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    Goodbye Christopher Robin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Goodbye Christopher Robin
    Von Christoph Petersen

    Man stelle sich mal folgendes Szenario vor: J.K. Rowlings „Harry Potter“-Reihe avanciert zum internationalen Buchphänomen, in keiner S-Bahn kann man sich mehr hinsetzen, ohne dass das Gegenüber gerade eine der Geschichten über den Zauberschüler mit der Blitznarbe verschlingt. Und dann stellt sich heraus, dass Harry Potter tatsächlich existiert… da könnten selbst Justin Bieber und Harry Styles einpacken! Das klingt fantastisch, aber ist so ähnlich tatsächlich passiert, als die Welt Mitte der 1920er Jahre plötzlich erkannte, dass der Christopher Robin aus den unfassbar erfolgreichen Geschichten über Winnie-the-Pooh (Pu der Bär) tatsächlich der Sohn des Autors Alan Alexander Milne ist. Über Nacht avancierte der achtjährige Junge zum Weltstar – stalkende Journalisten und kreischende Fans inklusive. In „Goodbye Christopher Robin“ über die Entstehung der Winnie-the-Pooh-Bücher spart Regisseur Simon Curtis („Die Frau in Gold“) die dunklen Seiten des plötzlichen Ruhms zwar nicht aus, aber er scheint so sehr damit beschäftigt zu sein, ein hübsch ausgeleuchtetes und adrett ausgestattetes Historien-Biopic zu inszenieren, dass er sich nie glaubhaft auf die Figuren und ihre Abgründe einlässt. Das führt den ganzen Film hindurch immer wieder zu sehr merkwürdigen tonalen Dissonanzen.

    Nach seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg leidet der erfolgreiche Theaterautor A.A. Milne (Domhnall Gleeson) an schweren posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD). Auch erscheint es ihm nicht mehr als sinnvoll, weiterhin Komödien für das Londoner Westend zu verfassen. Lieber will er ein bedeutendes Buch schreiben, das verhindert, dass es jemals wieder zu so einem Krieg kommt. Gemeinsam mit seiner Frau Daphne (Margot Robbie), seinem immer nur Billy Moon genannten Sohn Christopher Robin (Will Tilston) und dem Kindermädchen Olive (Kelly Macdonald) zieht er aus London nach Sussex aufs Land, um dort in Ruhe arbeiten zu können. Während sich die Eltern im Alltag eigentlich nie um ihren Sohn kümmern, ist Milne plötzlich genau dazu gezwungen, als Olive ihn für einige Tage mit Billy alleinlässt, um sich um ihre schwerkranke Mutter zu kümmern. Gemeinsam streifen Vater und Sohn durch den Wald und fantasieren dabei Geschichten über die Stofftiere von Billy zusammen – Geschichten, die Milne kurze Zeit später zu seinem Kinderbuch-Megabestseller „Winnie-the-Pooh“ verarbeitet…

    Wer erfährt, was der Erfolg von „Winnie-the-Pooh“ für die Jugend des realen Christopher Robin bedeutet hat, dem dürfte es schwerfallen, die Geschichten aus dem Hundert-Morgen-Wald anschließend weiterhin mit derselben kindlichen Unbeschwertheit zu genießen. Der gediegen-hübsche Look von „Goodbye Christopher Robin“ (den wiederum das Motiv auf diesem Poster sehr gut widerspiegelt) steht allerdings eher für erbauliches Wohlfühl-Inspirationskino – und damit über weite Strecken im groben Kontrast zur im Grunde meist recht ernsten Handlung. Der Film überzeugt vor allem immer dann, wenn Form und Inhalt (zufällig?) doch mal zusammenkommen, etwa wenn sich Milne und Billy im sommerlichen Wald vorstellen, dass sie durch eine Winterlandschaft spazieren – und am Ende der idyllischen Vorstellung schneien die Schneeflocken aufwärts in den Himmel. Aber wenn es dann eigentlich mal düsterer werden müsste und Frank Cottrell Boyce („Die Liebe seines Lebens“) und Simon Vaughan („A Bear Named Winnie“) in ihrem Drehbuch abgründigere Töne anschlagen, hält der Regisseur - mit Ausnahme einiger grotesker Nahaufnahmen von geifernden Reportergesichtern – vollkommen unbeirrt an seinem gediegenen Stil fest. Man will dem Matineepublikum ja auch die Kaffeelaune nicht verderben.

    Ähnliches Kalkül scheint auch die grotesk einseitige Zuweisung der elterlichen Schuld bestimmt zu haben: Margot Robbie („Suicide Squad“, „I, Tonya“) hat praktisch keine Chance gegen ihre eindimensional-unsympathische Rolle – schließlich wird ihre Figur im Film (mit Ausnahme einer aus dem Nichts kommenden Wandlung im Finale) geradeheraus verteufelt: Nachdem sie bei Christophers Geburt nach ihrer eigenen Interpretation fast gestorben wäre, ist Daphne der Meinung, dass sie damit genug für ihr Kind geopfert habe, zudem wollte sie sowieso lieber eine Tochter. A.A. Milne wird hingegen von den Filmemachern als unwissend und leichtgläubig entschuldigt – sobald das Kindermädchen mal Klartext spricht, sieht er augenblicklich alle seine Fehler ein und zieht die notwendigen Konsequenzen. Wie gesagt: Zu sehr will man den Zuschauern das Lesen der „Winnie-the-Pooh“-Bücher ja nun auch nicht madig machen – und „Genies“ dürfen ja in Filmen eh alles. Auch Milnes PTSD-Erkrankung wird im Film als bloßes dramaturgisches Gimmick präsentiert – seine klischeehaft inszenierten Panikattacken sind fast genauso fragwürdig inszeniert wie das plump-manipulative Finale, in dem die Schrecken des Krieges als das denkbar simpelste und dreisteste Spannungsmittel missbraucht werden.

    Fazit: Eine absolut faszinierende Geschichte – leider ohne jedes Gespür für die Figuren als hübscher Historienfilm von der Stange umgesetzt.

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