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    The Little Hours
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Little Hours
    Von Christoph Petersen

    Die stilbildende Novellensammlung „Decamerone“ von Giovanni Boccaccio (erschienen um das Jahr 1350) gilt als Geburtsstunde der italienischen Prosa. Dass sie sich zudem aber auch ganz hervorragend als Grundlage für amüsant-anzügliche Arthouse-Exploitation eignet, hat schon der italienische Regie-Provokateur Pier Paolo Pasolini („Die 120 Tage von Sodom“) erkannt, als er sie 1971 zu seinem mit reichlich nackter Haut und den guten Geschmack torpedierendem Fäkalhumor gespickten Meisterwerk „Decamerone“ verarbeitete. Nun legt „Life After Beth“-Regisseur Jeff Baena mit seiner ebenfalls auf der Geschichtensammlung basierenden Nonnen-Comedy „The Little Hours“ nach: Das Ergebnis ist dabei zwar längst nicht so grenzüberschreitend-radikal wie Pasolinis erotischer Klassiker, aber trotzdem verdammt witzig – und das liegt in erster Linie an den spiel- und vor allem beleidigungsfreudigen Stars Aubrey Plaza („Mike And Dave Need Wedding Dates“), Alison Brie („Community“) und Kate Micucci („The Big Bang Theory“). Wie das Nonnen-Trio immer wieder von einem Augenblick auf den nächsten von liebenswürdig-gottesfürchtig auf volle Kanne aggro umschaltet, ist auch beim x-ten Mal noch lustig.

    Weil sein Herr Lord Bruno (Nick Offerman) ihn foltern und töten will, nachdem er mit dessen Gemahlin Francesca (Lauren Weedman) geschlafen hat, muss der attraktive Diener Massetto (Dave Franco) im Sommer des Jahres 1347 in die Wälder fliehen. Dort trifft er auf den betrunkenen Pfarrer Tommasso (John C. Reilly), der mit seinem Pferdewagen verunfallt ist und all die von den Nonnen mühsam hergestellten Stickereien im Fluss versenkt hat. Weil Massetto ihm hilfreich unter die Arme greift, bietet Tommasso dem Flüchtigen an, als Hausmeister bei ihm im Kloster unterzukommen – allerdings müsse er sich dafür taub und stumm stellen. Zugleich warnt Tommasso den Neuling vor den dort lebenden Nonnen (Aubrey Plaza, Alison Brie, Kate Micucci) – die seien nämlich nicht nur sehr tough, sondern würden auch schnell beleidigend und sogar gewalttätig werden…

    Niemand rollt so wunderbar herablassend mit den Augen wie Aubrey Plaza – und in „The Little Hours“ bekommt der „Parks And Recreation“-Star nun so viel Gelegenheit dazu wie selten zuvor. Sowieso darf hier jeder Schauspieler exakt seine Stärken ausspielen, fast so, als müsse er sich gar nicht an ein bestehendes Skript halten, sondern dürfte einfach machen, wonach ihm gerade ist. Das hat sicherlich auch mit der familiären Atmosphäre zu tun, die da am Set in der italienischen Toskana geherrscht haben muss: Schließlich ist Aubrey Plaza mit Jeff Baena zusammen, Dave Franco und Alison Brie haben kurz nach der Premiere des Films geheiratet und mit quasi all seinen Gaststars von John C. Reilly („Kong: Skull Island“) über Paul Reiser („Verrückt nach dir“) bis zu Molly Shannon („Saturday Night Live“) hat der Regisseur auch zuvor schon bei anderen Projekten zusammengearbeitet. Das alles verleiht „The Little Hours“ eine enorme Lässigkeit, die dem Film unheimlich guttut: Wo das Konzept „Eine derbe Komödie über Nonnen“ in einer typischen Hollywood-Produktion wohl hauptsächlich zu angestrengt-forcierten Zoten geführt hätte, bewahrt sich „The Little Hours“ selbst dann noch seine unbeschwerte Leichtigkeit, wenn ein sexy Nonnentrio einen hilflosen Hausmeister nur wegen eines falschen Blickes zusammenschlägt.

    Letztendlich besteht „The Little Hours“ hauptsächlich aus einem einzigen Gag – moderne junge Frauen spielen Nonnen aus dem 14. Jahrhundert, ohne sich dabei großartig zu verstellen. Aber was soll’s, dieses kecke Spiel mit Anachronismen trägt eben einen Großteil der kurzweiligen 90 Minuten – und dann gibt es da ja auch noch die Schildkröte mit einer Kerze auf dem Rücken. Zudem eröffnet eben dieses Spiel durchaus einen interessanten Blick auf die jahrhundertealte Geschichte, weil eben nicht nur grobschlächtig irgendwelche Mittelalterklischees durch den Kakao gezogen werden, sondern der ganze Humor aus der vergleichsweise zurückhaltenden Verschiebung entsteht, dass die Figuren sich plötzlich ein wenig aufgeklärter äußern, als man es von ihnen erwarten würde (etwa bei einer Beichtstuhldiskussion zum damals eben noch sehr viel weiter gefassten Begriff der „Sodomie“). „The Little Hours“ spielt allerdings nicht nur mit dem Mittelalter, sondern zugleich auch mit dem Genre der Nonnen-Exploitation – das zeigt sich schon am Titelschriftzug, der offensichtlich auf „Die Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ und andere einschlägige Werke von Jess Franco und Co. Bezug nimmt. Aber hier fehlt den Machern irgendwie der nötige Biss: Zwar ist da das angeklebte, offensichtlich übertriebene Theater-Schamhaar bei einem nächtlichen Hexentanz um ein Lagerfeuer im Wald, doch darüber hinaus gibt „The Little Hours“ auf einer Genre-Metaebene nicht viel her – die Sexszenen funktionieren weder als Kritik noch als Parodie, stattdessen sind sie einfach nur saftlose Hommagen.

    Fazit: Die Macher und Schauspieler hatten sichtlich Spaß am Dreh und daran, sich gegenseitig fertigzumachen – und diese lässige Laune überträgt sich zum Glück auch auf das Publikum.

    Wir haben „The Little Hours“ bei den Fantasy Filmfest White Nights 2018 gesehen.

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