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    Die Taschendiebin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Taschendiebin
    Von Christoph Petersen

    Nach einem Hollywood-Abstecher („Stoker“ mit Nicole Kidman) kehrt Extrem-Regisseur Park Chan-Wook mit seinem historischen Erotik-Thriller „Die Taschendiebin“ in seine Heimat Südkorea zurück und verlegt die von dem Roman „Solange du lügst“ (im Original: „Fingersmith“) der Waliser Autorin Sarah Waters inspirierte Handlung ins von Japan besetzte Korea der 1930er Jahre: Die junge Taschendiebin Sookee (Kim Tae-Ri) will gemeinsam mit dem Heiratsschwindler The Count (Ha Jung-Woo) die reiche japanische Erbin Hideko (Kim Min-Hee) um ihr Vermögen bringen und lässt sich dazu von dieser als persönliche Dienerin anheuern. Sie zieht auf das abgelegene Anwesen, wo Hideko mit ihrem rare Bücher sammelnden Onkel (Cho Jin-Woong) lebt und das sie seit ihrer Kindheit nicht mehr verlassen hat. Zunächst läuft alles nach Plan, aber dann entwickelt Sookee Gefühle für ihre Herrin… Das klingt nach einem perfekten Stoff für den Schöpfer von „Oldboy“, aber trotz vieler vertrauter Themen und Motive bleibt Park hier deutlich hinter seinen besten Filmen zurück.

    Seine Filme sehen ja immer prächtig aus, aber mit „Die Taschendiebin“ übertrifft sich Park noch einmal selbst: Schon an Hidekos erhabenem Anwesen, das zur Hälfte nach japanischem und zur Hälfte nach britischem Stil erbaut und eingerichtet ist (inklusive eines Bücherkellers mit einer Kobra, Fallgittern und sonstigen *gewissen* Extras), kann man sich trotz der stolzen Lauflänge von 163 Minuten einfach nicht sattsehen. Das gilt übrigens auch für den Regisseur selbst, der ausgiebigst mit der Kamera durch einzelne Räume oder die umliegenden Gärten streift und dabei immer wieder Details des Dekors in Nahaufnahmen hervorhebt. Parks Stammkameramann Chung Chung-Hoon („Ich und Earl und das Mädchen“) hat zwar mit digitalen Kameras gedreht, dazu aber klassische anamorphe Linsen verwendet – das Ergebnis ist ein wahrhaft erlesener, atemberaubend schöner Look.

    Die Romanvorlage ist in drei große Teile gegliedert, diese Struktur behält Park Chan-Wook bei: Jedes neue Kapitel wird dabei mit einem großen Twist eingeleitet, der zugleich auch einen Perspektivwechsel mit sich bringt – so sieht man auch immer mal wieder dieselben Szenen, nur aus den Augen und mit dem Wissen einer anderen Person (der Vergleich zu Kurosawas berühmtem  „Rashomon“ ist definitiv zu hoch gegriffen, aber ein klein wenig geht es in die Richtung). Das Problem ist nur: Diese Wendungen sind keineswegs so überraschend oder bedeutsam, als dass allein sie das Publikum bei der Stange halten könnten - auf einen Knalleffekt der Marke „Oldboy“ wartet man zumindest vergeblich. Und der Heist-Plot an sich ist zwar von allerlei Einer-verarscht-den-anderen-verarscht-den-anderen-verarscht-den-anderen-Sperenzchen durchsetzt, aber die bewegen sich allesamt in sehr vertrauten Bahnen. Dafür begeistert die Chemie zwischen Kim Tae-Ri und Kim Min-Hee – eines der glaubhaftesten lesbischen Leinwandpaare seit „Blau ist eine warme Farbe“.

    Und damit sind wir auch bei der Frage, über die bei den Filmfestspielen in Cannes vor der Premiere im Wettbewerb am meisten gerätselt wurde: Wie extrem und kinky ist „Die Taschendiebin“ denn nun, schließlich ist Park in dieser Hinsicht (fast) alles zuzutrauen? Nun ja, die lesbischen Sexszenen sind zwar ebenso erlesen gefilmt wie der ganze Rest, aber die SM-Spielchen im Bücherkeller sind nicht nur für einen Film des „Oldboy“-Regisseurs vergleichsweise brav geraten, sie streifen auch immer wieder die Grenze zur biederen Altherrenphantasie. Das ist besonders schade, weil in der Handlung selbst durchaus explizite feministische Sprengkraft steckt, etwa wenn Sookee und Hideko in einer Szene die misogyne Schundliteratur des perversen Onkels zerstören. Aber als ausgesprochener Frauenfreund war Park schließlich noch nie bekannt.

    Fazit: Ein erlesen gefilmter und ausgestatteter Historien-Heistfilm mit Sexploitation-Touch und starken Darstellern – an Park Chan-Wooks Meisterwerke wie „Oldboy“ oder „Lady Vengeance“  reicht „Die Taschendiebin“ allerdings nicht heran.

    Wir haben „Die Taschendiebin“ im Rahmen der 69. Filmfestspiele von Cannes gesehen, wo der Film im Wettbewerb gezeigt wurde.

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