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    Tatort: Das Recht, sich zu sorgen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Das Recht, sich zu sorgen
    Von Lars-Christian Daniels

    Gut ein Jahr ist es mittlerweile her, dass der erste „Frangn-Dadord“ auf Sendung ging: Max Färberböcks „Tatort: Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ verfolgten im April 2015 über 12 Millionen Zuschauer. Mit dem Debüt von Fabian Hinrichs und Co. landete der Bayerische Rundfunk in Sachen Einschaltquote einen Volltreffer, und vielleicht lag das große Interesse des Publikums neben dem großangekündigten Lokalkolorit auch an den eigenen Marketingmaßnahmen: Über keinen zweiten „Tatort“ wird während der Dreharbeiten und im Vorfeld der TV-Premiere so viel berichtet wie über die Beiträge aus Franken. Der Sender hat extra einen eigenen Blog für seinen Krimi eingerichtet und zeigt sich in den sozialen Netzwerken sehr aktiv. Auch über Andreas Senns „Tatort: Das Recht, sich zu sorgen“ wurde wieder reichlich gebloggt, getwittert und gepostet – aber ist dieser Online-Trubel im Vorfeld gerechtfertigt? Viel Rauch um wenig, könnte man ernüchtert resümieren: Der zweite „Tatort“ aus dem Frankenland ist zwar ein solide inszenierter Krimi, doch Spannung und Raffinesse lässt der Film über weite Strecken vermissen.

    Ein junger Doktorand (Nils Strunk) im Anatomischen Institut der Würzburger Universität staunt nicht schlecht, als er einen Schädel entdeckt, der nicht zum restlichen Skelett passt: Er ist deutlich jünger als in den Leichenpapieren vermerkt. Wem gehört er? Institutsleiterin Magdalena Mittlich (Sibylle Canonica) sucht Rat beim Polizeipräsidenten Dr. Mirko Kaiser (Stefan Merki), mit dem sie privat befreundet ist, und Kaiser lässt seine Mordkommission verdeckt im Institut ermitteln. Dabei haben die Hauptkommissare Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs), die Kommissare Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) und Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) sowie Spurensicherungsleiter Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) eigentlich ganz andere Sorgen: Die junge Steffi Schwinn (Barbara Prakopenka) hat im Wirtshaus ihrer Eltern die Leiche ihrer Mutter gefunden. Ihr Vater Holger (Jörg Witte) ist derweil mit einer Jagdwaffe in den Wald geflohen. Und dann ist da noch die ältere Dame Lydia Eichbaum (Tessie Tellmann), die vorm Nürnberger Präsidium aus Protest ein Zelt aufgeschlagen hat: Sie will sich nicht damit abfinden, dass die Polizei ihren verschwundenen Sohn nicht suchen will...

    Als die Schweizer Schauspielerin Sibylle Canonica („Saphirblau“) 2011 die Mörderin im „Tatort: Borowski und die Frau am Fenster“ mimte, kam unter dem Strich eine der besten Kieler „Tatort“-Folgen dabei heraus: In der Rolle der einsamen Charlotte Delius lieferte sie sich ein packendes Duell mit Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg), den seine Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) erst in letzter Sekunde aus den Fängen der eiskalten Killerin befreien konnte. Canonicas letzter Auftritt im spannungsarmen Konstanzer „Tatort: Chateau Mort“ fiel da schon deutlich unspektakulärer aus, und auch im „Tatort: Das Recht, sich zu sorgen“ darf die Charakterdarstellerin nur wenig zeigen: Drehbuchautorin Beate Langmaack („Blaubeerblau“) quetscht gleich drei parallel laufende Geschichten in ihr erstes „Tatort“-Skript, ohne diese am Ende zusammenzuführen. Dieser ungewöhnliche Ansatz geht nur bedingt auf, denn die unzähligen Nebenfiguren nehmen sich gegenseitig den Raum zur Entfaltung. Das gilt auch für die Kommissare: Während Goldwasser nach Feierabend mit Präparator Lando Amtmann (Jan Krauter) auf Tuchfühlung gehen darf, gibt Kollege Fleischer kaum mehr als drei, vier witzlose Bemerkungen von sich.

    So geschickt die Handlungsstränge durch die Einsamkeit und Verzweiflung der leidtragenden Figuren motivisch miteinander verknüpft werden, so sehr fehlt es dem zweiten „Franken-Tatort“ an raffinierten Wendungen und Spannungsmomenten, die für einen Sonntagskrimi nun mal elementar sind. Als Whodunit zum Miträtseln eignen sich die drei Geschichten auch nicht recht: Wer die Gastwirtin getötet hat, klärt sich dank einer Überwachungskamera schon nach einer halben Stunde, dem Fall der alten Dame vorm Präsidium hingegen fehlt es komplett an Hintergründen. Außer Ringelhahn interessiert sich ohnehin niemand für die Frau, obwohl der Krimi ihrem Schicksal seinen kryptischen Titel verdankt – und wenn die vielbeschäftige Hauptkommissarin sich beim Chef über die hohe Auslastung beschwert („Wir haben einen mutmaßlichen Mörder, der hockt in irgendeinem Wald, und wir sollen uns vier Jahre alte Knochen angucken?“), in der direkt anschließenden Sequenz aber die Zeit für ein gemütliches Kaffeekränzchen findet, wirkt das ziemlich inkonsequent. Die reizvollste Geschichte ist die vom geheimnisvollen Schädel im Institut, bei der wir nebenbei spannende Fakten über die Anatomie des Menschen erfahren – leider platzieren die Filmemacher aber mehrere überdeutliche Hinweise auf die spektakuläre Leichenbeseitigung und den Täter, so dass die endgültige Auflösung nur Formsache ist.

    Auch das von Sender, Schauspielern und Fans beschworene Lokalkolorit – vom fleißigen „Fränkeln“ des Spurensicherungsleiters Schatz (Comedian Matthias Egersdörfer) mal abgesehen – ist weniger ausgeprägt, als man erwarten sollte: Außer einer kurzen Sequenz auf der Würzburger Festung und einigen Panorama-Aufnahmen gibt es nur wenig von der Stadt zu entdecken, weil viel am Waldrand, in Forschungsräumen und auf beliebig wirkenden Autobahnrastplätzen gedreht wurde. Rein handwerklich kann sich der 988. „Tatort“ allerdings sehen lassen: Regisseur Andreas Senn („Kein Entkommen“) und Kameramann Holly Fink („George“) tauchen den melancholisch angehauchten Krimi in stimmungsvolle Bilder, wie sie bereits den ersten „Franken-Tatort“ von Max Färberböck auszeichneten. Auch der Humor kommt nicht zu kurz: Voss und Ringelhahn geben sich bei ihrem Undercover-Einsatz spontan als geduldige Eltern von Kollegin Goldwasser aus, die sich an der Würzburger Uni angeblich über ein mögliches drittes Studium informieren will. In diesen Momenten ist der „Franken-Tatort“ nah dran an den humorvollen Beiträgen aus Münster oder Weimar – und das auf angenehm natürlich wirkende Weise.

    Fazit: Andreas Senns „Tatort: Das Recht, sich zu sorgen“ ist ein wenig aufregender, aber souverän inszenierter Krimi, der nicht ganz an den Vorgänger aus Franken heranreicht.

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