Wodurch wird ein Mensch zu einem Mörder, zu einem Kriegsverbrecher, zu einem Serienkiller? In der jüngeren Vergangenheit wurde sich in mehreren Dokumentarfilmen mit dieser Frage auseinandergesetzt. Stefan Ruzowitztky beschäftigte sich in „Das radikal Böse“ mit den deutschen Einsatzgruppen, die während des Zweitens Weltkriegs in Osteuropa zwei Millionen Juden erschossen haben, und Barbara Eder zeigte in „Blick in den Abgrund“, was es bedeutet als Profiler tagtäglich mit der Gedankenwelt von Vergewaltigern und Serienmördern konfrontiert zu sein. Jetzt wagt Michael Kosakowski mit „Zero Killed“ einen Blick auf die Mordfantasien ganz normaler Bürger. Was dabei ans Tageslicht kommt, ist oft erschreckend.
„Zero Killed“ hat sich aus Michael Kosakowskis Kunstprojekt „Fortynine“ entwickelt. Für dieses befragte der Regisseur Freunde und Bekannte nach ihren geheimen Mordfantasien, die er in kurzen Videofilmen präsentierte. Die einzige Bedingung bestand darin, dass der jeweilige Autor entweder den Täter oder das Opfer in seinem Video spielen musste. Später befragte Kosakowski alle zu ihren Filmen und zu ihren Gedanken zu weiteren brisanten Themen. Seine Videos zeigen fiktive Morde an Bekannten, mal aus Ärger, mal motiviert durch Rache, aber auch scheinbar willkürliche Tötungen Unbekannter aus Abscheu oder aus reinem Sadismus. Einige Opfer werden brutal gefoltert, andere kaltblütig erschossen, andere werden vor ein fahrendes Auto geschubst. Manche Szenen sind fast komisch, andere wirken verstörend. Darüber hinaus konfrontiert Kosakowski seine Bekannten mit ihrer Einstellung zu einer Reihe von Extremsituationen und zu eindeutigen Tabus: Er fragt nach dem Verhalten im Falle einer akuten Bedrohung der eigenen Kinder oder ob die Todesstrafe unter bestimmten Umständen nicht doch angemessen sein könnte.
So mancher wird in einem Moment der Wut schon einmal daran gedacht haben, eine andere Person umzubringen. Aber wer wird dabei in seinen Gedanken tatsächlich so konkret, dass er auch an die Entsorgung der Leiche denkt? Die meisten Mordgedanken entstehen wohl in Situationen, in denen man sich über eine ganz bestimmte Person aus dem eigenen Leben aufregt. Aber wer hat auch schon darüber fantasiert, dass es ihm Spaß bereiten könnte, einfach ohne einen konkreten Grund einen Unbekannten umzubringen? Sicherlich würden es viele Eltern nicht ausschließen, zur Rettung ihrer eigenen Kinder notfalls einen potentiellen Mörder umzubringen. Aber wer ist schon so abgebrüht, die hierzulande geächtete Todesstrafe prinzipiell zu befürworten und zwar mit dem Motiv, so Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der Straftäter sparen zu können? Kosakowski treibt sein Experiment bis zu solchen erschreckenden Aspekten.
Und gerade in diesen Momenten ist „Zero Killed“ interessant und verstörend. Inwiefern solche Meinungen tatsächlich repräsentativ sind, bleibt offen, doch allein, dass sie alle aus Michael Kosakowskis Bekanntenkreis stammen, spricht Bände. Wenn am Ende alle Protagonisten noch einmal mit ihren jeweiligen Berufen vorgestellt werden, fällt auf, dass der ganz überwiegende Teil Filmemacher, Schauspieler und anderen Künstler sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass alle der Kamera offen und direkt begegnen. Die große Stärke dieser Untersuchung liegt dann auch darin, dass man wirklich bei jedem Interviewten das Gefühl hat, dass er auch die brisantesten Fragen ganz offen und ehrlich beantwortet, ohne dabei darauf zu achten, wie das Gesagte möglicherweise ankommen mag. So reißt „Zero Killed“ viele interessante Aspekte an, mit der Einordnung des Gesagten wird der Zuschauer jedoch weitestgehend alleine gelassen.
Fazit: Michael Kosakowskis aus einem Kunstprojekt heraus entstandener Dokumentarfilm „Zero Killed“ mischt Videos von Mordfantasien verschiedener Menschen mit Interviews – mit interessantem, wenn auch schwer einordbarem Ergebnis.