Joachim Król, Ulrich Tukur, Devid Striesow und Til Schweiger haben ihren Dienst bereits angetreten, Christian Ulmen und Nora Tschirner ziehen in Kürze nach: Der Trend bei der Besetzung der Hauptrollen im „Tatort" geht zur Kinoprominenz. Zu der zählt auch Wotan Wilke Möhring („Das Experiment“, „Lammbock“), der in der jüngeren Vergangenheit unter anderem mit „Mann tut was Mann kann“ und den beiden „Männerherzen“-Filmen Kinoerfolge verbuchte, aber auch in der mehrfach ausgezeichneten ARD-Produktion „Homevideo“ in einer Hauptrolle zu sehen war. Nun versucht sich Möhring in der Hamburger Ausgabe des deutschen Krimi-Flaggschiffs und feiert in Özgur Yildirims „Feuerteufel“ ein gelungenes Debüt, das unter dem Strich sogar noch eine Ecke überzeugender ausfällt als das des Hamburger „Tatort“-Kollegen Til Schweiger, dem er in „Willkommen in Hamburg“ bereits auf dem Männerklo des Polizeipräsidiums begegnete.
Hamburg-Blankenese: Wieder einmal brennt in der Hansestadt nachts ein Auto. Doch diesmal bleibt es nicht bei Sachschaden: Eine Frau, die offenbar in ihrem Wagen eingeschlafen ist, kommt in den Flammen qualvoll ums Leben. Brandstifter ist der junge Ruben (David Berton), der mit der Tat seiner umtriebigen Freundin Meike (Lo Rivera) imponieren wollte und das Drama mit seiner Handykamera dokumentiert. Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring), dessen langjähriger Partner Jan Katz (Sebastian Schipper) überraschend in den Innendienst gewechselt ist, übernimmt den Fall und wird dabei von LKA-Ermittlerin und Hospitantin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) unterstützt. Trotz aller Bemühungen müssen die beiden mitansehen, wie die Lage in Hamburg langsam außer Kontrolle gerät: Weil die Polizei den „Feuerteufel“ nicht identifiziert und weitere Autos in Flammen aufgehen, gründen besorgte Anwohner eine Bürgerwehr...
Die Macher von Erstlingsfolgen neuer „Tatort“-Ermittler stehen oft vor einem kleinen Dilemma – schließlich will nicht nur ein spannender Kriminalfall erzählt, sondern auch ein neues Team beim Sonntagabendpublikum eingeführt werden. Keine ganz leichte Aufgabe für 90 Minuten Sendezeit. In „Feuerteufel“ gelingt dieser Spagat hervorragend: Drehbuchautor Markus Busch („Das Gelübde“, „Dreileben: Komm mir nicht nach“), der zum dritten Mal ein Skript zu einer „Tatort“-Folge beisteuert, findet eine stimmige Mischung aus Spannung und Entspannung, gönnt dem Kommissar nach Feierabend amüsante Monologe über Hundefutter und lässt Milchjunkie Falke eine Tüte nach der nächsten trinken. Den Ermittler führt er damit als bodenständigen Typen mit sympathischen Ecken und Kanten ein, der sich weder von seiner Hospitantin, noch von seinem Vorgesetzten Bendixen (Achim Buch) in seine Arbeit pfuschen lässt und es persönlich nimmt, wenn sich der beste Freund und Ex-Partner beruflich umorientiert. Lorenz hingegen entpuppt sich schon bald als schlagfertige Kollegin, die viel mehr zur Aufklärung des Falles beitragen kann, als ihr Vorgesetzter ihr anfangs zutraut.
Auch wenn unter dem Strich vielleicht das eine oder andere „Digger“ zu viel eingestreut wird: Falkes markanter Hamburger Zungenschlag, der auch viele Nebenfiguren kennzeichnet, trägt einen erheblichen Teil dazu bei, dass „Feuerteufel“ vor hanseatischem Lokalkolorit nur so strotzt und dadurch ungemein authentisch wirkt. „Blutzbrüdaz“-Regisseur Özgur Yildirim versteht sein Handwerk und skizziert die Problemjugend, die Smartphones „zockt“ und zu dröhnenden Beats von Dr. Dre und Pharrell Williams auf Körbejagd geht, ungemein glaubwürdig und nicht überzeichnet. Der Regisseur orientiert sich unverhohlen an seinem umstrittenem Gangsterdrama „Chiko“, für das er 2009 den Deutschen Filmpreis für das beste Drehbuch gewann, und fängt mit der Kamera schonungslos blutige Messerstechereien und schmerzhafte Nasenbeinbrüche ein.
Neben dem sympathischen neuen Ermittlerduo und der authentischen Milieuskizzierung verfügt „Feuerteufel“ aber noch über weitere Stärken: Das sind zum einen die köstlichen One-Liner („Ich benenn mein Kind nach dir, Thorsten, egal ob’s ein Junge oder Mädchen wird!“), die den alkoholschwangeren Männerabend der beiden Ex-Partner zum heimlichen Höhepunkt des Films machen. Und für einen Krimi nicht ganz unwichtig: Die Frage nach dem Täter ist auch spannend: Sieht zunächst alles danach aus, als würde der 872. „Tatort“ mit den Whodunit-Gewohnheiten des Zuschauers brechen und Rowdie Ruben als Schuldigen einleitend vorwegnehmen, schleicht sich mit zunehmender Spieldauer doch immer stärker der Verdacht ein, dass alles weniger eindeutig sein könnte, als es zunächst den Anschein hat. Drehbuchautor Busch spielt seine letzte Trumpfkarte erst auf der Zielgeraden aus, wenngleich miträtselnde Krimiexperten von der Auflösung nicht wirklich überrascht werden dürften.
Fazit: „Das ham wir doch ganz gut gemacht, find ich.“ – Kommissar Falkes persönliches Fazit zum ersten gelösten Fall in Hamburg trifft den Nagel auf den Kopf. Wotan Wilke Möhring und Petra Schmidt-Schaller feiern mit „Feuerteufel“ ein starkes „Tatort“-Debüt, das bereits die Vorfreude auf den zweiten Fall „Blutige Idylle“ weckt.