Mehr Remix als Remake – und der knallt richtig pink rein!
Von Sidney ScheringAls Rosalind Wiseman 2002 „Queen Bees And Wannabes“ veröffentlichte, konnte sie unmöglich ahnen, welche Wellen ihre Analyse der Gruppendynamik bei Teenagerinnen schlagen würde. „30 Rock“-Komikern Tina Fey nutzte den Elternratgeber als Vorlage für ihr Drehbuch zu „Girls Club – Vorsicht bissig!“ – und schuf damit einen popkulturellen Dauerbrenner. Angeführt vom damaligen Jugendidol Lindsay Lohan gibt es in der Kult-Komödie zudem frühe Auftritte späterer Stars wie Rachel McAdams, Amanda Seyfried und Lizzy Caplan.
Haufenweise „Mean Girls“-Zitate sind inzwischen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen – und so wundert es nicht, dass das Kino-Phänomen 2017 als Bühnen-Musical adaptiert wurde. Und nun schließt sich der Kreis: Mit „Mean Girls – Der Girls Club“ bringen Samantha Jayne und Arturo Perez Jr. den Stoff zurück auf die Leinwand – und zwar als Adaption des Musicals (das ist übrigens genau derselbe Weg wie beim fast zeitgleich erscheinenden „Die Farbe Lila“). Das Ergebnis ist nicht etwa die Kopie einer Kopie einer Kopie, sondern ein rosafarben-schillernder Remix!
Cady Heron (Angourie Rice) hadert noch damit, sich als „die Neue“ an der North Shore High School in das bestehende Sozialgefüge einzugliedern. Als die lesbische Künstlerin Janis (Auli'i Cravalho) und ihr schwuler Kumpel Damian (Jaquel Spivey) dies bemerken, nehmen sie Cady unter ihre Fittiche. Vor allem haben sie einen dringlichen Hinweis an die 16-Jährige: Sie soll sich unbedingt von den populären „Plastics“ fernhalten, drei Freundinnen, die ihr Revier mit Zähnen und Klauen verteidigen. Besonders schlimm sei die manipulative Regina George (Reneé Rapp) – und ausgerechnet die zieht Cady sofort in ihren Bann.
Also wird Cady trotz der Warnungen selbst eine der „Plastics“: Die Geheimnishüterin Gretchen (Bebe Wood) vertraut ihr ab sofort jeden Gossip an, während das sexpositive Dummchen Karen (Avantika) extra gütig zu ihr ist. Und Regina? Die scheint Cady tatsächlich zu dulden, ja sogar zu fördern! Aber als die „Spitzenprädatorin“ der Schule herausfindet, dass Cady ein Auge auf ihren Ex Aaron Samuels (Christopher Briney) geworfen hat, fährt Regina die Krallen aus...
Die Musikvideo-erfahrenen Eheleute Samantha Jayne und Arturo Perez Jr. treiben der Musical-Vorlage schnell jede Bühnenhaftigkeit aus: Die Tanzszenen wirken kinetisch, die bewährten Stilmittel des Genres werden mit modernen medialen Einschüben gepimpt: Neben einer Gesangsmontage aus Social-Media-Videos wird Karens paradoxerweise ebenso stumpfer wie pointierter Song über die Möglichkeit, sich an Halloween ohne Repressionen besonders sexy anziehen zu können, im vertikalen Format eines Handyvideos eröffnet. Zwar weitet sich die eingängige Performance schließlich doch noch auf das sehr viel breitere Leinwandformat aus, aber das ändert nichts an Avantikas verniedlichendem „Hallo, liebe Follower“-Duktus – und sowieso scheint die ganze Choreografie wie für TikTok maßgeschneidert.
Ganz anders sieht es aus, wenn sich die klassischere Kunst- und Medienformen bevorzugenden Janis und Damian ausmalen, wie sie der despotischen Regina eins auswischen können: Ihre genüssliche Rachefantasie erstrahlt in Regenbogen-Pastelltönen und ist gespickt mit Requisiten sowie Kulissen im Bastelkurs-Look – als hätte sich eine Kunst AG an einem Remake von Taylor Swifts „You Need To Calm Down“-Musikvideo versucht. Eine befreiend-rebellische Solonummer, in der Janis allem Schuldrama entsagt, wird hingegen zur temporeichen Plansequenz ohne künstliche Farbfilter oder sichtbare Schnitte.
Dieser Abwechslungsreichtum zieht sich durch „Mean Girls“, ohne dabei je beliebig zu wirken: Jayne und Perez haben stets im Blick, welche Figur im Mittelpunkt einer Musicaleinlage steht und aus wessen Perspektive sie aufgezogen wird. Genau danach richten sich dann die Bildsprache, die Choreografien und sogar die Frage, wie ernsthaft oder ironisch das Musical-Element präsentiert wird. Für zusätzliche Würze sorgt Andrew Marcus' präziser Schnitt, der mitunter energisch zwischen den Perspektiven und damit auch dem angewandten Grad an ästhetischer Stilisierung hin und her springt.
Die damit einhergehende, dramatische Überhöhung gibt auch der Dynamik zwischen Cady und Regina zusätzlich Zunder: Cady betritt ihre neue Schule ein luftiges Liedchen trällernd, begleitet von einer schwerelos um sie fliegenden Kamera, als wäre sie eine Disney-Prinzessin. Reginas Nummern dagegen sind mit aggressiver Lichtdramaturgie, sich einer ihr wie im Sog nähernden Kamera und rasanten Schnitten extrovertierte Pop-Diva-Musikvideos, die die unschuldig-naive Cady anziehen wie das Licht die Motte. Reneé Rapps wuchtige Stimme und bombastisch-selbstbewusste Ausstrahlung in ihrer Rolle der Spitzenprädatorin tun dann ihr Übriges.
Obwohl Regina diesmal eine noch theatralischer auftretende Diva ist als damals Rachel McAdams' ikonische „Girls Club“-Schurkin, ist der Musicalfilm insgesamt allerdings spürbar freundlicher als der Kulthit von 2004 geraten: Beiläufige Pointen, die auf rassistischen oder homophoben Vorurteilen fußen, sind achtkantig rausgeflogen – und während sich die Teenie-Generation Anfang der Nullerjahre noch im Slutshaming probte, wird nun (augenzwinkernd) Kritik an vorschnellen Slutshaming-Vorwürfen geübt.
Da könnte man unken, dass die erneut für das Skript zuständige Tina Fey altersmilde geworden ist. Dabei sollte man dies gar nicht unbedingt als Selbstzensur verstehen, sondern eher als stimmige Aktualisierung: Alltagsrassismus und unverschämt ausgelebte Queer-Feindlichkeit haben in der hier in den Fokus genommenen Jugendkultur einfach weniger Platz. Dafür streift das Musical neu aufgekommene Brandherde wie Cyber-Gossip oder Online-Bullying. Insgesamt tauscht der Musicalfilm aber den böseren Biss des Originalfilms durch eine unbändige Sprunghaftigkeit – es bleibt also wild, wenn auch auf andere Weise.
Dass das Musical explizit den Nebenfiguren viel mehr Platz eingeräumt hat, wird in der Filmversion wieder zurückgefahren – auch den Plastics wird so etwas von ihrer Zeit im Scheinwerferlicht genommen, nicht zuletzt, weil zahlreiche Songs ersatzlos gestrichen oder zumindest gestrafft wurden. Das könnte Fans des Stücks enttäuschen. Doch es kommt dem Kinoerlebnis zugute: Anders als der Bühnenfassung geht dem Musicalfilm nach seinem turbulenten Auftakt nicht die Puste aus.
Das Filmteam konzentriert sich auf die besten Nummern, die Jeff Richmond & Nell Benjamin für die Bühne geschrieben haben – und sorgt zudem mit abwechslungsreicheren Arrangements für ein lebendigeres Gesamterlebnis. Davon angetrieben kann sich das Ensemble die Rollen mühelos zu eigen machen – und die „Selbst wenn wir uns nicht mögen, müssen wir uns nicht zerfleischen“-Botschaft kommt ihm glaubhafter von den Lippen als dem frecheren Cast von 2004.
Fazit: Die Krallen sind gestutzt, dafür schillert das Fell mehr denn je! „Mean Girls – Der Girls Club“ ist der zwar optimistischere, aber deshalb nicht weniger klangvolle und abwechslungsreiche Remix des bissigen Teenie-Kulterfolgs von 2004 (der in der offiziellen FILMSTARTS-Kritik mit 3 Sternen übrigens schamlos unterbewertet ist).