Die Entscheidungen der deutschen Filmförderungsgremien sind manchmal unergründlich. Die Tatsache, dass ein so selbstreferenzieller und insgesamt eher wenig aussagekräftiger Dokumentarfilm, wie der Chilene Carlos Klein ihn über die Arbeit des russischen Kollegen Viktor Kossakovsky gedreht hat, hierzulande als förderungswürdig erachtet wurde, ist bemerkenswert. Möglicherweise zeigt es aber auch nur, dass in den Jurys nicht zuletzt Menschen sitzen, die in ihrem Berufsleben selbst lange mit der Profession des Filmemachens gehadert haben. Denn in „When the condors fly", zeigt Klein mit Kossakovsky einen, der eben das tut: hadern. Das aber ausgesprochen leidenschaftlich.
Carlos Klein hat Viktor Kossakovsky bei der Arbeit am Dokumentarfilm „¡Vivan las Antipodas!", der im Februar 2012 in die deutschen Kinos kam, beobachtet. In „Vivan las antipodas" verfolgt Kossakovsky die Idee, dass Menschen beziehungsweise Orte, die sich an genau entgegengesetzten Punkten des Erdballs gegenüber liegen, auf mythische Weise miteinander verbunden sind: Von Patagonien bis Sibirien führt die doppelte Dokumentarfilm-Reise, stets im Mittelpunkt: Kossakovsly. Mal ist der Russe nur im Off zu hören, während er wie ein Rohrspatz über Probleme mit dem Stativ schimpft. Mal spricht er direkt in Kleins Kamera, räsoniert über das Filmemachen an sich und behauptet, dass man ohnehin nichts Neues mehr erzählen könne und sich am besten nicht allzu viele Gedanken machen solle. Ein anderes Mal beschimpft er den Kollegen aufs Nachdrücklichste und wirft ihm vor, ihn in schlechter Stimmung gefilmt zu haben. Dieses Hadern und Meckern zieht sich wie ein roter Faden durch Kleins Film, die Krönung in dieser Hinsicht ist ein Telefonat, in dem Kossakowsky jemanden ermahnt, er solle sich wie ein Freund verhalten und nicht wie Scheiße – um anschließend zu erklären, bisher habe er bei jedem Film einen Freund verloren. Diesen ungehemmten Äußerungen negativer Emotionen stehen Momente gegenüber, in denen Kossakovsky auch anderen Gefühlen freien Lauf gibt und beim Hören von Musik in Tränen ausbricht.
Der Chilene Klein stellt sich zu Beginn als jemand vor, der den Glauben an die Kraft der Bilder verloren hat, die Produktion „schöner" Aufnahmen überlässt er entsprechend dem Russen Kossakowsky (dessen Film von der Kritik dann auch vornehmlich für seine schönen Bilder gelobt wurde). Der wiederum präsentiert sich vor der Kamera des Kollegen ohne jede Scheu als Klischeerusse, während Klein sein Subjekt nicht aus den Augen lässt und sich darauf konzentriert, möglichst viel Exzentrik einzufangen. Manchmal entstehen dabei Momente von unfreiwilliger Komik wie etwa eine Szene in Portugal, als Kossakowsky voller Begeisterung eine Felsformation findet, die einem gestrandeten Wal ähnelt – schließlich würden die Meeressäuger doch auch am antipodischen Ort in Neuseeland ab und zu stranden.... Für ein wirklich aufschlussreiches Künstlerporträt ist das allerdigs etwas wenig.
Fazit: Als Film eines Filmemachers über einen Filmemacher für andere Filmemacher ist „Where The Condors Fly" ein radikales Nischenprodukt, das am ehesten für Zuschauer mit eigenen Karriereplänen im Bereich Filmregie interessant sein dürfte.