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    The Look of Love
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Look of Love
    Von Andreas Staben

    2002 drehten Regisseur Michael Winterbottom („Code 46", „9 Songs") und Schauspieler Steve Coogan („Tropic Thunder") gemeinsam „24 Hour Party People" über die Musikszene in Manchester in den 70ern und 80ern. Der Film beginnt mit dem ersten Konzert der Sex Pistols in der alten englischen Industrie- und Arbeiterstadt, aber der Protagonist des Lifestyle-Reigens im Rhythmus von New Order und Joy Division war nicht etwa einer der Stars, sondern ein Mann im Hintergrund: der Schallplattenproduzent und Impresario Tony Wilson. In ihrer neuen Zusammenarbeit „The Look of Love" erzählen Winterbottom und Coogan erneut von einem Tausendsassa und Strippenzieher, dessen Name hierzulande wenig bekannt ist. Sie zeigen wie der 2008 verstorbene Paul Raymond, der in den 1990ern als reichster Mann Großbritanniens galt, über Jahrzehnte ein Imperium aus exklusiven Nachtklubs und Immobilien, Nacktrevuen und Männermagazinen aufbaute. Auch in dieser mit viel Champagner und nackter Haut angereicherten Mischung aus Biopic, Zeitgeist-Chronik und Vater-Tochter-Drama geht es um „24 Hour Party People", aber die frenetische Flamboyanz des älteren Films fehlt hier weitgehend – stattdessen bieten uns Winterbottom und sein gut aufgelegter Star eine zwar launige und stilsichere, dabei aber erstaunlich zahme und bedauerlich unfokussierte Folge von Momentaufnahmen.

    Nach bescheidenen Anfängen im Showbusiness (unter anderem trat er als Gedankenleser auf) eröffnet der junge Paul Raymond (Steve Coogan) 1958 in Soho im Londoner West End den ersten Stripclub Großbritanniens. Doch das ist nur der Anfang: Bald gehören ihm mehrere Theater, in denen er erotische Revuen und Stücke aufführt, sowie das größte Männermagazin Großbritanniens. Raymond wird zum „König von Soho", nachts kreuzt er im Rolls Royce und in ständig wechselnder weiblicher Begleitung durch die Straßen des Viertels. Seine Frau Jean (Anna Friel) erträgt seine Untreue und seinen ausschweifenden Lebensstil geduldig und kümmert sich um die beiden Kinder. Doch dann findet Paul bei einem Vorsprechen für eine Rolle als Nacktschwimmerin eine neue Muse und verlässt die Familie: Julia Harrison wird unter dem Namen Fiona Richmond (Tamsin Egerton) das Zugpferd seines auflagenstarken Erotikmagazins „Men Only" und der Mittelpunkt seiner nächtlichen Eskapaden. Als Raymonds inzwischen erwachsene Tochter Debbie (Imogen Poots) aus der Schule fliegt, fördert er ihre künstlerischen Ambitionen und gibt ihr trotz fehlenden Talents eine Hauptrolle in einem seiner Stücke. Dass sie psychische Probleme hat und es mit den Drogen übertreibt, das übersieht er allerdings...

    Nach einer kurzen Auftaktszene, die auf das Ende des Films vorausweist, beginnt Winterbottom seinen Film in den 50er Jahren mit einer flotten Folge kurzer Schwarzweißszenen. Er etabliert seinen Protagonisten als schneidigen und charismatischen Lebemann mit ausgeprägtem Geschäftssinn. So umgeht er das Gesetz, das den öffentlichen Auftritt von nackten Models verbot, wenn diese sich bewegen, indem er sein Etablissement zu einem privaten Club nur für Mitglieder deklarierte. Ähnlich findig zeigte sich der immer wieder wegen Obszönität verklagte Impresario bei seinen diversen Einlassungen vor Gericht. Hier erscheint Paul Reymond als cleverer und lebenslustiger Mann, der die heimlichen Gelüste seines Publikums genau kennt, genüsslich die Grenzen des Erlaubten erkundet und nebenbei der Gesellschaft einen Spiegel vorhält. Zu fröhlichen Popsongs der Zeit wird so etwas wie eine goldene Ära der lockeren Sitten skizziert – Raymonds Clubs waren auch bei den Reichen und Schönen angesagt und weit entfernt von der Rotlicht-Reputation späterer Stripbars.

    Nach dem sorglos-schwungvollen Auftakt, in dem Raymond als eine Art Till Eulenspiegel in erotischer Mission erscheint, kommen mit der Farbe auch die Probleme ins Spiel. Gerade will man sich wundern, dass die Bohème der Swinging Sixties in diesem Film ganz ohne harte Drogen auszukommen scheint, wird eifrig geschnupft und so verändern sich im Hintergrund im Lauf der Jahrzehnte die Sitten, die Moden und das Erscheinungsbild Sohos, nur der Protagonist bleibt stets der nimmermüde Playboy mit dem Sinn für Bonmots und der immerwährenden Champagnerlaune. Für Substanz und Erdenschwere müssen die drei Frauen an seiner Seite sorgen und im Zusammenspiel mit ihnen lässt auch Steve Coogan Spuren von Einsamkeit und Verlorenheit aufblitzen, aber sie alle gemeinsam können dem Film kein wirkliches erzählerisches Zentrum geben: Das Drama bleibt unterbelichtet, die Biografie zu episodisch, die Gesellschaftschronik zu unscharf.

    Für die Pluspunkte sorgen neben der Ausstattung und der offensichtlichen, aber passenden Musikuntermalung (vom gleichnamigen Burt-Bacharach-Song stammt auch der Titel des Films) die Darstellerinnen. Anna Friel („Pushing Daisies") macht das Beste aus der viel zu knappen Rolle der erst unendlich duldsamen, dann furios eifersüchtigen Gattin, ehe sie über weite Strecken aus dem Film verschwindet, während Tamsin Egerton („Die Girls von St. Trinian") als ihre inoffizielle Nachfolgerin der Sexbombe Fiona immerhin viel Selbstbewusstsein und Eigensinn verleiht. Die komplexeste Figur ist indes die der zugleich unsicheren und verträumten, verschlagenen und ambitionierten Debbie. Ihr paradoxes Verhältnis zum Vater und ihr Abdriften in die Drogensucht ist der Stoff für einen packenden Film, von dem wir hier allerdings nur eine Ahnung bekommen, was der tapferen Imogen Poots („Fright Night") zu verdanken ist, deren facettenreiches Spiel in diesem Reigen der Oberflächenreize fast wie ein Fremdkörper wirkt (nicht zufällig präsentiert Paul sein extravagantes Art-déco-Apartment – entworfen von Ringo Starr - stolz jedem neuen Besucher).

    Fazit: Michael Winterbottoms Porträt des britischen Erotik-Magnaten Paul Raymond ist ein recht kurzweiliger, aber arg oberflächlicher Reigen, der sich über drei Jahrzehnte erstreckt und nur von ordentlichen Darstellerinnen zusammengehalten wird.

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