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    Die Macht des Bösen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Die Macht des Bösen
    Von Lutz Granert

    Während die Nationalsozialisten in Deutschland an der Macht waren, gelang nur einer der zahlreichen Attentatsversuche auf hochrangige NS-Funktionäre: Nach einem Anschlag am 27. Mai 1942 in Prag erlag Reinhard Heydrich, der stellvertretende „Reichsprotektor von Böhmen und Mähren“, seinen Verletzungen. Kein Wunder also, dass diese realen Ereignisse schon in einigen Spielfilmen aufgearbeitet wurden. Dem tschechoslowakischen Kriegsdrama „10 Uhr 30: Attentat“ (1965) und der US-Produktion „Das Sonderkommando“ (1975) sowie zuletzt „Operation Anthropoid“ (2016) ist jedoch gemein, dass sie die Geschichte ausschließlich aus der Perspektive der Attentäter erzählen. Im Kriegsdrama „Die Macht des Bösen“ von Regisseur Cédric Jimenez („Der Unbestechliche - Mörderisches Marseille“) wird den Widerstandskämpfern Jan Kubiš und Jozef Gabčík nun ein Charakterporträt von Heydrich selbst gegenübergestellt. Der Versuch, beide Seiten darzustellen, gerät aber allzu oberflächlich und so fehlt dem Film sowohl dramatische Spannung als auch inhaltliche Substanz.

    Nachdem er von Adolf Hitler 1941 nach Prag entsandt wurde, richtet Reinhard Heydrich (Jason Clarke), dem auch die Gestapo untersteht, im Namen der Nazi-Besatzer im sogenannten Reichsprotektorat Böhmen und Mähren ein Schreckensregime ein. Die tschechoslowakische Exilregierung in England beauftragt daraufhin die beiden Widerstandskämpfer Jan Kubiš (Jack O'Connell) und Jozef Gabčík (Jack Reynor) mit der Mission, in die besetzte Heimat zurückzukehren und Heydrich bei einem Attentat zu töten.

    In der ersten Hälfte wird in „Die Macht des Bösen“ zunächst die Geschichte von Reinhard Heydrich erzählt, bevor anschließend die tschechoslowakische Exilregierung in Großbritannien und ihre Unterstützer im Mittelpunkt stehen. Dabei zeigt der Film dieselben Schwächen wie seine in den deutschen Feuilletons kontrovers aufgenommene literarische Vorlage „HHhH“ (Himmlers Hirn heißt Heydrich) von Laurent Binet. Ähnlich wie der Ich-Erzähler im Roman bei der Charakterisierung der beiden Attentäter immer wieder zweifelt und bei allen historischen Unschärfen bloß nichts gravierend Falsches erfinden will, ist auch der am Drehbuch beteiligte Regisseur Cédric Jimenez darum bemüht, sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen.

    So wird Jan Kubiš zwar auch hier eine leidenschaftliche Romanze mit der Kollaborateurin Anna (Mia Wasikowska) unterstellt, bei der er in Prag unterkommt, doch dann bleibt die Verbindung völlig unmotiviert. Nur wenn es unverfänglich ist, lassen sich die Filmemacher auf Fiktives oder Spekulatives ein: Ob die Anekdote stimmt, dass sich Jan Kubiš und Jozef Gabčík auf der Ladefläche eines LKWs beim Trampen Richtung Krakau kennengelernt haben, ist beispielsweise völlig unerheblich. Und auch mit dem Kniff, all sein Handeln mit Heydrichs Boshaftigkeit zu erklären, wie etwa das zunehmend unterkühlte Verhältnis zu seiner perplexen Frau Lina (Rosamund Pike), die von den Umzugsplänen von Berlin nach Prag als Letzte erfährt, wähnt man sich offenbar auf der sicheren Seite.

    Dieser Weg des geringsten Widerstands mündet in eine mutlose Mischung aus Biopic, Beziehungsdrama und historischem Thriller ohne erkennbaren individuellen Zugriff. Es wird ohne wirklich nachvollziehbaren Plan ein Bogen von 1929 (Heydrichs Entlassung aus der Marine) bis zur NS-Vergeltungsaktion nach dem Attentat 1942 gespannt. Dem beliebig wirkenden Ansatz können auch die Schauspieler kaum etwas entgegensetzen. Jason Clarke („Terminator: Genisys“) bleibt in seiner Rolle als Heydrich blass und trägt einen angespannten Einheitsgesichtsausdruck zur Schau, während man der ungleich spielfreudigeren Rosamund Pike („Gone Girl“) als Lina die überzeugte Nationalsozialistin nicht so recht abnimmt.

    Während die Handlung vor sich hinplätschert, kann man als Zuschauer immerhin die aufwändige Ausstattung bewundern: Bei den beeindruckenden Kostümen und Kulissen wird deutlich, wohin das Budget von immerhin 27,8 Millionen Euro zum großen Teil geflossen ist. Die voluminöse und übertrieben emotionale Musikuntermalung von „Valerian“-Komponist Guillaume Roussel schießt indes häufiger übers Ziel hinaus, als sollte die fehlende innere Spannung mit bombastischen Klängen gleichsam übertüncht werden. Da hilft aber auch das dick aufgetragenem Orchesterbrimborium samt Orgel kaum, dazu bleibt der Film mit seinen beiden zunehmend ineinander verflochtenen Erzählperspektiven und seinen eindimensionalen Figuren einfach zu reißbrettartig.

    Fazit: Die Mischung aus Heydrich-Biopic und Kriegsdrama geht nicht auf – dazu fehlt es „Die Macht des Bösen“ an Tiefe und an Fokus. So bleiben vor allem die Schauwerte in Erinnerung.

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