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    Joy - Alles außer gewöhnlich
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Joy - Alles außer gewöhnlich
    Von Carsten Baumgardt

    Jennifer Lawrence hat mit nur 25 Jahren bereits einen Oscar (für „Silver Linings“) gewonnen sowie eine megaerfolgreiche Teenie-Reihe („Die Tribute von Panem“) hinter sich und sie ist nebenbei noch eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation. Das zeigt sie einmal mehr in David O. Russells tragikomischem und manchmal etwas hysterischen Biopic „Joy“: Sie verkörpert mit einer entwaffnenden Mischung aus natürlichem Charme und darstellerischem Feingefühl die unter chronischem Geldmangel und chaotischen Familienverhältnissen leidende Joy Mangano, die 1990 alles auf eine Karte setzte, um den von ihr erfundenen Miracle Mop auf den Markt zu bringen. Lawrence dominiert den auf wahren Begebenheiten beruhenden Film und rettet ihn vor dem Fall in die Durchschnittlichkeit, denn ihre dritte Zusammenarbeit mit Russell (nach „Silver Linings“ und „American Hustle“) leidet unter deutlichen erzählerischen Schwächen. „Joy“ ist zwar enorm kurzweilig und oft mitreißend emotional, aber die verunglückte Dramaturgie erinnert zuweilen an die schwer durchschaubaren Zustände in Manganos Familie.

    Schon seit ihrer frühen Kindheit träumt Joy Mangano (Jennifer Lawrence, als Kind: Isabella Crovetti-Cramp) davon, Erfinderin zu werden. Doch inmitten des Chaos in ihrem Elternhaus kann sie ihr Talent kaum entfalten. Joys entrückte Mutter Terry (Virginia Madsen) ist keine Hilfe, sie flüchtet lieber in die Parallelwelt von Telenovelas, ihr Vater Rudy (Robert De Niro), der einen kleinen Autoteilehandel betreibt, ist gerade von seiner Freundin rausgeschmissen worden und zieht in den Keller des alten Familienhauses. Dort wohnt allerdings auch schon Joys Ex-Mann Tony (Edgar Ramirez), der Vater der beiden gemeinsamen Kinder Christie (Aundrea Gadsby/Gia Gadsby) und Tommie (Tomas Elizondo/Zeke Elizondo). Als die von herkömmlichem Putzgerät frustrierte Joy einen neuartigen Wischmopp erfindet, bringt Rudy seine neue, wohlhabende Freundin Trudy (Isabella Rossellini) ins Spiel, die in den Miracle Mop investiert. Auch alle anderen Familienmitglieder wollen bei dem Geschäft mitmischen, aber erst als Joy bei der Suche nach Abnehmern an den Geschäftsmann Neil Walker (Bradley Cooper) vom einflussreichen Shopping-Sender QVC gerät, kommt Bewegung in die Sache ...

    Never change a winning team! Die alte Fußballer-Weisheit ist in Zeiten von „breiten Kadern“ und „Dauerrotation“ längst überholt, aber für Regisseur David O. Russell („The Fighter“, „Three Kings“) gilt sie noch. Sieht man von seinem größtenteils bereits 2008 gedrehten Unglücksprojekt „Accidental Love“ ab, hat der Filmemacher bei seinen drei jüngsten Werken „Silver Linings“, „American Hustle“ und „Joy“ jeweils mit den Superstars Jennifer Lawrence, Bradley Cooper und Robert De Niro (hatte in „American Hustle“ immerhin ein urkomisches Cameo) zusammengearbeitet. Russell weiß, was er an ihnen hat und setzt sie entsprechend ein. So mag Cooper („Hangover“) als QVC-Manager Neil Walker nicht unbedingt eine offensichtliche Besetzung sein, aber hier zählt vor allem die besondere Chemie zwischen ihm und Lawrence - und die kommt dann auch in „Joy“ wunderbar zur Geltung.

    In diesem recht holprig erzählten Film ist Jennifer Lawrence der Fels in der Brandung, dem die Sympathien des Publikums zufliegen. Ihre Joy behält in einem dauererregten Umfeld den Überblick und die Nerven, in jeder Sekunde spürt man, dass sie mehr kann als ihr die bei allen Problemen durchaus als liebenswert gezeichnete Chaos-Familie zutraut. Nur ihr Ex-Mann Tony, den Edgar Ramirez („Point Break“, „Carlos – Der Schakal“) als gutherzig-treues Anhängsel spielt, glaubt immer an sie und das geschiedene Paar verdient sich mit seiner rührenden Beziehung den Titel des „best divorced couple in America“. Robert De Niro („Der Pate II“, „Heat“) wiederum hat als kauzig-schelmischer Vater zumindest in der ersten Filmhälfte einen seiner besten Auftritte seit längerer Zeit. Sein hemdsärmeliger Rudy ist ein Hans Dampf in allen Gassen, er ist lustig, schrullig, liebenswert, bringt aber Joy nicht immer das Vertrauen entgegen, das sie verdient hat.

    Robert De Niros Rudy rückt auf der Zielgeraden allzu stark in den Hintergrund, das ist nur ein Beispiel für die dramaturgische Unausgewogenheit des Films. Nach einer sorgfältigen Einführung in das ganz spezielle Milieu von Joy und ihrer Familie sowie dem Hauptteil über die Erfindung und ihre Vermarktung geht es im finalen Akt erzählerisch drunter und drüber – nun werden Handlungswendungen durch unvermittelte Entwicklungen förmlich erzwungen. Dazu gibt es mit Joys biestiger Halbschwester Peggy (Elisabeth Rohm) eine problematische penetrante Zicken-Figur, die von Neid zerfressen wird. Ihre Funktion als Antagonistin ist ähnlich wie bei der von Isabella Rossellini („Blue Velvet“) gespielten Trudy sehr durchsichtig und plakativ angelegt, was allerdings durchaus zum märchenhaft-humorvollem Ton des Off-Kommentars von Joys Großmutter Mimi (Diane Ladd) passt, der in der recht komplizierten Rückblendenstruktur des Films für Zusammenhalt sorgt. Dabei hilft auch der superbe Soundtrack mit Songs von Ella Fitzgerald, The Rolling Stones, The Ronettes und Nat King Cole, der ebenso gute Laune verbreitet wie Jennifer Lawrence' Joy.

    Fazit: David O. Russell zeigt bei der herzerwärmenden Tragikomödie „Joy“ einmal mehr sein gutes Händchen für Schauspieler: Das von der herausragenden Jennifer Lawrence angeführte Ensemble hilft souverän über einige Unwuchten in der Erzählung hinweg.

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