Großartiges Duo, frustrierender Rest
Von Oliver KubeMit einer eklektisch anmutenden Mischung aus Auftritten in Blockbustern und Indie-/Arthouse-Projekten avancierte Katherine Waterston in den vergangenen Jahren nicht nur zu einem vielbeschäftigten, sondern vor allem auch zu einem der vielseitigsten und besten Stars in Hollywood. Ihre enorme Bandbreite bewies sie mit grundverschiedenen, aber immer überzeugenden Darbietungen in so unterschiedlichen Filmen wie „Mid90s“, „Inherent Vice“, „Logan Lucky“, „Alien: Covenant“ oder der „Phantastische Tierwesen“-Reihe. Dabei ist Waterston in der Lage witzig zu sein, für Spannung zu sorgen oder mit allen möglichen Partnern zu harmonieren – selbst wenn diese nur am Computerbildschirm erschaffen wurden. Ebenso hat sie die im Star-Betrieb so wichtige Fähigkeit, ganz allein die Leinwand zu füllen und den Zuschauer mitzureißen.
In „State Like Sleep“ von Regisseurin Meredith Danluck („North Of South, West Of East“) steht der in London geborenen US-Amerikanerin nun mit Michael Shannon ein Kollege gegenüber, dessen Karriereweg ihrem ähnelt. Auch Waterstons aus unterschiedlichen Filmen wie „Mud“, „Man Of Steel“, „Loving“ oder „Shape Of Water“ bekannter Landsmann begeistert nicht nur mit seiner unberechenbaren Rollenwahl, sondern auch immer wieder mit seiner oft überraschend unterhaltsamen, aber vor allem faszinierend vielschichtigen Darstellung. So verwundert es auch nicht, wie sehenswert diese grandiose, sich magnetisch anziehende Paarung ist. Allerdings kann der Rest des hochkarätig besetzten Neo-Noir-Thriller-Dramas da nicht mithalten.
Katherine Waterston überzeugt einmal mehr.
Vor einem Jahr beging Katherines (Katherine Waterston) Ehemann Selbstmord. Damals lebten sie und ihr Filmstar-Gatte Stefan (Michiel Huisman) in dessen Heimatstadt Brüssel. Mittlerweile ist die Fotografin zwar wieder zurück in New York, aber sie leidet nach wie vor unter dem Verlust. Daher bittet sie ihre Mutter Elaine (Mary Kay Place), letzte Formalitäten bezüglich der Hinterlassenschaft für sie in Belgien zu erledigen und will auf dieser Weise auch ihrer herrischen, offen feindseligen Schwiegermutter Anneke (Julie Khaner) aus dem Weg gehen. Als Elaine aber vor Ort einen Schlaganfall erleidet, muss Katherine doch noch einmal zurück nach Europa und sich den Erinnerungen an die letzten Tage mit dem bisweilen sensiblen und liebevollen, dann wieder unerträglich-egozentrischen Stefan stellen. Dabei trifft die junge Frau auf dessen undurchsichtigen Jugendfreund, den Nachtclub-Besitzer Emile (Luke Evans), sowie Hinweise, dass Stefans Suizid möglicherweise ein Mord gewesen sein könnte. In diesem Gefühlschaos begegnet sie zu allem Überfluss ihrem sich auffällig seltsam verhaltenden Hotelzimmernachbarn Edward (Michael Shannon), der sie zu gleichen Teilen abstößt wie anzieht …
Wenn Katherine und Edward das erste Mal aufeinandertreffen, offenbart sich umgehend das ganze Potential, welches in „State Like Sleep“ steckt. Die Begegnung dieser zwei von Einsamkeit und seelischer Verirrung zerrissenen Menschen öffnet die Tür für eine dramatische Erzählung, die auch in pointierten Dialogen immer wieder durchscheint. Doch die auch für das Drehbuch verantwortliche Regisseurin Meredith Danluck schweift davon immer wieder ab, um daneben einen Thriller zu erzählen, der aber niemals richtig funktioniert. Vergeblich versucht sie Spannung zu erzeugen, wo eigentlich gar keine vorhanden ist. Dafür ist der Krimi-Plot viel zu schwach unterfüttert, besteht viel zu oft nur daraus, dass Katherine in irgendwelchen dunklen Gassen und Nachtclubs halbgar umrissene Ermittlungen führt, die nie wirklich Fahrt aufnehmen. Wie und weshalb Stefan zu Tode gekommen ist, ist längst nicht so interessant wie der offensichtlich intelligente und charmante, aber tief melancholische und mit einer dunklen Seite behaftete fremde Edward und die intensiven Momente zwischen ihm und Katherine.
Die in und um Toronto sowie in den Straßen von Brüssel gedrehte Geschichte mäandert über weite Strecken ziellos, mit gedämpftem, fast trance-artigem Tempo vor sich hin. Das mag von Danluck vielleicht sogar als Allegorie auf den Wesenszustand ihrer Hauptfigur so beabsichtigt sein, führt aber rasch zur Ermüdung und gleichzeitigen Frustration des Zuschauers. Zudem sind sämtliche Nebenfiguren wie die von Mary Kay Place („Being John Malkovich“) gespielte Elaine und die garstige Schwiegermutter (Julie Khaner, „Shimmer Lake“), aber auch der von Luke Evans („Professor Marston & The Wonder Women“) verkörperte Emile und Michiel Huismans („Spuk in Hill House“) Stefan viel zu eindimensional.
Die kalte Ausleuchtung und die oft sehr nah an die Gesichter herangehende, dann wieder statisch-distanzierte Kameraarbeit von Christopher Blauvelt („Mid90s“) sorgen durchaus für die richtige Neo-Noir-Stimmung und -Atmosphäre. Am Ende ist „State Like Sleep“ aber ein klassischer Fall von „Stil über Substanz“ – vieles an der optisch überzeugenden Geschichte ist zu plump und einfach ausformuliert, um wirklich mitzureißen. Anderes bleibt nur ungeschickt angedeutet. Ambiguität kann ein durchaus attraktives Werkzeug sein, nicht aber Vagheit und Unschärfe.
Fazit: Zwei spürbar ihr Bestes gebende Stars und einiges an Atmosphäre reichen nicht aus, um das von einem schwachen Drehbuch und fehlendem Tempo versenkte Thriller-Drama zu retten.