kämpferischen Frauen bevölkert und von feministischen Idealen durchzogen, das ist auch hier immerhin zu spüren. So kämpft Jade mit ihrer Mode-Kollektion gegen den Jugendwahn in der Gesellschaft, was sonst recht schwerfällig umgesetzt ist, aber durch eine kurze Konfrontation mit Nicks junger Model-Freundin eine besondere Pointe bekommt. Denn bei der Begegnung stellt Jade fest, dass Nicks Neue aussieht wie seine Ex Maria. Zur psychologischen Bedeutung dieser Einsicht kommt das pikante Detail, dass Model Caroline tatsächlich von Katja Riemanns Tochter Paula gespielt wird. Dieser gelungene (Insider-)Gag bleibt aber leider die Ausnahme in einem ansonsten verunglückten Komödienversuch.

    Fazit: Bei „Forget About Nick“ hakt es fast überall: zu wenig Witz für eine Komödie, zu wenig Biss für ein feministisches Statement.

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