Jon Favreau kann es sich leisten. Nach mehreren knalligen Blockbustern gönnt er sich eine entspannte Feelgood-Komödie, in der sich alles ums Essen dreht. Das scheint dem passionierten Filmemacher durchaus Spaß zu machen, denn so lecker wie hier wurde schon lange keine Speise mehr in Szene gesetzt.
Favreau spielt gleichzeitig die Hauptrolle, den Chefkoch Carl Casper. Der ist eigentlich recht begabt und experimentierfreudig, sein Restaurantchef (Dustin Hoffmann) kann mit den neuen Ideen allerdings wenig anfangen. Deshalb bekommt Carl von einem renommierten Foodblogger (Oliver Platt) das vermutlich vernichtendste Feedback in der Geschichte des Internets. Einen Eklat später hat der Chefkoch genug. Er verlässt das Restaurant und setzt eine Idee um, mit der ihm seine Exfrau Inez (Sofia Vergara) schon länger in den Ohren liegt - ein eigener Imbisswagen, in dem er sein eigener Chef ist. Dank des exzentrischen Exmanns seiner Exfrau (Robert Downey Jr.) hat er bald das passende Vehikel für sein Vorhaben gefunden. Fehlt nur noch das Personal. Und das kommt genau von da, woher es Carl am wenigsten erwartet hätte. Eine kulinarische Reise quer durch Amerika beginnt.
Es wimmelt nicht gerade von Konflikten in diesem Film. Klar, die Wortgefechte mit seinem ehemaligen Boss und dem arroganten Blogger Ramsey Michel haben zum Teil ordentlich Pfeffer, aber das war es auch schon. Ein eher obligatorischer Handlungsstrang um die vielbemühte Patchworkfamilie könnte noch Stoff für Reibereien bieten, aber schon früh im Film zeichnet sich ab, dass alles irgendwie wieder gut wird. Für eine angenehme Komödie mit niedriger Altersfreigabe ist das angemessen, Überraschungen gibt es in dieser Hinsicht aber nur wenige. Die sind an anderen Stellen versteckt.
Das Tolle an Favreaus Position ist ohne Zweifel, dass er nach den überaus erfolgreichen Iron Man-Comicblockbustern so ziemlich jeden Darsteller für seine Projekte bekommen kann. Damit ist es auch kein Problem Weltstars wie Scarlett Johannson, Robert Downey Jr. oder eben Dustin Hoffmann in Nebenrollen zu verfrachten. Das hat eine ganze Reihe von Vorteilen: bekannte Gesichter, Prestige und Figuren, den man noch mehr Hintergrund zutraut, als ihre Szenen letztendlich zeigen. Gerade Downey Jr.s vielbeworbener Gastauftritt wirkt eher wie ein Cameo. Er und alle anderen machen ihre Sache dennoch gut. Gerade Carl Casper ist eigentlich ein grundsympatischer Typ, den man selbst gerne in seiner Küche stehen hätte.
Der heimliche Star des Films dürfte aber das Essen sein. Die Ästhetik schöner Gerichte, die auch noch aussehen als ob sie satt machen, wird hier bis zum Schluss gefeiert. Dabei handelt es sich bei weitem nicht nur um Gourmetspezialitäten deren Namen kein Mensch aussprechen kann, sondern auch die später in Carls Imbisswagen El Jefe zubereiteten kubanischen Sandwiches sind Kunst und Leckerbissen zugleich. Das ist übrigens kein Fastfood. Eine Mahlzeit die satt macht, aber offenbar eine ganz eigene Kultur und Rezeptur vorweisen kann. Schade, dass das Bonusmaterial auch auf der BluRay zwar einige geschnittene Szenen und Interviews enthält, aber kein MakingOf mit näheren Erklärungen zu den gezeigten Rezepten. In fast jeder Szene schwärmt jemand davon, wie gut irgendetwas schmeckt, aber ein wenig mehr Informationen zum Hintergrund wären durchaus hilfreich gewesen.
Beschweren kann man sich dann höchstens noch über den deutschen Titel, der am ehesten irgendeine Art Liebesschnulze andeuten könnte. Der Originaltitel Chef bezeichnet in der Restaurantwelt den Chefkoch und trifft den Kern wesentlich besser, da Carl auch sein eigener Chef bleiben will. Seine Popularität verdankt Carls Imbisswagen im Übrigen unter anderem einer Twitter-Kampagne seines Sohnes. Und gezwitschert wird reichlich. Wäre das Essen nicht, könnten böse Zungen den Film auch als überlangen Werbeclip bezeichnen. Aber das sparen wir uns lieber.
Fun Fact: Die Imbisswagenkultur is(s)t vielfältiger als man denken mag. Auch in Deutschland fahren die "Food Trucks" durch die Lande und servieren auch mal mehr als halbe Hähnchen oder Fischbrötchen. Burger, Burritos, Falafeln, Gegrilltes, Suppen, Pizza, Asiatisch oder auch vegane und regionale Spezialitäten sind nur ein paar Beispiele aus der einschlägigen Szene. Na dann Mahlzeit!
Originaltitel: Chef (Chefkoch)
Darsteller: Jon Favreau, Sofia Vergara, John Leguizamo, Oliver Platt, Scarlett Johannson, Robert Downey Jr., Dustin Hoffman uvm.
Regie: Jon Favreau
Jahr: 2014 (DVD/BD: 2015)
Label: Koch Media
Laufzeit: ca. 119 min
FSK: ab 6 Jahren