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    Tatort: Zorn Gottes
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Zorn Gottes
    Von Lars-Christian Daniels

    Der erste „Tatort“ mit dem später zur Bundespolizei versetzten Hamburger LKA-Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring, „Da muss Mann durch“) ist bis heute der beste geblieben: Der deutsch-türkische Regisseur Özgür Yıldırım („Boy 7“) schuf 2013 mit dem starken „Tatort: Feuerteufel“ einen tollen Krimi, der reichlich Spannungsmomente und Lokalkolorit bot. Mit dem Abschied aus Hamburg versandeten die Falke-Krimis danach aber zunehmend im Mittelmaß – und vielleicht quittierte Schauspielerin Petra Schmidt-Schaller („Stereo“), die bis zu ihrem Abschied im „Tatort: Verbrannt“ Falkes Kollegin Katharina Lorenz spielte, auch deshalb im Oktober 2015 den Dienst. Beim Debüt ihrer österreichischen Nachfolgerin Franziska Weisz („Kreuzweg“) sitzt nun erneut Özgür Yıldırım auf dem Regiestuhl und widmet sich im „Tatort: Zorn Gottes“ einem brandaktuellen Thema: der Gefahr durch islamistische Terroranschläge in Deutschland. Zwar reicht der Film nicht an Falkes Debüt heran, doch auch Yildirims zweiter Beitrag zur Krimireihe ist sehenswert.

    Platsch! Die Leiche des Arabers Asis Berhan (Neil Malik Abdullah) klatscht in den Swimmingpool einer Villa in der Nähe von Hannover. Sie ist buchstäblich vom Himmel gefallen: „Rocky“ Kovac (Christoph Letkowski), der im Sicherheitsbereich des Flughafens arbeitet, hat Berhan in einem Abstellraum erschlagen und die Leiche unbeobachtet von allen Kameras im Triebwerk eines Flugzeugs verstaut. Kovac ist gemeinsam mit seiner hochschwangeren Freundin Laura (Claudia Eisinger) und seinem Halbbruder Mike (Alexander Wüst) als Schleuser tätig und wollte eigentlich den Terroristen Enis Günday (Cem-Ali Gültekin) ins Land bringen, verwechselte ihn aber und wäre womöglich enttarnt worden. Der Zufall will es, dass Bundespolizist Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) gerade im Terminal einen verdeckten Sicherheitstest durchführt: Weil auf die Schnelle keine anderen Kräfte verfügbar sind, stellt ihm die zuständige Polizeirätin Hellinger (Marie-Lou Sellem) die  Flughafeninspektorin Julia Grosz (Franziska Weisz) als Partnerin zur Seite. Gemeinsam suchen die beiden fieberhaft nach Kovac und Günday – denn der Kopf der Terrorzelle „Braunschweiger Brigade“ ist trotz der Verwechslung unerkannt eingereist und plant ein Attentat ...

    Nach dem Dortmunder „Tatort: Kollaps“, dem Hamburger „Tatort: Verbrannt“ und dem Stuttgarter „Tatort: Im gelobten Land“ beschwerte sich so mancher Zuschauer schon über die vermeintliche Einseitigkeit der Drehbücher: Nicht schon wieder was mit Flüchtlingen! Doch keine Sorge: Bundespolizist Falke bekommt es zwar wie schon 2014 im „Tatort: Kaltstart“ und im „Tatort: Die Feigheit des Löwen“ mit Schleusern zu tun, doch spielt die Flüchtlingsproblematik dieses Mal keine Rolle. Regisseur Özgür Yıldırım und Drehbuchautor Florian Öller, der in den vergangenen Jahren auch drei Rostocker „Polizeiruf 110“-Folgen schrieb, widmen sich vielmehr der Gefahr durch Terroranschläge und liefern mit dem obligatorischen Auftaktmord am Flughafen einen für die Krimireihe typischen Einstieg. Weil der Mörder jedoch feststeht und von dem nach seiner Ankunft in Deutschland vorübergehend in Gefangenschaft geratenen Terroristen Günday lange keine Gefahr ausgeht, stürzt der Film nach der gelungenen Einleitung in ein einstündiges Spannungsloch: Erst im Schlussdrittel befreit Öller seine Geschichte aus dem strikten „Tatort“-Korsett und entschädigt damit etwas für die spürbaren Längen im Mittelteil.

    Der 980. „Tatort“ wäre wohl deutlich spannender ausgefallen, hätten die Filmemacher die Suche nach dem Terroristen von Beginn an konsequent zugespitzt und den drohenden Anschlag in Hannover als Steilvorlage für einen Wettlauf gegen die Zeit genutzt: An den ähnlich gelagerten Serienhit „Homeland“ oder den hochspannenden „Tatort: Der Weg ins Paradies“, in dem Falkes Hamburger Vorgänger Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) 2011 eine Terrorzelle hochgehen ließ, reicht der „Tatort: Zorn Gottes“ bei weitem nicht heran. Die Filmemacher verlieren sich zwischenzeitlich in einer für die eigentliche Geschichte unwesentlichen Nebenhandlung, besonders überflüssig wirkt außerdem eine spontane Verabredung Falkes mit seinem Sohn Torben. So gestaltet sich auch der Übergang zum großen Showdown, bei dem die Opferzahl dramatisch ansteigt, zu hektisch: Fast könnte man meinen, hier wären die Hamburger „Tatort“-Kollegen Nick Tschiller (Til Schweiger) und Yalcin Gümer (Fahri Yardım) am Werk, die bei ihren bisherigen fünf Einsätzen (inklusive des im Kino gefloppten „Tschiller: Off Duty“) bekanntlich einen Leichenberg nach dem nächsten auftürmten.

    Auch mit der Glaubwürdigkeit ist es im „Tatort: Zorn Gottes“ nicht immer weit her: Die hochschwangere Laura wirkt als Mittäterin in einigen Szenen bemerkenswert agil, während Falke und Grosz die folgenreiche Verwechslung am Flughafen durch eine plötzliche Eingebung des Kommissars schlussfolgern. Für ihren ersten Einsatz, zu dem der grammynominierte Musikproduzent Mousse T. („Horny“) gemeinsam mit Peter Hinderthür den Soundtrack beisteuert, schlägt sich Falkes Partnerin dennoch wacker: Afghanistan-Rückkehrerin Grosz, die nach einer traumatischen Erfahrung den Dienst quittierte und am Flughafen Hannover einen ruhigeren Job suchte, bringt eben jene interessante Lebensgeschichte mit, die ihre oft blasse Vorgängerin Katharina Lorenz vermissen ließ. Mit ihrer Einsilbigkeit lockt sie ihren neuen Partner außerdem immer wieder aus der Reserve – Falkes Tonfall ist diesmal so schnodderig wie seit seinem Debüt im „Tatort: Feuerteufel“ nicht mehr. Man darf gespannt sein, wie es mit dem Bundespolizei-„Tatort“ in den nächsten Jahren weitergeht – Franziska Weisz jedenfalls ist eindeutig ein Gewinn für die Reihe.

    Fazit: Özgür Yıldırıms „Tatort: Zorn Gottes“ ist ein unterhaltsamer und brandaktueller Krimi, der allerdings etwas spät auf Touren kommt.

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