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    The Galapagos Affair: Satan Came To Eden
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Galapagos Affair: Satan Came To Eden
    Von Gregor Torinus

    Die Mitglieder der kalifornischen Rock-Band Red Hot Chili Peppers, die es bei ihren Welttourneen auch immer wieder an sehr abgelegte Orte verschlägt, sagten mal über die Reiselust der Deutschen, egal wo sie hinkommen, die Deutschen seien bereits da. Die Dokumentation „The Galapagos Affair: Satan Came To Eden“ von Dayna Goldfine und Dan Geller scheint diese Einschätzung zu bestätigen. Die Regisseure zeigen, dass die ersten Menschen, die Anfang des 20. Jahrhunderts auf die kleine Galapagos-Insel Floreana gezogen sind, ebenfalls Deutsche waren. Die Auseinandersetzungen, die sie dort untereinander hatten, waren wesentlich ernsterer Natur, als der heutige Streit um den besten Platz am Strand oder an der Bar. So entwickelt sich diese Dokumentation, in der mittels von durch Hollywoodstars vorgetragenen Briefen und Aufzeichnungen dem Schicksal der Einwanderer auf den Grund gegangen wird, am Ende gar zu einem Krimi auf der Spur eines möglichen Mordfalles.

    Im Jahre 1929 ziehen der Arzt und Nietzsche-Anhänger Friedrich Ritter (eingesprochen von Thomas Kretschmann) und seine Partnerin Dora Strauch (Cate Blanchett) von Berlin auf die Insel Floreana. Sie sind die beständige oberflächliche Geschäftigkeit in der Hauptstadt, bei der es nach Ritters Meinung nur ums Geldmachen geht, satt. Ganz bewusst kehren sie deshalb der modernen Zivilisation den Rücken zu und ziehen auf die damals noch fast unbekannten Galapagos-Inseln. Doch selbst dort soll es nicht eine der etwas größeren und bereits bevölkerten Inseln sein, sondern ausgerechnet die vollkommen unerschlossene Floreana. Deshalb nimmt es der radikale Ritter nur mit großem Missfallen hin, als sich kurze Zeit später mit der pragmatischen Familie Wittmer (Sebastian Koch / Diane Kruger) weitere Deutsche dort niederlassen. Als drittes zieht schließlich noch eine angebliche Baronin (Connie Nielsen) auf die Insel. Diese kommt in Begleitung zweier junger Männer (Josh Radnor / Gustaf Skarsgård) und sorgt mit ihrer Exzentrik für Unruhe. Die Stimmung auf Floreana wird zusehends angespannter und mündet irgendwann in offene Feindseligkeit. Als dann auf einmal die Baronin und einer ihrer Geliebten spurlos verschwunden sind, mag nicht jeder an deren überstürzte Abreise glauben...

    Die Dokumentation „The Galpagos Affair: Satan Came To Eden“ profitiert sehr davon, dass von den bereits recht lang zurückliegenden Ereignissen noch sehr ergiebiges Archivmaterial existiert. Es gibt nicht nur Unmengen an Fotos und sogar kurze Filme, sondern auch zahlreiche Zeitungsartikel über die in Deutschland berühmt-berüchtigten Auswanderer. Friedrich Ritter und Dora Strauch wurden schnell zu einer Art Robinson Crusoe verklärt, während die Baronin als schießwütige Amazone präsentiert wurde. Es existiert sogar ein fiktiver Kurzfilm mit der Baroness als Piratin, der sehr anschaulich zeigt, wie verrückt und egomanisch diese Frau gewesen sein muss. Die Bekanntheit der Inselbewohner lockte sogar Touristen nach Floreana, die einmal mit eigenen Augen sehen wollten, wie wild es diese schrägen Existenzen dort wirklich trieben. Während die „Touris“ dann enttäuscht wieder abzogen, weil es doch recht normale Menschen waren, zerstörte der stetige Besucherstrom die Abgeschiedenheit auf der Insel völlig.

    Dayna Goldfine und Dan Geller arrangieren gekonnt das ihnen zur Verfügung stehende Material. Dieses ermöglicht ihnen, auf einen objektiven Erzähler zu verzichten, der durch die Geschichte leitet. Stattdessen kommen die deutschen Aussiedler oder deren Bekannte und Verwandte quasi selbst zu Wort. Denn das Regie-Duo lässt ausgiebig aus den überlieferten Briefen und Tagebuchaufzeichnungen zitieren, wobei jeder historischer Figur ein bekannter Schauspieler zugewiesen wurde, der ihre Texte einspricht. Dass mehrere Stars wie Cate Blanchett, Diane Kruger, Thomas Kretschmann, Sebastian Koch und der aus „How I Met Your Mother“ bekannte Josh Radnor  den Figuren so ihre Stimmen leihen, verstärkt auch einen wichtigen erzählerischen Kniff der Dokumentarfilmer: Diese erzählen nämlich nicht eine Version der Geschichte, sondern viele Ereignisse aus den unterschiedlichen Blickwinkel der beteiligten Personen, was sich gerade im Falle der plötzlich verschwundenen Baronin als Glücksfall erweist. Wie in Akira Kurosawas Klassiker „Rashomon“ bietet sich dem Zuschauer so eine Auswahl an Szenarien, was wie passiert sein könnte. Statt eine finale „objektiven“ Version präsentiert zu bekommen, ist er aber dazu aufgefordert, sich selbst ein Urteil zu bilden, was passiert sein könnte.

    Die Kriminalgeschichte ist allerdings nur eines der vielen Themen, die in der Dokumentation behandelt werden. Vorrangig geht es  den Regisseuren Dayna Goldfine und Dan Geller um ein allgemeineres Bild, das über diesen konkreten Einzelfall hinaus von Interesse ist. Es geht darum zu verstehen, was genau Menschen zu solch einem radikalen Schritt in ihrem Leben bewegt und ob es möglicherweise eine bestimmte Mentalität gibt, die alle freiwilligen Bewohner solcher von der Welt abgeschiedenen Ort vereint. Man muss dabei bedenken, dass es im Jahre 1929 nicht nur kein Internet und kein Fernsehen gab, sondern dass auch die Post oft nur alle paar Monate auf Inseln wie Floreana geliefert wurde. Die Abgeschiedenheit war folglich keine allein räumliche, sondern einen absolute, wie es sie heute aufgrund unserer modernen Kommunikationstechnologie praktisch nirgendwo mehr gibt. Auf Floreana wussten die Insulaner gar nicht, was eigentlich in der Welt vor sich ging, bis mit der nächsten Post auch die nächste Zeitung geliefert wurde.

    Mit seiner Themenvielfalt wirkt „The Galapagos Affairs“ allerdings auch etwas überladen. Die Macher führten auch noch Interviews mit den jetzigen Galapagos-Bewohnern, die zum Teil als Kinder einige der Geschehnisse miterlebt haben, sie zum Teil aber auch nur von ihren Eltern erzählt bekommen haben. Dabei gehen sie auch der interessanten Frage nach, wie es den Kindern der Aussiedler ergangen ist, die auf Inseln wie Floreana zur Welt gekommen und aufgewachsen sind. In ihren Interviews schlagen die mittlerweile selbst in die Jahre gekommenen „Inselkinder“ die Brücke zwischen der Zeit der ersten Siedler und der Gegenwart. Die Haltung zu dem Leben auf der Insel ist bei den meisten sehr ambivalent, erscheint als Paradies und als Fluch zugleich. Am besten fasst es eine Frau zusammen, die meint, dass ein Teil der besonderen Galapagos-Erfahrung sicherlich darin lag, zu erkennen, dass das Paradies kein äußerlicher Ort sei.

    Fazit: „The Galpagos Affair: Satan Came To Eden“ ist eine sehr interessante, sogar etwas zu themenreiche, gekonnt arrangierte Dokumentation über die ersten Bewohner der Galapagos-Insel Floreana.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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