Die Coppolas haben einen der imposantesten Familienstammbäume Hollywoods - inklusive Oscar-Preisträgern in drei Generationen: Francis Ford Coppola wurde gleich fünf Mal mit dem Goldjungen bedacht, sein Vater Carmine Coppola hat für die Musik von „Der Pate II“ gewonnen, seine Tochter Sofia Coppola wurde für ihr Drehbuch zu „Lost In Translation“ und sein Neffe Nicolas Cage als Bester Hauptdarsteller in „Leaving Las Vegas“ ausgezeichnet. Eher im Hintergrund hielt sich dagegen stets Eleanor Coppola, die Ehefrau des Clanpatriarchen Francis. Sie war bisher so etwas wie die offizielle Hinter-den-Kulissen-Chronistin des familiären Filmschaffens und hat neben ihrer aufsehenerregenden Dokumentation „Reise ins Herz der Finsternis“ über die stürmische Entstehungsgeschichte von „Apocalypse Now“ auch Making-ofs für ihre Kinder Roman („CQ“) und Sofia („Marie Antoinette“) gedreht. Nun setzt Eleanor allerdings eine eigene rekordverdächtige Marke und gibt im Alter von 80 Jahren ihr Regiedebüt bei einem Spielfilm. Aber auch wenn die federleichte Road-Trip-Romanze „Paris kann warten“ autobiografische Züge trägt, wirkt der sonnendurchflutete und oft durchaus charmante Bilderreigen über weite Strecken nicht viel persönlicher als eine herkömmliche Feinschmecker-Doku oder ein touristischer Frankreich-Werbefilm.
In Cannes ist gerade das jährliche Filmfestival zu Ende gegangen. Der Produzent Michael Lockwood (Alec Baldwin) wollte eigentlich noch ein paar Tage mit seiner Frau Anne (Diane Lane) in Frankreich verbringen, aber dann kommt ihm ein wichtiger Termin in Budapest dazwischen. Anne entscheidet sich, ihren Mann nicht nach Ungarn zu begleiten, stattdessen will sie mit dem Zug nach Paris vorausfahren. Nach einigem Hin und Her bietet Michaels französischer Geschäftspartner Jacques Clément (Arnaud Viard) an, Anne im Auto nach Norden zu fahren. Sie nimmt das Angebot an und geht davon aus, noch am selben Abend in Paris einzutreffen. Doch Jacques nutzt die Gelegenheit zu einigen Abstechern und unterbricht die Fahrt immer wieder – so wird aus dem Tagestrip eine denkwürdige mehrtägige Frankreichreise…
Wenn sich Alec Baldwin („30 Rock“) als Big-Shot-Filmproduzent darüber beschwert, dass die Flasche Wasser im Hotel zwölf Euro kostet, dann geht es nicht darum, dass er sich das nicht leisten könnte. Stattdessen wird dem Zuschauer so signalisiert, dass auch der an Luxus gewöhnte Showbiz-Promi, der im Privatjet zum nächsten Termin düst, nicht die Bodenhaftung verloren hat. Das passt zu der Bescheidenheit dieses Films: Eleanor Coppola bemüht sich erkennbar darum, dass ihr spätes Debüt nicht als eine Art Schlüsselroman gelesen wird, auch wenn sie eine ausgeartete Autofahrt von der Côte d’Azur nach Paris, die sie 2009 mit einem Bekannten unternommen hat, zu dem Film inspiriert hat. Sie verkneift sich das Namedropping, auch gibt es keine Gastauftritte aus dem berühmten Familien- und Bekanntenkreis. Es lassen sich höchstens hier und da liebevolle kleine Anspielungen etwa auf den Musikgeschmack von Sofia oder auf den Weinliebhaber Francis erkennen und wenn Anne und Jacques das Institut Lumière in Lyon besuchen, dann darf ein bewundernder Blick auf jene wundersamen Apparate nicht fehlen, aus denen das Kino einst hervorging und denen die Coppola-Produktionsfirma American Zoetrope ihren Namen verdankt. Die Zurückhaltung der Regisseurin betrifft letztlich auch die Figurenzeichnung – vor allem die Protagonistin bleibt trotz der einfühlsam-natürlichen Darstellung durch Diane Lane („Untreu“, „Man Of Steel“) blass, und so etwas wie einen dramatischen Puls hat der Film gar nicht erst.
Auch am Ende des Films ahnt man kaum, wie sich Anne in ihrer Ehe oder in ihrem Leben wirklich fühlt – dass die Hobby-Fotografin (sie knipst bevorzugt das Essen in den Nobelrestaurants) ihre Aufnahmen nun endlich auch mal dem Gatten zeigen will, ist da schon ein Durchbruch. Arnaud Viard als Jacques darf unterdessen nicht viel mehr als den „typisch französischen“ Hallodri mit starkem Akzent spielen, was er allerdings mit beachtlichem Charme tut. Der „Konflikt“ – sie will so schnell wie möglich nach Paris, er nutzt jeden Vorwand für einen Umweg, um sie auf diese oder jene Weise zu verführen – wird hier auf einige fast schon keusche Wortgeplänkel reduziert. So tritt der zwischenmenschliche Aspekt der Reise - das Kennenlernen, das Flirten, das Staunen, das Zweifeln - in den Hintergrund gegenüber der wahren Attraktion des Films: Frankreich. Jacques präsentiert Anne und Eleanor präsentiert uns einige der schönsten Flecken, imposantesten Bauwerke, besten Restaurants und interessantesten Orte unseres Nachbarlandes. Fast alle Außenaufnahmen leuchten verführerisch und sind mit einem sorgfältig ausgewählten Wohlfühlsoundtrack für den gehobenen Geschmack unterlegt. Geradezu erotische Spannung kommt zumindest beim natürlich ausgiebig zelebrierten Essen auf, etwa wenn eine Auswahl unwiderstehlicher Schokoladendesserts aufgetischt wird, und das Fernweh rührt sich, wenn die Reisenden mal wieder einen Umweg machen und dabei auf eine pittoreske Flussbiegung oder eine erhabene Kathedrale stoßen: „Paris kann warten“ ist das Traumporträt eines Urlaubslandes.
Fazit: Mit 80 Jahren feiert Eleanor Coppola ihren Einstand als Spielfilmregisseurin und beschert uns mit ihrer Sommer-Romanze „Paris kann warten“ eine genießerische Liebeserklärung an das Urlaubsland Frankreich.