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    Caddo Lake
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Caddo Lake

    Je weniger man über das Mysterium weiß, desto besser!

    Von Christoph Petersen

    Auf der Wiese vor dem Haus liegt ein toter Alligator. Aber die Verwundungen lassen weder auf einen tierischen noch auf einen menschlichen Verursacher schließen. Stattdessen wurde der schuppige Körper dermaßen glatt durchtrennt, dass man sich schon fragen muss, was zum Teufel hier wohl geschehen ist? Zumal das verschwundene Mädchen, nachdem die ganze Sumpf-Gemeinschaft unablässig sucht, keinerlei Spuren hinterlassen zu haben scheint!

    Nachdem er mit seiner eigenen Regiearbeit „Trap: No Way Out“ in diesem Sommer eher auf dunkelschwarzen Humor gesetzt hat, legt M. Night Shyamalan nun zumindest als Produzent einen Mystery-Thriller nach, wie man ihn vom Mastermind hinter „The Sixth Sense“ oder „Unbreakable“ erwartet: Mit seiner Mischung aus atmosphärischem Familien-Drama und auch einem genaueren Blick standhaltendem Twist-Feuerwerk erinnert „Caddo Lake“ nämlich schon deutlich an Shyamalans frühen Erfolge.

    Starkes Puzzle, starke Charaktere

    Das miteinander verheiratete Regieduo Logan George und Celine Held hat neben seinem Spielfilmdebüt „Topside“ über eine obdachlose Mutter und ihre fünfjährige Tochter, die in einer winterlich kalten Nacht in New York ums Überleben kämpfen, zuletzt auch einige Folgen von Shyamalans Hit-Serie „Servant“ inszeniert.

    In „Caddo Lake“ kommen der empathisch-präzise Blick aus „Topside“ und die auf überraschende Wendungen ausgerichtete Puzzle-Konstruktion aus „Servant“ jetzt stimmungsvoll zusammen. Wobei wir am liebsten nicht mal andeuten würden, um was für eine Art von Mysterium es sich hier eigentlich genau handelt. Schließlich gehört „Caddo Lake“ ganz eindeutig in die Kategorie Film, die man umso mehr genießen wird, je weniger man schon vorab über den Plot weiß.

    Der titelgebende Bayou existiert tatsächlich – und ist auch in der Realität ebenso mysteriös und verwinkelt wie der Plot von „Caddo Lake“. Warner Bros.
    Der titelgebende Bayou existiert tatsächlich – und ist auch in der Realität ebenso mysteriös und verwinkelt wie der Plot von „Caddo Lake“.

    Caddo Lake ist ein Bayou auf der Grenze zwischen Texas und Louisiana. Um zu ihren Häusern oder in die nahegelegene Stadt zu gelangen, können sich die Bewohner*innen der von einem stehenden Gewässer umgebenen Sumpflandschaft nur mit kleinen Motorbooten fortbewegen. Im Zentrum der Erzählungen stehen dabei zwei Familien, bei denen lange Zeit nicht klar ist, wie genau ihre Schicksale eigentlich zusammenhängen: Ellie (Eliza Scanlen) streitet sich ständig mit ihrer Mutter Celeste (Lauren Ambrose), seitdem diese nach dem plötzlichen Verschwinden von Ellies Vater einen neuen Mann geheiratet hat. Darunter leidet vor allem Ellies jüngere Halbschwester Anna (Caroline Falk), die eines Tages ebenfalls spurlos verschwindet. Trotz intensiver Suche des ganzen Bayous bleibt das achtjährige Mädchen verschollen.

    Paris (Dylan O'Brien) leidet hingegen an den Folgen eines Autounfalls, bei dem seine Mutter ums Leben gekommen ist. Sie hatte beim Fahren einen mysteriösen Anfall und ist daraufhin mit ihrem Sohn von einer Brücke gestürzt. Paris ist der festen Überzeugung, dass die schulmedizinischen Erklärungen der Ärzte Quatsch sind und dass noch etwas anderes hinter dem Aussetzer seiner Mutter stecken muss. Zumal im Bayou sowieso unerklärliche Dinge vor sich zu gehen scheinen. So vernimmt er beim Verfolgen von Fußspuren im Matsch etwa ein derart lautes, offenbar ursachenloses Dröhnen, dass er sogar kurzzeitig sein Gehör verliert. Seine einstige Jugendliebe Cee (Diana Hopper), mit der er erst vor kurzem wieder angebändelt hat, fürchtet deshalb, dass sich Paris wie früher schon einmal vollständig in dem womöglich gar nicht realen Mysterium verlieren könnte…

    Der Schauplatz ist bereits die halbe Miete

    Es ergibt total Sinn, dass der Film nach seinem Schauplatz benannt ist. Wenn man schon mal Südstaaten-Bayous als zentralen Handlungsort zu sehen bekommt, dann in aller Regel nur in Krokodil-Horrorfilmen. Logan George und Celine Held tun deshalb auch gut daran, wenn sie zunächst einmal ausgiebig in der sumpfigen Landschaft schwelgen, während sie ihre Figuren und deren Traumata mit der gebotenen Sorgfalt einführen. Denn speziell, wenn der Wasserstand einmal sinkt, scheint viel darunter Verborgenes zum Vorschein zu kommen.

    Dass es eher behutsam losgeht, sollte einen übrigens keinesfalls in falscher Sicherheit wiegen – denn wenn das zentrale Story-Gimmick erst einmal eingeführt ist, zieht das Tempo sprunghaft an und lässt dann bis zum Finale auch nicht mehr nach. Da muss man als Zuschauer*in auf der Hut sein, um bloß keine der plötzlich rasant folgenden Wendungen zu verpassen.

    Paris (Dylan O'Brien) ist der festen Überzeugung, einem Mysterium auf der Spur zu sein. Aber seine Freundin Cee (Diana Hopper) bleibt skeptisch. Warner Bros.
    Paris (Dylan O'Brien) ist der festen Überzeugung, einem Mysterium auf der Spur zu sein. Aber seine Freundin Cee (Diana Hopper) bleibt skeptisch.

    In seiner Heimat ist „Caddo Lake“ direkt als Streaming-Titel erschienen, was man beim Schauen vor allem daran merkt, dass die – zum Glück sehr rar gestreuten – CGI-Effekte (etwa ein Wolfsrudel oder ein Autounfall) eigentlich kein Leinwandniveau haben. Aber hierzulande gibt es den Warner-eigenen Netflix-Konkurrenten Max ja noch nicht – und so ist Deutschland nun weltweit das einzige Land, in dem „Caddo Lake“ regulär in den Kinos anläuft. Und das ist durchaus ein Glücksfall:

    Nicht nur kommt die nebelverhangene Bayou-Atmosphäre auf der großen Leinwand natürlich noch viel besser zur Geltung. Der präzise Plot ist auch viel zu vertrackt, als dass man ihm wirklich angemessen folgen könnte, wenn man nebenbei noch die Wäsche aufhängt und mit dem Handy die sozialen Medien durchforstet. „Caddo Lake“ löst nämlich alle offenen Fragen auf, hat aber erfreulicherweise kein Interesse daran, am Ende noch mal alles für das Publikum fein säuberlich auszubuchstabieren. Da muss man schon selbst mitdenken.

    Fazit: Ein Mystery-Thriller, nach dem man noch lange darüber diskutieren wird, wie genau die einzelnen Puzzlestücke zusammenpassen – bevor man dann zum erstaunlichen Ergebnis kommt, dass das alles tatsächlich perfekt aufgeht! Fast noch mehr als das zentrale Mysterium begeistert aber die einzigartige Stimmung, mit der das Regieduo Logan George und Celine Held das titelgebende Bayou in Szene setzt.

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