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    Madame Mallory und der Duft von Curry
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Madame Mallory und der Duft von Curry
    Von Andreas Staben

    Der Kinosommer 2014 wird von „Transformers“-Getöse, Superhelden-Action und aufwändigen 3D-Animationen dominiert, aber auch in Hollywoods Blockbustersaison gibt es Alternativen zu den aufgemotzten Big-Budget-Spektakeln. Mit seinem kulinarischen Wohlfühl-Drama „Madame Mallory und der Duft von Curry“ bewährt sich der schwedische Regisseur Lasse Hallström wieder einmal als Spezialist für die sanften und menschlichen Töne. Ganz wie in seiner oscarnominierten Toleranzfabel „Chocolat“ erzählt er auch hier auf angenehm altmodische Weise von der einenden Kraft leiblicher Genüsse. Und wie in seiner ebenfalls zu Oscar-Ehren gekommenen John-Irving-Verfilmung „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ nimmt er auch hier ernsten Themen ihre Schwere. So ist der in wunderschönes Licht getauchte „Madame Mallory“ eine nicht besonders tiefschürfende, aber sympathische Erzählung über den Zusammenstoß zweier (Ess-)Kulturen mit vorhersehbar versöhnlichem Ausgang und zwei alten Schauspielprofis in Bestform.

    Nach dem Verlust des Familienrestaurants in Mumbai und dem Tod seiner Frau verlässt „Papa“ Kadam (Om Puri) Indien mit seinen drei erwachsenen Kindern Mukthar (Dillon Mitra), Mahira (Farzana Dua Elahe) und dem unglaublich talentierten Jungkoch Hassan (Manish Dayal) in Richtung Europa. Nach einer unglücklichen Zwischenstation in England hoffen sie auf mehr Fortune in Frankreich. Als beim klapprigen alten Familienauto die Bremsen versagen, stranden die Kadams mitten in den bergigen Straßen des Südens. Dort werden sie von Marguerite (Charlotte Le Bon) aufgegabelt, die sie mit in ihr nahegelegenes Dorf Saint-Antonin-Noble-Val nimmt. Papa gefällt es dort bald so gut, dass er bleiben und vor Ort ein indisches Restaurant eröffnen möchte. Es gibt sogar ein geeignetes Grundstück – die Sache hat allerdings einen Haken: Der französische Speisetempel Le Saule Pleureur liegt nur wenige Meter entfernt und dessen Chefin Madame Mallory (Helen Mirren) versucht alles, den Erfolg des neueröffneten Maison Mumbai zu verhindern. Es kommt zum Kleinkrieg zwischen Mallory und Papa, unterdessen kommen sich Marguerite, die als Sous-Chef im Le Saule Pleureur arbeitet, und Koch-Wunderkind Hassan näher…

    Zu Beginn der zart aufblühenden Romanze zwischen Marguerite und Hassan überlässt sie ihm ihre Kochbücher und so kann der indische Neuankömmling alles über die Grundlagen der traditionellen französischen Küche lernen. Das ist der Auftakt zu einer Karriere, die ihn schließlich sogar als gefeierten Chefkoch nach Paris führt. Der Abstecher in die Gourmet-Metropole erweist sich zwar insgesamt als nicht so überzeugender Handlungsschlenker, da wir dort die anderen Hauptfiguren vorübergehend aus den Augen verlieren, aber die entscheidende Erkenntnis dieser gastronomischen Selbstfindung wird hier noch einmal unterstrichen: Hassan wird erst dadurch ein großer Koch, dass er die alten französischen Rezepte mit einer Prise von den Zutaten aus der Gewürzkiste seiner Mutter veredelt und ihnen somit etwas von sich selbst beifügt. Auch die Hollywood-Köche vor und hinter der Kamera halten sich bei ihrer Adaption des Romans „The Hundred-Foot Journey“ (deutsch: „Madame Mallory und der kleine indische Küchenchef“) von Richard Morais an diese Formel und setzen auf Bewährtes mit individuellem Anstrich – wobei die charmanten Darsteller und Linus Sandgren („American Hustle“) mit seiner exquisiten Kameraarbeit für das gewisse Extra sorgen.

    Wenn sich die beiden konkurrierenden Restaurantbesitzer gegenseitig sabotieren, indem einer die gesamten Fischbestände auf dem Markt aufkauft oder wenn sie sich beim Bürgermeister (Michel Blanc) übereinander beschweren, dann wird mit Schwung und Humor darüber hinweggespielt, dass der Streit im Grunde arg generisch angelegt ist und verläuft. Bollywood-Veteran Om Puri („East Is East“) gibt dem Familienpatriarchen Papa dabei nicht nur Autorität und ein zuweilen überschäumendes Temperament, sondern auch eine leise Melancholie und etwas kauzige Gutmütigkeit. Dazu steht Helen Mirrens scheinbar unterkühlte Distinguiertheit in wirkungsvollem Kontrast - zu Beginn weht hier ein Hauch von „Die Queen“ durch den Film, aber die Oscar-Preisträgerin schafft nach und nach ein ganz und gar eigenständiges Porträt einer komplizierten Frau. Ein Meisterstück ist die Szene, in der sie auf den Anruf aus der Michelin-Zentrale wartet, der ihrem Restaurant einen zweiten Stern bescheren könnte: Ein ganzes Spektrum mühsam in Zaum gehaltener, widerstreitender Emotionen steht ihr im Gesicht. Und wenn sie schließlich auch eine Spur Schalk und eine unerwartete romantische Ader offenbart, dann dürfen in bester Komödientradition auch zwischen den einstigen Erzfeinden die Liebesfunken sprühen.

    Lasse Hallström und Drehbuchautor Steven Knight („No Turning Back“, „Tödliche Versprechen“) strapazieren den über die kulinarische Konkurrenz hinausgehenden kulturellen Konflikt insgesamt nicht zu sehr und beschränken sich weitgehend auf das Spiel mit eher harmlosen Vorurteilen. Mal erregt die Bollywood-Musik im Maison Mumbai Anstoß, mal wundern sich die Inder über die steifen Sitten der Einheimischen. Aber wenn es dann doch zu fremdenfeindlichen Ausbrüchen gegen die Kadams kommt, dann ist es in erster Linie Helen Mirrens schauspielerischem Feingefühl zu verdanken, dass Madame Mallorys resolute Reaktion nicht als etwas naiver erzählerischer Kniff erscheint, sondern echte Überzeugungskraft bekommt. Echte Misstöne werden somit gekonnt vermieden und man kann sich guten Gewissens den sinnlichen Freuden dieses Films hingeben: Vom Gemüse und den Meeresfrüchten auf dem Markt, zu den farbenfrohen Gewürzen bis zum fertigen Omelette und zur kunstvoll angerichteten Feinschmeckerspezialität – das Essen wird hier so verführerisch präsentiert, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Im Englischen gibt es dafür den Ausdruck food porn und dem geneigten Zuschauer wird es schwerfallen zu entscheiden, ob er nach dem Kino lieber ein französisches oder ein indisches Restaurant besuchen möchte.

    Fazit: Die appetitanregende Bestsellerverfilmung „Madame Mallory und der Duft von Curry“ ist im besten Sinne altmodisches Hollywood-Kino nach bewährtem Rezept. Man nehme: eine sympathische Botschaft, gute Schauspieler, schöne Bilder und eine Prise Humor.

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