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    Aladdin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Aladdin

    Will Smith rockt als Dschinni!

    Von Björn Becher

    Was wurde nach den Trailern zu Disneys Realverfilmung des hauseigenen Animationsklassikers „Aladdin“ über die Optik von Will Smiths Dschinni gelästert. Von Schlumpf bis Sonic wurde jede andere blaue Figur der Popkultur herangezogen, um sich in Memes über die neue Interpretation des Flaschengeistes lustig zu machen. Doch im fertigen Film erweist sich nun ausgerechnet der Fanliebling der Zeichentrickvorlage erneut als Prunkstück – und das liegt vor allem an Will Smith und den im Vergleich zu den Trailern deutlich besseren (wenn auch nicht fehlerfreien) visuellen Effekten. Zwar wird im Realfilm-„Aladdin“ immer wieder auf die ikonische Umsetzung mit Robin Williams als Sprecher verwiesen, aber Superstar Will Smith drückt der Disney-Kultfigur trotzdem seinen ganz eigenen Stempel auf. Dabei zeigt er Spielfreude, Charme und Charisma wie seit seinen besten Zeiten nicht mehr. Das trägt wesentlich dazu bei, dass Guy Ritchies Neuauflage ein kurzweiliges und in den besten Momenten sehr lustiges Abenteuer-Musical geworden ist.

    Aladdin (Mena Massoud) schlägt sich in der arabischen Stadt Agrabah als Dieb mit sehr großem Herzen durch. So kommt er auch einer Frau in Not zur Hilfe, nicht ahnend, dass es sich dabei in Wahrheit um die Prinzessin Jasmin (Naomi Scott) handelt, die sich heimlich unter ihr Volk gemischt hat. Aladdin verliebt sich in die selbstbewusste Schönheit und schleicht sich kurz darauf in den Palast, um die vermeintliche Dienerin wiederzusehen. Allerdings gerät er dort in die Fänge des finsteren Großwesirs Dschafar (Marwan Kenzari), der nach absoluter Macht strebt und statt Jasmins Vater (Navid Negahban) als Sultan regieren will. Aladdin kommt dem Fiesling gerade recht, denn der Dieb soll für ihn eine Lampe aus der Höhle der Wunder beschaffen. Deren Besitzer wird zum Meister des darin hausenden Dschinni (Will Smith) und bekommt von diesem drei Wünsche erfüllt. Als Aladdin in Besitz der Lampe kommt, will er die Kraft des Geistes nutzen, um Jasmins Herz zu erobern. Doch er ahnt nichts von Dschafars bösen Plänen...

    Will Smith als übergroßer Dschinni.

    Als ausgerechnet Guy Ritchie von Disney für „Aladdin“ angeheuert wurde, durfte man schon ein wenig mit der Stirn runzeln. Der einst als „britischer Tarantino“ mit den Gangsterkomödien „Bube, Dame, König, grAs“ und „Snatch“ bekannt gewordene Filmemacher hat einen unverkennbaren Stil, den er gerne auch seinen Blockbuster-Produktionen wie „Sherlock Holmes“ oder „Codename: U.N.C.L.E.“ aufdrückt. Aber wie passt das zu einer Orient-Erzählung aus Tausundeiner Nacht, die zugleich auch noch dem Stil und dem Geist des Zeichentrickklassikers von 1992 huldigen soll? Ganz einfach: Indem sich Ritchie unterordnet, wie schon im Lauf der ersten großen Actionszene klar wird...

    Die von Gesangseinlagen begleitete Flucht von Aladdin, seinem Affen Abu und Jasmin durch die Straßen von Agrabah ähnelt ganz klar der entsprechenden Szene aus der Vorlage – und nicht etwa anderen Werken des Filmemachers. Wo Ritchie in „King Arthur: Legend Of The Sword“ die Kamera noch auf der Schulter seiner Protagonisten platzierte, um mit den Großaufnahmen ihrer gehetzten Gesichter (An-)Spannung zu transportieren, dominiert hier eine heitere Leichtigkeit. Dass Aladdin seinen nicht allzu hellen Verfolgern am Ende entkommen wird, steht sowieso außer Frage, spannend ist hier vielmehr, wie er sie immer wieder aufs Neue narrt. Ritchie-Fans mögen es beklagen, dass der Regisseur hier für Disney den Auftragsarbeiter gibt. Aber er stellt sich eben klar in den Dienst der Erzählung, zu der weder britischer Gangster-Slang noch seine Zeitlupen-Spielereien passen würden.

    Gut "geklaut" und gut selbstgemacht

    Trotz der vielen, auch bewusst in den Vordergrund gestellten Verweise auf das Original kopieren Ritchie, sein Co-Autor John August („Big Fish“, „Charlie und die Schokoladenfabrik“) und vor allem Komponist Alan Menken (der auch 1992 schon für die Songs zuständig war) aber nicht einfach nur. Stattdessen verbinden sie die bekannten Elemente stimmig mit neuen Ideen. Das machte schon ein gelungenes Update für den im Klassiker doch problematisch-klischeetriefenden Auftakterzähler deutlich. Aber der Höhepunkt ist die neu hinzugefügte Musical-Nummer: Mit der kraftvollen Doppel-Nummer „Speechless“ (deutscher Titel: „Ich werd niemals schweigen“) verleiht Naomi Scott der in der Zeichentrickversion zwar vorhandenen, aber nur oberflächlich verhandelten Selbstbestimmungsgeschichte der Prinzessin, die gegen ihre vorbestimmte Rolle als dienende Ehefrau rebelliert, einen starken emotionalen Unterbau. Sowieso wird Aladdin und Jasmin dank vieler kurzer ernsthafterer Szenen insgesamt mehr Charakter zugestanden. Manchmal geht das allerdings auch auf Kosten des Tempos der sonst so beschwingt-rasanten Komödie.

    Naomi Scott („Power Rangers“) und Newcomer Mena Massoud harmonieren von der ersten Sekunde als ebenbürtiges Paar, die beide mit hoher Schlagfertigkeit punkten können. Einmal mehr schafft es Disney daneben auch seine nicht-menschlichen Protagonisten glaubwürdig mit humanen Seiten zu bereichern. Schon einzelne Blicke von Aladdins Affe Abu sind einfach köstlich und der Fliegende Teppich entpuppt sich ohnehin als großartiger Szenendieb. Dschafars böser Papagei Jago steuert derweil wunderbare One-Liner bei und hilft so dabei, zu übersehen, dass sein Herr nicht nur komplett blass und eindimensional geschrieben ist, sondern Darsteller Marwan Kenzari („Ben Hur“) es auch zu fast keiner Sekunde schafft, dem Antagonisten eine bedrohliche Aura zu verleihen.

    Aladdin und Jasmin in einer der Musicalszenen.

    Über allem thront aber ohnehin Will Smith. Der Superstar gibt den Dschinni im wahrsten Sinne des Wortes in Über-Über-Lebensgröße – und das mit unglaublich viel Witz und Herz. Seit den Zeiten von „Bad Boys“, „Independence Day“ und „Men In Black“ hat man keinen so kraftvollen Smith mehr auf der Leinwand gesehen. Er zieht Grimassen, chargiert wild, rappt, singt, tanzt - und wirkt dabei trotz nacktem blauem Oberkörper und (selbstironisch kommentierter) Zopffrisur zu keiner Zeit lächerlich. In den entsprechenden Momenten ist es nämlich gerade Smiths Darstellung, die den mächtigen Geist erdet und seine tragische Seite nach außen kehrt. Daneben versteht es der zweifach oscarnominierte Schauspieler auch, sich in einzelnen Szenen zurückzunehmen und die Momente anderer Figuren mit reduzierterem Minenspiel aus dem Hintergrund zu unterstützen.

    Disneyland statt authentischer Orient

    Smith überspielt es auch locker, wenn in einzelnen Momenten die CGI-Animationen mal nicht perfekt sind, wobei die Macher sich im Umgang mit der Technik scheinbar auch selbst Beschränkungen aufgelegt haben: So ist etwa eine bestimmte Verwandlung viel weniger bedeutend als im Original. Deutlich störender als die kleinen Dschinni-Unschärfen sind aber ohnehin die Kulissen, denn Guy Ritchie schafft es leider nicht, den Zuschauer in den Orient zu entführen. Stattdessen fühlt sich das eher nach Disney-Freizeitpark mit 1001-Nacht-Thema an.

    Sowohl Aladdins pfiffige Behausung als auch die Straßen von Agrabah wirken zu sehr wie ein steriles Filmset, nie wähnt man sich in einer lauten, bevölkerten Metropole im Morgenland. Da ist es ein Glück, dass schon bald die Mehrheit der Szenen in der Höhle und dem Palast spielen und dass eine gewisse Entrücktheit den wunderbar choreographierten Musical-Nummern sowieso ganz gut zu Gesicht steht. Denn wenn Klassiker wie „Schnell weg“, „Einen Freund wie mich“, „Prinz Ali“ oder „Ein Traum wird wahr“ mit passenden und meist fantasievollen Bildern kombiniert werden, möchte man am liebsten im Kinosaal mitschwingen, so großartig werden sie in der englischen Originalfassung* neu interpretiert.

    Fazit: „Aladdin“ macht vor allem in den starken Gesangszenen und bei jedem Auftritt von Will Smith großen Spaß.

    *Anmerkung: Da wir „Aladdin“ in der Originalfassung gesehen haben, bezieht sich unsere Bewertung der neu interpretierten Songs als „großartig“ erst einmal nur auf die englischsprachigen Versionen. Die von lokalen Sprechern in deutscher Sprache eingesungenen Neuversionen konnten wir nachträglich als Soundtrack hören, wobei uns gerade Manuel Straube als Gesangsstimme von Dschinni ebenfalls verdammt gut gefallen hat.

    2. Sprecher in "Aladdin": So klingt Will Smiths Gesang in der deutschen Version
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