Offenbar konnte es sich Regisseur und Drehbuchautor Adam MacDonald („Backcountry“) einfach nicht verkneifen, seine jugendliche Protagonistin im Schulunterricht ausgerechnet Fjodor Dostojewskis „Verbrechen und Strafe“ (auch bekannt als „Schuld und Sühne“) lesen zu lassen. Der Titel des russischen Klassikers fasst den Kern von MacDonalds Okkult-Gruselfilm „Pyewacket – Tödlicher Fluch“ einfach zu perfekt zusammen – und ist damit eines von erfreulich wenigen überdeutlichen Elementen in einem ansonsten angenehm subtilen und ambivalenten Coming-of-Age-Horror-Drama.
Es entbehrt dabei sicher nicht einer gewissen Ironie, dass man nie sieht, wie Leah (Nicole Muñoz) den Dostojewski-Roman tatsächlich liest, obwohl er ihr Dilemma doch so treffend zusammenfasst. Stattdessen nutzt die in den Goth-Kreisen ihrer Highschool verkehrende Schülerin das Buch die meiste Zeit nur als Sichtschutz, um ungestört Nachrichten auf ihrem Mobiltelefon schreiben zu können. Schließlich hat sie im Moment ganz andere (Teenager-)Probleme: Als ob es ihr nach dem kürzlichen Tod ihres Vaters nicht schon mies genug gehen würde, will ihre Mutter (Laurie Holden) nun auch noch wegziehen.
Das neue Haus, in dem nicht mehr alles an den toten Ehemann und Vater erinnern soll, liegt zwar nicht sehr weit weg, aber Leah müsste trotzdem spätestens im nächsten Jahr die Schule wechseln – und würde damit wohl auch den Kontakt zu ihrer besten Freundin Janice (Chloe Rose) und ihrem gar nicht so heimlichen Schwarm Aaron (Eric Osborne) verlieren. Also schnappt sich die Okkult-Studentin eines ihrer Bücher über schwarze Magie und veranstaltet im Wald ein Ritual, um ihrer Mutter den Dämonen Pyewacket auf den Hals zu hetzen…
„Sei vorsichtig, was du dir wünscht – es könnte dir jemand zuhören!“
Der größte Trumpf von „Pyewacket“ ist seine Hauptdarstellerin. Trotz ihres jungen Alters umfasst die Filmografie von Nicole Muñoz bereits 50 Schauspielrollen (etwa im 2005er „Fantastic Four“ oder der Dwayne-Johnson-Komödie „Die Zahnfee“) – und diese umfangreiche Erfahrung spielt die 23-Jährige hier auch voll aus: Leah ist schließlich keine x-beliebige Scream Queen, die einfach nur im richtigen Moment möglichst laut loskreischen muss.
Stattdessen lässt sich Adam MacDonald viel Zeit, um seine Protagonistin und ihr pubertär-problematisches Seelenleben einzuführen. Schließlich ist Leahs aufgerütteltes Inneres ja auch der eigentliche Ursprung des Horrors und nicht etwa der Karton voller Okkultismus-Bücher in ihrem Kleiderschrank. Nach dem Ritual im Wald bleibt nämlich lange Zeit in der Schwebe, ob da nun tatsächlich mit Blut, Milch und rotem Faden ein Dämon in unsere Welt geholt wurde, oder ob das nicht doch alles nur Schuldkomplexe sind, die nun in Leahs Kopf Amok laufen.
Denn wie das bei Teenagern nun mal so ist, verträgt sich Leah im nächsten Moment auch schon wieder mit der Mutter. Aber trotzdem steht am nächsten Morgen die Haustür sperrangelweit auf und es sieht aus, als hätte jemand (oder etwas?) beim Reinkommen Erde mit ins Wohnzimmer getragen. Oder war das doch nur der Wind? MacDonald bewahrt sich auch hier seine Subtilität und erzählt ebenso zurückhaltend wie nachvollziehbar, wie sich Leah immer mehr in ihren (womöglich psychotischen) Dämonenwahn hineinsteigert – bis hin zum provokant-abgründigen Finale.
Goths, Joints, Okkultismus – es ist schon ein bisschen schade, dass MacDonald all diese Psychosen-Klischees letztendlich nur schlicht bedient, statt mit ihnen zu spielen oder sie gar kritisch zu hinterfragen. Gerade weil der Filmemacher seine Protagonistin so ernst nimmt, wäre es auch in dieser Hinsicht wünschenswert gewesen, noch den einen Schritt weiterzugehen und die üblichen Vorurteile hinter sich zu lassen.
Zudem hat die behutsame Inszenierung der Gruselszenen, von denen man eben immer auch glauben können soll, dass es sich womöglich gar nicht um Pyewacket, sondern um ganz natürliche Vorgänge handelt, die nur in Leahs Kopf ins Dämonische überhöht werden, auch einen ganz entscheidenden Nachteil: Kaum jemand wird hier vor Schreck aus seinem Sitz hüpfen. Das langsame und vorsichtige Anziehen der Psychosen-Schraube kulminiert zwar in einem emotionalen Schlag in die Magengrube, aber einen nachhaltigen Schrecken jagen einem die kurzgehaltenen Horrorszenen trotzdem nicht ein.
Fazit: „Pyewacket – Tödlicher Fluch“ ist zwar als subtiles Drama über teen angst überzeugend, als Slowburn-Gruselschocker aber nur bedingt geeignet.