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    Die Überglücklichen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die Überglücklichen
    Von Christian Horn

    Denkt man an filmische Verarbeitungen von Depressionen und anderen psychischen Krankheiten, kommen einem sofort herbstlich oder winterlich triste Bilder und tränenverhangene Dialoge in den Sinn. In „Die Überglücklichen“ des Italieners Paolo Virzì, der zuvor die Wirtschaftskrisensatire „Die süße Gier“ drehte, herrscht hingegen Hochsommer, als die manische Beatrice und die depressive Donatella aus einer Psychiatrie Reißaus nehmen und einen Roadtrip durch die voll erblühte Toskana unternehmen. Das passt, denn Virzì inszeniert seine sympathische Feelgood-Tragikomödie der ernsten Thematik zum Trotz nicht allzu erdenschwer. Dass sich die Schicksale der beiden weiblichen Hauptfiguren dennoch nicht in pures Wohlgefallen auflösen, liegt nicht zuletzt am ebenso mitreißenden wie einfühlsamen Spiel von Valeria Bruni Tedeschi („5x2 – Fünf mal zwei“) und Micaela Ramazzotti („Anni Felici – Barfuß durchs Leben“).

    Ihrer eigenen Ansicht nach hat Beatrice (Valeria Bruni Tedeschi) in der luxuriösen Psychiatrie „Villa Biondi“ nichts verloren, sondern ist das Opfer einer Verschwörung. Regelmäßig versucht die manisch plappernde Gräfin aus gutem Hause erfolglos der Nervenheilanstalt zu entkommen. Als mit der jungen Donatella (Micaela Ramazzotti) eine neue Patientin ins Sanatorium aufgenommen wird, findet Beatrice eine Seelenverwandte. Um Donatellas kleinen Sohn zu suchen, der nach einem Suizidversuch seiner depressiven Mutter in einer Pflegefamilie lebt, wollen die beiden Frauen gemeinsam aus der Villa türmen – und diesmal gelingt die Flucht. Auf ihrem Trip durch die sonnendurchflutete Toskana genießen sie das schöne Leben, feiern und klauen auch mal ein Auto. Aber vor allem stellen sie sich ihren seelischen Verletzungen.

    Im Innersten der tragisch-komischen Odyssee schlägt das Herz einer irgendwo zwischen „Einer flog übers Kuckucksnest“ und „Thelma & Louise“ angelegten Frauenfreundschaft. Das harmonische und mit reichlich Dialogwitz gewürzte Zusammenspiel von Valeria Bruni Tedeschi und Micaela Ramazzotti ist die reinste Freude. Ihnen gelingt es scheinbar mühelos, den Ernst und den Humor, das Schwere und das Leichte der Geschichte bruchlos miteinander zu verbinden. So wirkt das Geschehen in „Die Überglücklichen“ tatsächlich immer wieder wie aus dem echten Leben gegriffen, wo das Tragische und das Komische ja bisweilen ebenfalls verteufelt nah beieinander liegen.

    Vereinzelte Rückblenden werfen Schlaglichter auf die Vergangenheit des ungleichen Frauen-Duos, doch im Wesentlichen findet „Die Überglücklichen“ im Hier und Jetzt statt. Die stets unter Strom stehende Beatrice leidet an ihrer unerfüllten Liebe zu einem Kriminellen, der für ihre übergriffige Upper Class-Familie keinesfalls als Schwiegersohn in Frage kommt. Eine Spur dramatischer ist die Geschichte von Donatella, die sich umbringen wollte, aber ihr Schicksal bleibt im Vergleich etwas unklarer. Im Vergleich zu Beatrice bleibt ihr Schicksal aber lange offen. Den größeren Teil der Erzählung beansprucht die überspannte, gern und geschickt flunkernde, überaus mitteilungsfreudige Beatrice für sich: Wenn sie sich spontan als Ärztin ausgibt und die neu eingelieferte Donatella aushorcht oder gleich zu Beginn einen ersten Fluchtversuch unternimmt, dann treibt die von Valeria Bruni Tedeschi gespielte Naturgewalt zugleich die Handlung an.

    Dass die Figurenzeichnung dabei zum Teil nah an der Oberfläche bleibt und in manchen Momenten zudem allzu deutlich ausfällt, erweist sich als nur kleiner Wermutstropfen. Mit Beatrice und Donatella, die letztlich zwei Seiten einer Medaille verkörpern (nämlich „manisch“ und „depressiv“), strahlt das farbenfreudig bebilderte Wohlfühldrama auch in den eher plakativen Passagen jede Menge Energie und Lebenslust aus und bietet bis zum hochemotionalen Finale liebenswerte Unterhaltung. Paolo Virzì nimmt die Sorgen seiner Figuren jederzeit ernst und räumt ihnen zugleich die Chance auf eine gute Genesung und das schon im deutschen Titel verheißene „Glück“ ein.

    Fazit: Das hinreißend gespielte Porträt zweier Freundinnen am Rand des Nervenzusammenbruchs ist mediterraner Balsam für die Seele.

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