So unterscheidet sich die Ein-Mann-Landwirtschaft im Blockbuster und im Independentfilm: Wenn Matt Damon als auf dem Mars gestrandeter Mark Watney in „Der Marsianer“ (Budget: 108 Millionen Dollar) Kartoffeln züchtet, nutzt er dazu fein säuberlich in Plastik eingeschweißte menschliche Fäkalien. Wenn hingegen Martin McCann als namenloser Überlebender in „The Survivalist“ (Budget: etwa 1,5 Millionen Dollar) Kartoffeln pflanzt, dann onaniert er sogar drauf, um bloß kein Düngemittel zu verschwenden – und ja, er hält dabei auch prominent seinen Penis in die Kamera. Nach einem beunruhigenden Vorspann, in dem die Kamera an einem immer schneller steigenden (und dann plötzlich sehr steil abfallenden) Bevölkerungsgraf entlangfährt, wird in der ersten Viertelstunde des für den Preis der britischen Filmakademie BAFTA nominierten Survival-Thrillers von Langfilmdebütant Stephen Fingleton kein Wort gesprochen. Stattdessen beobachten wir den namenlosen Titelhelden in seinem postapokalyptischen Alltag und sehen, wie er mit einfachsten Hilfsmitteln auf seiner winzigen im Wald verborgenen Farm arbeitet, um so zumindest das Allernötigste zum Überleben zusammenzubekommen…
Der Schwemme an Filmen und Serien nach zu urteilen ist die Postapokalypse gerade „in“ wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr, wo sie ja tatsächlich nur einen Knopfdruck entfernt lag. Dabei wird sie in der Popkultur heute gerne noch mit Horden von Zombies („The Walking Dead“) oder mit rätselhaften Sci-Fi-Gesellschaftskonstrukten (von „Die Tribute von Panem“ bis „The Maze Runner“) gewürzt. Das größte Plus von „The Survivalist“ ist hingegen die Reduktion – der Zuschauer erfährt in den 104 Minuten kaum etwas über diese Zukunftswelt, dafür ist er aber umso näher dran am Überlebenskampf des Protagonisten: In den ersten Momenten erinnert die Mimik des mit einer unglaublichen Präsenz gesegneten Martin McCann („Titanic: Blood & Steel“) tatsächlich an ein zwar ängstliches, aber zugleich auch mit einem unbedingten Überlebenswillen ausgestattetes Tier. Seine Menschlichkeit erlangt der einsame Mann erst langsam zurück, als plötzlich Kathryn (Olwen Fouéré, „Cheyenne - This Must Be The Place“) und ihre Teenager-Tochter Milja (Mia Goth, „Nymph()maniac 2“) in seinem Garten auftauchen.
Das von einer tiefen (und hochberechtigten) Paranoia geprägte Spannungsverhältnis zwischen diesem Überlebenstrio ist das Herzstück von „The Survivalist“ – nach einer ersten Vereinbarung nur für eine Nacht (Sex mit Milja für etwas Essen und einen Schlafplatz) entwickelt sich nach und nach der vorsichtige Versuch eines Zusammenhaltens, selbst wenn der Verrat in jeder Sekunde lauert (die Farm gibt selbst für nur eine Person kaum genug her). Die subtilen Verschiebungen im Verhältnis der Drei zwischen Geheimnissen und Vertrauen sind hier derart faszinierend zu beobachten, dass es fast schon schade ist, wenn schließlich auch noch Angreifer von außen dazukommen und so den zuvor in sich abgeschlossenen Sozialkosmos aufbrechen. Und auf den in Rückblenden erzählten Subplot über das Schicksal des Bruders des Protagonisten hätte man ruhig auch verzichten können.
Fazit: Reduzierter Survival-Thriller, der seine Intensität vor allem aus dem instinktiven Spiel von Hauptdarsteller Martin McCann und dem übertreibungsfreien Entwurf eines postapokalyptischen Überlebenskampfes schöpft.
„The Survivalist“ läuft auf den Fantasy Filmfest Nights 2016 – hier geht’s zum vollständigen Programm.