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    Luna
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Luna
    Von Jens Balkenborg

    2012 wurde in Baden-Württemberg eine russische Agentenfamilie enttarnt und verhaftetet, die seit mehr als 20 Jahren von dort aus verdeckt für den Geheimdienst in Moskau gearbeitet hat: Filmreifer könnte die Realität kaum Geschichten schreiben. Das müssen sich auch die Produzenten von „Luna“ gedacht haben, dessen Drehbuch von den Ereignissen inspiriert ist. Im fertigen Film erweist sich der wahre Stoff allerdings nur als wenig ausgearbeitete Grundlage für einen Reißbrett-Thriller mit einem löschpapierdünnen Plot. Der thematische Reichtum der Steilvorlage aus der Wirklichkeit wird nur in zaghaften Ansätzen ausgeschöpft und so kommt in der von Newcomer Khaled Kaissar immerhin temporeich inszenierten Spionagegeschichte bloß in wenigen Momenten echte Spannung auf.

    Nach einer durchzechten Nacht mit ihren Freundinnen fährt die 17-jährige Luna (Lisa Vicari) gemeinsam mit ihren Eltern Jakob (Benjamin Sadler) und Julia (Bibiana Beglau) sowie ihrer kleinen Schwester Lena in den Familienurlaub in die Berge. Kurz nach ihrer Ankunft erhält der Vater eine SMS: „Sie kommen, haut ab!“ Doch die Warnung kommt zu spät. Plötzlich taucht eine Horde russischer Killer um den Anführer Victor (Branko Tomović) auf und erschießt Lunas Familie. Nur sie selbst entkommt knapp. Durch Hamid (Carlo Ljubek), einen guten Freund ihres Vaters, der für den russischen Geheimdienst arbeitet, erfährt sie, dass Jakob ebenfalls als Spion für Russland tätig war. Anstatt zu fliehen, wie von Hamid vorgeschlagen, will Luna die Wahrheit erfahren. Das ungleiche Paar macht sich an die Arbeit und begibt sich zwischen die Fronten, denn auch der Bundesnachrichtendienst (BND) ist in die Ereignisse verwickelt...

    Newcomer Khaled Kaissar erzählte bereits in seinem Kurzfilm „Zarnitsa“ aus dem Jahr 2015 von einem russischen Agenten namens Hamid. Sein Interesse an den Spätfolgen des Kalten Kriegs führt der gebürtige Afghane nach eigener Aussage auf seine eigenen persönlichen Erfahrungen zurück: Im Alter von sieben Jahren habe er den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan und die Ideologie des „sozialistischen Traums“ miterlebt, bevor er 1985 nach Deutschland kam. Diese persönliche Note klingt zunächst einmal durchaus vielversprechend und tatsächlich blitzt auch gelegentlich auf, was aus „Luna“ im Idealfall hätte werden können: ein wütender, harter Genrefilm, in dem die Kompromisslosigkeit von Fatih Akins „Kurz und schmerzlos“ auf einen düsteren Spionageplot trifft sowie eine filmische Abrechnung mit der Verlogenheit und Amoral geheimdienstlicher Arbeitspraktiken.

    Doch trotz der guten Voraussetzungen wirkt die düstere Geschichte seltsam belanglos. Das liegt weniger an den schon oft gesehenen Versatzstücken vom Verrat bis zum familiären Zwist, vielmehr hapert es an der Umsetzung: Die Figuren sind blasse Abziehbilder, denen bedeutungsschwangere Floskeln wie „Es herrscht Krieg, Luna, auch wenn du das nicht sehen kannst“ in den Mund gelegt werden. Dafür können die Darsteller herzlich wenig, Lisa Vicari („Hell“) und Carlo Ljubek („Kammerflimmern“) machen ihre Sache den Umständen entsprechend gut und holen aus ihren Figuren heraus, was das Drehbuch eben hergibt. Durch die krude Charakterzeichnung erscheint auch das gleichsam nebenbei erzählte erzwungene Erwachsenwerden, das Luna während ihrer Tour de Force erlebt, nicht eben glaubwürdig.

    Auch die Inszenierung fügt der wenig substanziellen Handlung kaum etwas hinzu: Die teils ziemlich hektischen Handkamerabilder sollen wohl passend zum realpolitischen Bezug Authentizität suggerieren, allerdings wirkt dies hier wie ein bloßer formaler Kniff, denn dafür bleibt das oft reißerisch überzogene Treiben zu künstlich. Die dynamische Kameraarbeit betont letztlich sogar noch, wie sehr „Luna“ in seinem bewegungsstarren 08/15-Handlungsentwurf steckenbleibt. So ist schließlich auch der finale Appell für eine transparente und aufklärerische Gesellschaft im Sinne der heutigen LEAK-Kultur eher ein kaum hörbares Flüstern.

    Fazit: Trotz der spannenden aus dem echten Leben gegriffenen Prämisse bleibt der Spionagethriller „Luna“ in Versatzstücken und Klischees stecken.

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