Mein Konto
    Computer Chess
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Computer Chess
    Von Christian Horn

    Andrew Bujalski ist eine Ikone des „Mumblecore“-Films, einer Spielart des amerikanischen Independentkinos, die oft mit Laiendarstellern, Minibudgets und Improvisation arbeitet. Geprägt von langen Dialogpassagen versuchen Mumblecore-Regisseure wie So Yong Kim mit „In Between Days“ oder Bujalski selbst mit „Funny Ha Ha“ der „Realität“ so nahe wie möglich zu kommen. Bujalskis jüngster Film „Computer Chess“, der beim Festival in Sundance und auf der Berlinale 2013 erfolgreich lief, variiert die Methode nun auf interessante Weise. Retro-Look und charismatische Darsteller machen die Fake-Doku über die Anfänge der Heimcomputer-Ära zu einer gelungenen Independent-Perle, deren Charme man sich kaum entziehen kann. Vorausgesetzt man lässt sich auf die ungewöhnliche Ästhetik ein…

    Im Jahr 1984 treffen sich einige Computer-Nerds zum jährlichen Schachcomputer-Turnier in einem abgelegenen Hotel. Unter den Teilnehmern finden sich der junge Programmierer Peter (Patrick Riester) und sein Kollege Carbray (James Curry), der Psychologe Dr. Martin Beuscher (Wiley Wiggins) und Shelly (Robin Schwartz), die einzige Frau in den Reihen der Geeks. Im Hotel befinden sich jedoch noch viel mehr schöne Damen, nämlich die Teilnehmerinnen eines esoterischen Erotik-Workshops für Pärchen. Diese verwirren die sozial eher untauglichen Programmierer bei den unvermeidlichen Kontakten im Hotelflur und dem Konferenzraum nachhaltig. Unterdessen freut sich Pat Henderson (Gerald Peary), der Vorsitzende der Computerschach-Konvention, dass die Menschen den elektronischen Schachgegnern noch überlegen sind.

    Ganz anders als in seinen früheren Filmen, legt Andrew Bujalski bei „Computer Chess“ viel Wert auf einen bemerkenswerten Stil: Verwaschene Schwarz-Weiß-Bilder, Videokameras aus den Achtzigerjahren, dazu das altmodische 4:3-Format. All diese Stilmittel sorgen für nostalgischen 80er-Jahre-Flair. Manchmal teilt Bujalski zudem das Bild in zwei Hälften, setzt auf unscharfe Aufnahmen oder arbeitet mit Negativaufnahmen. Ohne große Spezialeffekte gelingt so ein visuell abwechslungsreicher Film, dessen stilistische Raffinesse sich auch in der detailverliebten Ausstattung zeigt, die von den typischen Hornbrillen der ersten Nerd-Generation über Pornobärte bis zu den damals übergroßen Rechnern und Videokameras reicht. Auch die Modems machen noch laute Pieps-Geräusche von anno Tobak und erinnern damit an einen Sound, der ebenso aus dem kollektiven Gedächtnis zu verschwinden droht wie das Rattern eines Filmprojektors.

    Seine durchweg charmante Ensemble-Komödie setzt Andrew Bujalski als  sogenannte Mockumentary, also als Imitation eines dokumentarischen Blicks, um. Dass die Darstellung der Nerds dabei so wunderbar lakonisch ist, liegt an den überzeugenden Darstellern, die ihre Figuren quer durch die vielen Nebenplots mit einnehmender Selbstironie spielen. Dabei gelingt es Bujalski die Unbeholfenheit der zwischenmenschlich schnell überforderten Protagonisten auf humorvolle Weise zu zeigen, ohne sich über sie lustig zu machen. So wird „Computer Chess“ zu einer liebevollen Satire und einer Hommage an die Ur-Nerds, die knapp drei Jahrzehnte später mit TV-Figuren wie Sheldon Cooper („The Big Bang Theory“), Pac-Man-Shirts von H&M oder der allumfassenden Rückkehr der Hornbrillen den Mainstream bevölkern.

    Fazit: Andrew Bujalski gelingt mit „Computer Chess“ eine grundsympathische und stilsichere Low-Budget-Mockumentary mit Retro-Ästhetik, mit der er behutsam in den Mikrokosmos der Schachcomputer-Nerds eintaucht.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top