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    Tatort: Der große Schmerz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Der große Schmerz
    Von Lars-Christian Daniels

    Als der erfolgreichste deutsche Schauspieler und Filmemacher Til Schweiger („Keinohrhasen“) mit seinem ersten „Tatort: Willkommen in Hamburg“ 2013 eine Rekordquote einfuhr, war seine Freude nur von kurzer Dauer: Seine populären „Tatort“-Kollegen aus Münster setzten nur zwei Wochen später noch einen drauf. Nicht zuletzt dank Gaststar Roland Kaiser lockten Axel Prahl und Jan Josef Liefers mit dem humorvollen „Tatort: Summ, summ, summ“ über 13 Millionen Zuschauer vor den Fernseher. „Wenn wir jetzt Helene Fischer kriegen, holen wir den Rekord zurück“, kündigte Schweiger daraufhin in den Medien an – und was zunächst wie ein Scherz klang, setzte der NDR prompt in die Tat um. In Schweigers drittem „Tatort: Der große Schmerz“ – dem ersten Teil einer Doppelfolge, die wegen der Pariser Terroranschläge um sechs Wochen verschoben wurde – mimt die Schlagerqueen eine eiskalte Killerin (und macht ihre Sache gut). Regisseur Christian Alvart („Banklady“), der auch beim für Februar 2016 geplanten Kino-„Tatort: Off Duty“ am Ruder sitzt, inszeniert einen handwerklich überzeugenden Actionthriller, dessen Story allerdings Schwächen aufweist und so nur bedingt Neugier auf die Weiterführung in der Fortsetzung „Tatort: Fegefeuer“ weckt.

    Drei Jahre sind vergangen, seit der Hamburger LKA-Kommissar Nick Tschiller (Til Schweiger) und sein Partner Yalcin Gümer (Fahri Yardim) zum ersten Mal mit dem gefährlichen Astan-Clan aneinander gerieten. Mittlerweile sitzt der skrupellose Anführer Firat Astan (Erdal Yildiz) im Gefängnis, doch das hält ihn nicht davon ab, seinem Erzfeind weiter zuzusetzen: Er heuert einen russischen Hilfstrupp um die eiskalte Killerin Leyla (Helene Fischer) an und lässt Tschillers Tochter Lenny (Luna Schweiger) sowie seine Ex-Frau Isabella Schoppenroth (Stefanie Stappenbeck) entführen. Mit diesem Druckmittel fordert er von Tschiller, ihm bei einer von Innensenator Constantin Revenbrook (Arnd Klawitter) angeordneten Gefangenenüberführung nach Landshut die Flucht zu ermöglichen. Tschiller willigt hinter dem Rücken seines Teams ein – wohl wissend, dass Astan vom Knast aus einen großen Coup plant, mit dem er die Hansestadt in ihren Grundfesten erschüttern will. Tschillers Vorgesetzte Hanna Lennerz (Edita Malovcic) und Holger Petretti (Tim Wilde) ahnen ebenso wenig von dem Alleingang wie Assistentin Ines Kallwey (Britta Hammelstein). Nur Gümer schöpft Verdacht – und steht seinem von der Angst um die eigene Familie getriebenen Kollegen zur Seite ...

    Wir sind hier nicht in Texas“, ermahnt Yalcin Gümer seinen zu tödlicher Selbstjustiz neigenden Partner in einer Schlüsselszene des Films – und doch ist der 969. „Tatort“, der am 7. Januar 2016 auch als „Director’s Cut“ auf DVD und Blu-ray erscheint, näher dran an amerikanischem Genre-Kino als die meisten anderen Ausgaben der Krimireihe. Regisseur Christian Alvart, der bereits die ersten beiden „Tatort“-Folgen mit Nick Tschiller inszenierte, beweist trotz der inflationären Verwendung von Zeitlupe erneut sein gutes Gespür für die Inszenierung von Action und liefert gemeinsam mit Kameramann Jakub Bejnarowicz („Feuchtgebiete“) ansprechende Bilder, die die große Leinwand nicht scheuen müssten. Stammautor Christoph Darnstädt („Das Experiment“) setzt seine Geschichte um Tschiller und Astan derweil fort, ohne beim Zuschauer Vorwissen vorauszusetzen - auch wer die ersten beiden Folgen aus der Hansestadt verpasst hat, kann der einfach gestrickten Handlung problemlos folgen. Wer allerdings schon den „Tatort: Willkommen in Hamburg“ und den „Tatort: Kopfgeld“ nicht mochte, wird auch am „Tatort: Der große Schmerz“ kaum Gefallen finden: Raffinierte Wendungen, pfiffige Dialoge oder vielschichtige Charaktere sucht man in dem schnörkellosen Actionthriller vergebens. Einzig Killerin Leyla entpuppt sich als Figur mit Tiefgang, denn bei ihr verwischen die ansonsten überdeutlich gezogenen Grenzen zwischen Gut und Böse.

    Da diese Schlüsselrolle ausgerechnet der schauspielerisch unerfahrene Schlagerstar Helene Fischer stemmt (ihre bisher einzige TV-Rolle übernahm sie 2013 im ZDF-Quotenhit „Das Traumschiff“), behilft sich der NDR mit einem simplen, aber effektiven Trick: Die mordende „Eisprinzessin“ Leyla spricht trotz reichlich Kamerapräsenz nur wenige Sätze. Stattdessen funkelt die russische Ex-Prostituierte („Freundin wurde totgefickt, aber ich nicht!“) einfach durch grüne Kontaktlinsen, durch die ihr kalter Killerblick noch bedrohlicher wirken soll. Mit Sascha „Ferris MC“ Reimann, der auch den Titelsong zum zweiten Teil der Doppelfolge beisteuert, ist in der Rolle des brutalen Aleksej Brotzki ein weiterer Musiker mit von der Partie. Im „Tatort: Willkommen in Hamburg“ übernahm einst Boxer Arthur Abraham eine Nebenrolle – der Trend zu prominenten Gaststars setzt sich im Hamburger „Tatort“ also fort. Und es ergeben sich weitere Parallelen zu Schweigers Kino-Produktionen wie „Kokowääh“ oder „Honig im Kopf“: Der Star ist auch in seiner gefühligen Paraderolle als Vater gefordert. Trotz des reißerischen Krimititels wirkt der Großteil der Emotionen hier allerdings behauptet – da kann ihm Tochter Luna noch so schön in Zeitlupe um den Hals fallen.

    Im amerikanischen Actionkino kommt der Humor selten zu kurz, und das ist im „Tatort“ von der Waterkant nicht anders: Für den Großteil der Lacher ist Fahri Yardim („Halbe Brüder“, „Alles ist Liebe“) als Spaßvogel und Hackertalent Yalcin Gümer verantwortlich. Der „Hamburger Jung“ punktet mit trockenen Sprüchen – mit seinen permanenten Selbstgesprächen, die in einem albernen Monolog vor dem Spiegel gipfeln, übertreiben es die Filmemacher allerdings deutlich. Viel witziger fällt da zum Beispiel ein Bordellbesuch aus, bei dem Gümer eine Prostituierte mit üppiger Lockenfrisur „Valderrama“ nennt (die älteren Fußballfans werden sich erinnern). Sein Verhältnis zu Partner und Kumpel Nick Tschiller, der ihn über seinen Alleingang nur vage auf dem Laufenden hält („Du musst auch mal nen Pass spielen!“) wird am Ende hart auf die Probe gestellt – und auch angesichts einiger prominenter Todesfälle darf man durchaus gespannt sein, wie sich die Dinge im inhaltlich direkt anknüpfenden „Tatort: Fegefeuer“, den der NDR der Presse wegen angeblicher Spoiler-Gefahr nicht vorab zeigt, entwickeln. Dass darin auch der charismatische Bösewicht Firat Astan zurückkehrt, verdankt er einem dicken Logikloch im Drehbuch – es ist nicht das einzige, mit dem der dritte Schweiger-„Tatort“ zu kämpfen hat.

    Fazit: Alles für die Quote! In Christian Alvarts „Tatort: Der große Schmerz“ trifft Schlagerstar Helene Fischer auf Til Schweiger und Fahri Yardim. Das Ergebnis: ein handwerklich solider Actionthriller, der Tiefgang und Raffinesse aber vermissen lässt.

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