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    The Piano Lesson
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Piano Lesson

    Eher ödes Theater – wenn auch mit einem großartigen Ensemble!

    Von Lutz Granert

    Zumindest was das Theater angeht, war der Dramatiker August Wilson DER Chronist der afroamerikanischen Erfahrung im 20. Jahrhundert schlechthin. Speziell mit seinem sogenannten „The Pittsburgh Circle“ arbeitete sich der US-Theaterautor in insgesamt zehn Bühnenstücken, die jeweils in einer der zehn Dekaden des 20. Jahrhunderts angesiedelt sind, am Zusammenleben und dem Alltag der afroamerikanischen Community ab. Das wohl bekannteste unter ihnen ist das 1987 uraufgeführte Stück „The Piano Lesson“, in dem er eine Familiengeschichte mit Sklaverei-Erfahrungen und übernatürlichen Elementen verknüpft – und für das er 1990 mit dem Pulitzerpreis für das beste Drama ausgezeichnet wurde. Zwei Jahrzehnte (und eine in Deutschland nie gesendete Fernsehadaption) später wurde das Stück wiederentdeckt.

    Zuletzt wurde es in einer mit dem Tony-Award (der Theater-Oscar) ausgezeichneten Inszenierung 2022 am Broadway gespielt. Zum Ensemble gehörten damals Samuel L. Jackson, John David Washington, Ray Fisher und Michael Potts. Das Quartett übernahm nun auch in der Filmadaption erneut seine Rollen. Nachdem Oscar-Preisträger Denzel Washington mit „Fences“ (2017) bereits eine eigene und feinfühlige Filmadaption eines Wilson-Theaterstücks aus dem „Pittsburgh Circle“ inszenierte, verhalf der „Gladiator II“-Star als Co-Produzent bei „The Piano Lesson“ seinem jüngsten Sohn Malcolm Washington zu seinem Regiedebüt – und seinem ältesten Sohn John David Washington („Tenet“) zu einer weiteren Hauptrolle. Am Ende ist es aber die spielfreudige Darstellerriege des Familienclans, die das ansonsten ziemlich behäbig inszenierte Netflix-Drama über die Zeit rettet.

    Boy Willie (John David Washington) hat einen festen Plan – mit dem Geld für den Verkauf des Pianos will er sich seine berufliche Zukunft finanzieren. Netflix
    Boy Willie (John David Washington) hat einen festen Plan – mit dem Geld für den Verkauf des Pianos will er sich seine berufliche Zukunft finanzieren.

    1936: Zusammen mit seinem guten Freund Lymon (Ray Fisher) fährt Boy Willie (John David Washington) aus dem US-Bundesstaat Mississippi nach Pittsburgh, Pennsylvania. Hier will er geerntete Wassermelonen verkaufen und seine Familie besuchen. Seine Schwester Berniece (Danielle Deadwyler), deren Tochter Maretha (Skylar Aleece Smith) und sein Onkel Doaker (Samuel L. Jackson) leben unter einem Dach zusammen. Durch den Erlös aus dem Verkauf der Wassermelonen und eines alten Pianos, das in Bernieces’ Zuhause steht, will sich Boy Willie eigenes Farmland zum Bewirtschaften kaufen. Doch weder sein Onkel noch seine Schwester wollen das Familienerbstück hergeben, selbst wenn es für einen guten Zweck ist...

    Inwiefern das mit kunstvollen Holzschnitzereien versehene Musikinstrument mit der eigenen tragischen Familiengeschichte rund um Sklaverei und Rassismus in Verbindung steht, wird bereits in den ersten fünf Filmminuten in kurzen Schnipseln angedeutet. Aber erst nach einer Dreiviertelstunde wird es in einer umfassenden Rückblende wirklich erzählt. Bis dahin tritt „The Piano Lesson“ zunächst einmal dramaturgisch auf der Stelle, wenn Boy Willie vor ständig neu hinzustoßenden Charakteren wiederholt von seinen Plänen, Bernieces Widerstand und einer düsteren Legende rund um den rätselhaften Brunnensturz des beleibten Farmers Sutter erzählt. Das Drama gerät im ersten Drittel reichlich zäh, woran Malcolm Washington mit seiner steifen, bühnenhaften Inszenierung entscheidenden Anteil hat.

    Eine symbolische Last

    „The Piano Lesson“ spielt, von einer Handvoll Außenaufnahmen abgesehen, weitgehend in Bernieces Wohnzimmer, das auf Dauer jedoch keine wirklichen Schauwerte bereithält. Die eher öden Einstellungen in Verbindung mit den repetitiven Dialogen sorgen so eher für angestaubtes Theaterfeeling als für großes Kino. Nur selten sind Flashbacks mit ungleich kraftvolleren Bildern zur Auflockerung der bleiernen Szenerie eingewoben, von denen dann auch die meisten direkt im – wesentlich mehr Dynamik versprechenden – Trailer gelandet sind.

    Die Gespräche und damit der Plot nehmen erst nach dem Bekanntwerden der familiären Hintergrundgeschichte wirklich Fahrt auf. Das Beziehungsgeflecht wird zunehmend komplexer und Berniece erhält gleich von zwei Beteiligten unerwartete Avancen. Das zentnerschwere Piano gerinnt dabei zur Metapher für eine Bürde, die auf den Schultern der gesamten black community lastet. Auch wenn Doakers guter Freund Wining Boy (Michael Potts) einst daran gescheitert ist, stellt sich die Frage: Kann die Schwarze Minderheit auch abseits einer Karriere als Musiker in angeseheneren Jobs Fuß fassen und sich frei machen von den auch gedanklichen Fesseln der entwürdigenden Unterdrückungserfahrung? Will sie sich unauffällig verhalten, oder den Weißen forsch die Stirn bieten?

    Onkel Doaker (Samuel L. Jackson) will das Piano auf keinen Fall hergeben, es bedeutet für ihn und die Geschichte seiner Familie einfach zu viel. Netflix
    Onkel Doaker (Samuel L. Jackson) will das Piano auf keinen Fall hergeben, es bedeutet für ihn und die Geschichte seiner Familie einfach zu viel.

    Bei so vielen gesellschaftspolitischen Fragestellungen, die symbolisch wie tatsächlich ins Holz des Pianos eingeritzt sind, ist es kein Wunder, dass den verstaubten Saiten am Ende in einem regelrechten Exorzismus die Dämonen ausgetrieben werden. Das ist dann auch eine seltene (zunächst befremdlich anmutende, aber stimmige) Szene, in der sich der Regiedebütant Washington mit knarzenden Dielen, flackernden Lichtern, einer Parallelmontage sowie schnellen Schnitten tatsächlich einmal explizit filmischer (wenn auch etwas abgenutzter) Stilmittel bedient.

    Getragen wird die anstrengende Klavierstunde von einem spielfreudigen Ensemble. Danielle Deadwyler („Till – Kampf um die Wahrheit“) offenbart hinter ihrer rauen Schale als strenge, verbitterte Mutter eine fragile Verunsicherung bei der Auseinandersetzung mit der Familienhistorie, die sie einst in den christlichen Glauben getrieben hat. Ray Fisher („Rebel Moon“) legt den tumben Lymon herrlich unbedarft an – besonders, wenn er Wining Boys plumpen Verkaufstricks aufsitzt. Und Samuel L. Jackson („Pulp Fiction“) ist als väterlicher Erklärer einmal mehr über jeden Zweifel erhaben – selbst wenn sein angeklebt wirkender Oberlippenbart etwas befremdlich wirkt.

    Fazit: Auch wenn der auf sehr ausgewählte Szenen zurückgreifende Trailer etwas anderes verspricht, ist die Filmadaption eines meisterhaften Theaterstücks stilistisch weitgehend hölzern geraten. Debütregisseur Malcolm Washington kann sich zwar auf sein spielfreudiges Ensemble verlassen, hätte sich aber ansonsten ruhig noch mehr von seinem berühmten Vater abschauen sollen. Denzel Washington hat mit seiner eigenen Wilson-Verfilmung „Fences“ schließlich aus einem ganz ähnlichen Theaterstück sehr viel mehr herausgeholt.

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