Psychische und emotionale Störungen werden heutzutage immer detaillierter erforscht und therapiert. Mit dem erweiterten Wissen um solche Zustände wächst auch das Interesse an den Symptomen, und in den letzten Jahren werden eigentümliche Helden der Unterhaltungsbranche, wie Sheldon Cooper aus „The Big Bang Theory“ oder die Titelfigur aus „Monk“, immer erfolgreicher. Bill Murray und Mitstreiter haben zudem gerade erst in „St. Vincent“ bewiesen, dass man sogar um einen Schlaganfall herum eine Komödie konzipieren kann, solange nur das filigrane Gleichgewicht zwischen Empathie und Pointen gehalten wird. Regisseurin Sonja Heiss hat schon in ihrem Spielfilmdebüt „Hotel Very Welcome“ (Perspektive Deutsches Kino 2007) ein Gespür für sanften Humor in ungewöhnlichem Ambiente gezeigt, und lässt nun mit „Hedi Schneider steckt fest“ (Berlinale-Forum 2015) eine trotz ernster Problemstellung überdurchschnittlich humorvolle und letztlich optimistische Komödie folgen.
Hedi (Laura Tonke) ist eine spontane Frau mit Sinn für Humor, die sich auch von einem steckenbleibenden Fahrstuhl nicht ihre Lebensfreude nehmen lässt. Gemeinsam mit ihrem Freund Uli (Hans Löw) kümmert sie sich liebevoll um den Sohn Finn (Leander Nitsche), bis der Selbstmordversuch eines Kollegen ihre Unbeschwertheit erschüttert. An ihren Angstzuständen und der unkontrollierten Medikation („Das ist wie Kiffen, nur besser!“) droht die Beziehung zu zerbrechen, bis man bei einem Urlaub in Norwegen versucht, einfach mal wieder „glücklich“ zu sein - und wenn es nur für einen Tag reicht.
Die Regisseurin Sonja Heiss, die durch eigene Erfahrungen mit einer Panikstörung ihren Humor zu verlieren drohte, verdeutlicht sehr anschaulich, dass solche Beklemmungen jeden treffen können, nicht nur grüblerische Melancholiker. Anders als beim improvisierten Vorgänger „Hotel Very Welcome“ war diesmal das Drehbuch komplett ausgearbeitet und alles genau durchgeplant, was sich beispielsweise im überaus stimmigen Musikeinsatz (der Soundtrack stammt von Lambert) zeigt. Ob fröhlich oder stressig, die Schauspieler treffen fast immer den richtigen Ton und werden durch die jeweils passende Musik kongenial unterstützt.
Den Widerspruch zwischen der Hedi „vorher“ und „nachher“ verdeutlicht eine zentrale „Umschwung-Szene“: Erst spielt sie mit ihrem Sohn ausgelassen Arzt und Patient, später verlagert sie das Rollenspiel zu ihrem Freund, der laut ihrer Diagnose an „Dengue-Krätze“ leidet, weshalb er sich „untenrum frei machen“ muss, damit sie das „Gift aussaugen“ kann. Daraus wird dann eine entspannte Beischlafszene, bis Hedi plötzlich („Stop, Uli!“) meint, ihre Hände nicht mehr bewegen zu können, („Doch - du bewegst sie!“), eine Taubheit verspürt und befürchtet, einen Schlaganfall zu haben, weshalb auch Uli panisch wird und einen Krankenwagen ruft...
Fazit: Eine fröhliche Komödie um ein nachdenklich stimmendes Thema, ein ungewöhnlicher „Liebesfilm“, eine fast utopisch wirkende Familienidylle mit kleinen und nicht so kleinen Differenzen: In „Hedi Schneider steckt fest“ wird furchtlos all dies angestrebt und vieles davon tatsächlich erreicht.<
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.