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    Stormskärs Maja - Von Liebe getragen, von Stürmen geprägt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Stormskärs Maja - Von Liebe getragen, von Stürmen geprägt

    Kleines Eiland, episches Leben

    Von Oliver Kube

    Åland ist eine größtenteils autonome Provinz Finnlands mit etwa 30.000 Einwohnern, fast alle von ihnen sprechen Schwedisch als Muttersprache. Das Archipel besteht aus 6.757 Inseln am Eingang des Bottnischen Meerbusens, von denen allerdings nur 60 von Menschen bevölkert sind. Auf einer von ihnen spielt das charakterstarke Historiendrama „Stormskärs Maja – Von Liebe getragen, von Stürmen geprägt“, die zweite Regiearbeit der auch als Schauspielerin („Grump“) bekannten Tiina Lymi. Die Story ist dabei im Grunde relativ simpel, wird mittels glaubhafter Einrahmung in historische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen aber angenehm breitgefächert aufbereitet. Auf visuell imposante Art gelingt Lymi zudem ein faszinierendes Porträt einer Zeit und eines Ortes, von dem die meisten von uns bislang sicherlich noch nicht einmal wussten, dass er überhaupt existiert.

    Mitte des 19. Jahrhunderts auf Åland: Die Teenagerin Maja (Amanda Jansson) wird gegen ihren Willen mit dem jungen Fischer Janne (Linus Troedsson) verheiratet, der sich bei ihrer ersten Begegnung gleich in das eigensinnige Mädchen verliebt hat. Ihr gefällt der schneidige Magnus (Christian Fandango Sundgren) aus dem Dorf zwar viel besser, doch was soll sie tun? Ihre ein einfaches Leben führenden Eltern (Tobias Zilliacus, Jonna Järnefelt) freuen sich über die Aussicht, ein Maul weniger stopfen zu müssen, und schon ist die Heirat beschlossene Sache. Da Janne als dritter Sohn seines ebenfalls eher armen Vaters keinerlei Erbschaft zu erwarten hat, muss das junge Paar für sich selbst sorgen. Janne hat die Idee, einen Kredit aufzunehmen und auf das weit abgelegene, bisher unbewohnte Inselchen Stormskär umzusiedeln, wo er sich größeren Erfolg beim Fischen verspricht. Nach anfänglichem Zögern stimmt Maja zu, hofft sie doch, dort ein weniger fremdbestimmtes Leben führen zu können…

    Auf der kleinen Insel Stormskär rieselt der Schnee ganz besonders leise. mindjazz pictures
    Auf der kleinen Insel Stormskär rieselt der Schnee ganz besonders leise.

    Der Alltag in der kleinen Hütte auf dem kargen Eiland ist hart und voller Herausforderungen. Doch gemeinsam bewältigen die sich dabei immer näherkommenden Eheleute ihn. Mit der Ankunft ihrer Kinder wird die Liebe nur noch stärker und zu einer für die damalige Zeit eher ungewöhnlichen, echten Partnerschaft. Doch dann bricht plötzlich ein Krieg zwischen dem Russischen Reich (zu dem das Großfürstentum Finnland damals gehörte) und Großbritannien aus. Janne taucht unter, um nicht deportiert zu werden, und Maja muss sich mit den Kindern allein gegen einen Trupp britischer Soldaten behaupten, die ihre kleine Heimat besetzen.

    Im Leben der Titelheldin passiert einiges – schließlich basiert der Film auf einer fünfteiligen (!) Roman-Reihe der Autorin Anni Blomqvist. Obwohl es sich hier um stattliche 164 Minuten handelt, wird die Länge nie zum Problem. Eher ist das Gegenteil der Fall. Wirkt die letzte Stunde doch leider ein wenig gehetzt und dadurch streckenweise holprig. Zuvor nimmt Lymi sich allerdings erfreulich viel Zeit, um ihr Publikum in die Geschichte einzuführen. Immer wieder kreiert sie dabei spezielle Momente, um uns die Charaktere oder die Situationen elegant, ohne plumpe Exposition zu erklären und vorwärtszubringen.

    Epische Bilder

    Diese Passagen werden von Chef-Kameramann Rauno Ronkainen („Frozen Land“) mit ästhetisch gefilmten Bildern der atemberaubenden, im Winter sogar noch ergreifenderen Landschaft und des schäumenden Meeres oder auch der ausdrucksstarken Gesichter begleitet. So erleben wir authentisch wirkende Einschübe wie Majas kleine Neckereien mit ihrer etwas älteren Schwester (Amanda Kilpeläinen Arvidsson) oder ihre Schattenspiele vor dem heimischen Kaminfeuer. Unterstützt werden Ronkainens Aufnahmen unaufdringlich, aber effektiv vom Score von Lauri Porra („Heavy Trip“), der Isolation und Verzweiflung, dann wieder Hoffnung oder Glück suggeriert.

    So zeigt die Filmemacherin uns eingangs geschickt die Verträumtheit und das noch Kindliche in Maja ebenso wie ihr jeweiliges Verhältnis zu den einzelnen Mitgliedern ihrer Familie. Später stellt sie auf ähnlich natürliche Weise dar, wie Janne und Maja sich auf der Insel beim Bau ihrer Hütte und den täglichen Verrichtungen dann endlich näherkommen. So nahe, dass die junge Frau bald ihren Mann an einem besonders stürmischen Tag lieber nicht hinaussegeln lassen will. „Versprich mir, dass du sofort umdrehst, sowie der Wind nur ein kleines bisschen zunimmt. Ich esse lieber für den Rest meines Lebens Heu, als es ohne dich verbringen zu müssen“, ruft sie ihm besorgt hinterher.

    In der Einsamkeit finden Maja (Amanda Jansson) und Janne (Linus Troedsson) doch noch zueinander. mindjazz pictures
    In der Einsamkeit finden Maja (Amanda Jansson) und Janne (Linus Troedsson) doch noch zueinander.

    Später sehen wir sie allein auf den Felsen in der Brandung stehen und besorgt nach Janne Ausschau halten. Als es dunkel wird, klaubt sie Reisig zusammen, um ein Signalfeuer anzuzünden, während sie – nachdem das Beten zu Jesus Christus offenbar nichts nutzt – heidnische Meeresgötter anfleht, ihr ihren Geliebten heimzubringen. Diese ebenso kraftvolle wie bewegende Soloszene wird von Amanda Jansson („Thin Blue Line“) mit vollem Einsatz gespielt. Und auch im restlichen Film bleibt die ihre Figur im Alter zwischen 16 und über 60 Jahren verkörpernde Schauspielerin immer glaubhaft und dabei erfrischend uneitel.

    Einige Randfiguren, wie ein paar besonders rüpelhafte Engländer oder der herablassende lokale Bankier (Carl-Kristian Rundman), wirken etwas stereotyp. Die neben Maja wichtigsten Parts sind allerdings durchgehend schlüssig charakterisiert und gut gespielt, sodass sie nicht wie Staffage wirken, sondern als integrale Teile der Handlung daherkommen. Auch sie tragen dazu bei, dass „Stormskärs Maja“ die berührende Chronik eines einfachen, aber sehr erfüllten Lebens geworden ist.

    Fazit: Der dramatische Kampf der Titelheldin gegen die unerbittliche Natur, Krieg, Einsamkeit, gesellschaftliche Vorurteile sowie alles andere, was das 19. Jahrhundert einer willensstarken Frau entgegenzuschleudern hatte, ist inspirierend erzählt und mit oft wunderschönen Bildern illustriert. Hauptdarstellerin Amanda Jansson agiert sehr stark und empfiehlt sich mit Nachdruck für weitere große Aufgaben.

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