Sein ganzes künstlerisches Leben lang träumte der umtriebige Filmemacher und Tausendsassa Luc Besson („Léon - Der Profi“) davon, die verrückte 22-bändige Comic-Reihe „Valérian Et Laureline“ (gezeichnet von Jean-Claude Mézières und mit Texten von Pierre Christin) zu verfilmen. Bereits 1997 ließ sich der Regisseur bei seinem Kultfilm „Das fünfte Element“ vom Look der Comics inspirieren, aber für eine direkte Umsetzung war die Technik damals noch nicht reif. Als Besson dann aber James Camerons bahnbrechenden „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ zu Gesicht bekam, wusste der Franzose, dass die Stunde gekommen war und ließ 2010 sofort erste Konzeptzeichnungen anfertigen. Doch erst der große Überraschungserfolg seines Sci-Fi-Actioners „Lucy“, der 2014 satte 463 Millionen Dollar bei einem vergleichsweise geringem Budget einspielte, diente dann als endgültiger Geburtshelfer für „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten“ - denn erst damit war es ihm möglich, 180 Millionen Dollar für sein Traumprojekt einzusammeln, und das bei vollständiger kreativer Freiheit! Es ist nahezu undenkbar, dass ein großes Hollywood-Studio diesen 137-minütigen Wahnsinn durchgewinkt hätte - zu durchgeknallt, zu bunt, zu viel von allem! Und genau deswegen ist dieses mutige, auf spannende Weise unrunde Science-Fiction-Abenteuer, bei dem jeder einzelne ausgegebene Cent auf der Leinwand wiedererkennbar ist, ein Geschenk an Sci-Fi-Fans. Besson inszeniert eine höllisch unterhaltsame Achterbahnfahrt und versteckt die erzählerischen Schwächen galant hinter kühnen und atemberaubenden Bildern. „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten“ ist wie „Star Wars“ im LSD-Rausch!
Das 28. Jahrhundert: Die Regierungsagenten Valerian (Dane DeHaan) und Laureline (Cara Delevingne) befinden sich in heikler Mission. Auf Befehl des Verteidigungsministers (Herbie Hancock) stellen sie auf einem wuseligen Marktplatz den letzten Transmulator (eine Art Meerschweinchen, das alles, was man ihm in den Mund steckt, in hundertfacher Kopie wieder ausscheidet) des vor Jahrzehnten zerstörten Planeten Mül sicher. Doch nachdem sie das wertvolle Tierchen in ihren Besitz gebracht haben, erteilt ihnen Kommandant Arun Filitt (Clive Owen) einen noch viel wichtigeren Auftrag: Die galaktischen Mega-Raumstation Alpha, in der Tausende verschiedene Spezies zusammenleben, droht durch ein Virus von innen zerfressen zu werden, was Valerian und Laureline genauer untersuchen sollen. Aber dann kommen ihnen die Pearls in die Quere. Diese sanften Kreaturen sind die letzten Überlebenden der Apokalypse auf Mül. Sie entführen Kommandant Filitt, um ihrerseits an den Transmulator zu gelangen, der ihren Planet rekonstruieren und ihr Überleben sichern könnte…
Wenn Luc Besson mal wieder eine Filmidee hat, dann legt er mit seiner eigenen Produktionsgesellschaft EuropaCorp („Taken“-, „Transporter“- und „Taxi“-Reihe) normalerweise einfach los! 72 Credits als Produzent sind so seit 1983 schon zusammengekommen (und weitere Filme angekündigt). Bis er seine Vision für „Valerian“ adäquat auf die Leinwand bannen konnte, musste er sich allerdings etwas gedulden. Doch das Warten hat sich gelohnt! In Bessons Opus Magnum stecken mehr als 2.700 Spezialeffekte (zum Vergleich: in „Das fünfte Element“ sind es gerade mal 188): Der Detailreichtum dieser abgefahrenen Welt wäre früher schlicht nicht darstellbar gewesen. Doch nun leert Besson sein Füllhorn an Ideen genussvoll auf der Leinwand aus und zitiert dabei ohne Rücksicht auf Verluste die halbe Science-Fiction-(Film-)Geschichte – von „Planet der Affen“ und „Total Recall“, über Jules Verne bis zu „Star Wars“. Wenn der Regisseur dann auf dem Höhepunkt der Zitate explizit die Müllschlucker-Sequenz aus „Episode IV - Eine neue Hoffnung“ neu auflegt, ist das ein ironischer Gruß zurück an George Lucas, der sich für den Auftakt seiner legendären Sternensaga einst selbst von den Comics um Valerian und Laureline inspirieren ließ.
Die straffe erste halbe Stunde von „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten“, für den der sechste Band der Comics „Botschafter der Schatten“ lose als Vorlage diente, ist ein geniales Spektakel, bei dem Besson alle Register zieht und seine Fantasie wild galoppieren lässt. Nach einem amüsanten Prolog (zu David Bowies legendärem „Space Oddity“), der die Entwicklung der Erkundung des Universums mit Bildern der Begegnung mit immer menschenferneren Zivilisationen (ja, man schüttelt sich immer noch die Hand) zusammenfasst, präsentiert uns Besson die heile pastellfarbene Welt der friedliebenden Pearls (schöne Grüße an „Avatar“), bevor das kongeniale Agentenduo Valerian (im Hawaiihemd) und Laureline (in freizügig-schrägem Kleidchen) auf der ersten Mission in die Vollen geht. Die rasende Overkill-Action mit Virtual-Reality-Clou ist garniert mit schonungsloser Selbstironie und die beiden sich ständig neckenden Partner duellieren sich regelrecht mit markigen Sprüchen. Dane DeHaan („Chronicle“, „The Amazing Spider-Man“) spielt den Oldschool-Draufgänger und Frauenhelden Valerian herrlich arrogant und selbstverliebt, während Topmodel Clara Delevingne („Margos Spuren“) ihre Aufgabe als toughe und gleichzeitig clevere Laureline, die keineswegs im Schatten des Dandys Valerian steht, souverän meistert (nach ihrem miesen Auftritt in „Suicide Squad“ eine angenehme Überraschung).
Nach der krachenden Einführung, bei der in jeder einzelnen Einstellung so viel Kreativität steckt, dass man sich kaum daran satt sehen kann, zerfasert die Handlung zunehmend und bekommt einen episodischen Charakter. Besson nutzt dies für einige Abstecher abseits des zentralen Plots und zaubert dabei Gastauftritte von Stars wie Ethan Hawke („Boyhood“) als intergalaktischer Cowboy-Zuhälter und R’n‘B-Ikone Rihanna („Battleship“) aus dem Hut, die den Film etwa 15 Minuten lang als Formwandlerin Bubble bereichert und unter anderem eine spektakuläre Varieté-Bühnenshow beisteuert. Weniger Glück mit seiner (knappen) Leinwandzeit hat Clive Owen („Children Of Men“), der seiner komplett eindimensionalen (und undankbaren) Figur des Kommandeur Filitt nichts hinzufügen kann. Das liegt auch daran, dass Luc Besson den aus seiner eigenen Feder stammenden Dialogen nur eine sehr untergeordnete Rolle einräumt. Ganz klar: Der bombastische „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten“ ist vor allem ein Fest für die Augen.
Der Film steckt voller verrückter Einfälle, einer der besten davon sind die Shingouz. Das ist eine Rasse von flügellosen, etwa ein Meter großen Vögeln mit langen Rüsseln und entenartigem Watschelgang, die als dauerquasselnde Informationshändler immer auf der Suche nach einem einträglichen Deal sind. Man kann den stets im Trio auftretenden Wichten nie wirklich vertrauen und Laureline begrüßt sie mit einem vielsagenden Augenrollen, aber der Shingouz-Mischung aus gespielter Unschuld und fröhlicher Frechheit kann am Ende niemand widerstehen. Sie spielen sich in die Herzen des Publikums und landen in der Liste der amüsantesten außergalaktischen Sidekicks der Filmgeschichte ziemlich weit oben. Und sie sind längst nicht die einzigen fantasievollen Kreaturen in Luc Bessons abenteuerlicher Welt, in der scheinbar alles möglich ist. Man muss sich von diesem Film einfach berauschen lassen.
Fazit: Mächtiger, mächtiger Badabumm! „Das fünfte Element“-Regisseur Luc Besson geht mit seinem entwaffnend naiven, erzählerisch wilden, visuell überbordenden Science-Fiction-Opus „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten“ keine Kompromisse ein.