Es könnte keinen passenderen Eröffnungsfilm für das Festival von Cannes geben als Olivier Dahans „Grace Of Monaco“: Die Biopic-Fiktion über den Hollywoodstar, der als Fürstin die Rolle seines Lebens findet, sorgt mit Hauptdarstellerin Nicole Kidman nicht nur für ein standesgemäßes Blitzlichtgewitter beim feierlichen Marsch über den roten Teppich, sondern befeuerte mit einigem schlagzeilenträchtigen Gerangel hinter den Kulissen schon vorab die Publicity-Maschine, die den Marktplatz der Eitelkeiten an der Côte d’Azur begleitet, auf dem sich einst auch Fürst Rainier und Grace Kelly kennengelernt haben. Da stritt sich zunächst der Regisseur mit dem amerikanischen Verleiher Harvey Weinstein über die Schnittfassung des Films und dann ließ das monegassische Fürstenhaus wenige Tage vor Festivalauftakt verlauten, dass es nicht mit dem „vollkommen fiktionalen“ Werk in Verbindung gebracht werden wolle und dass die Mitglieder der Herrscherfamilie daher auf ihren traditionellen Besuch im nur etwa 50 Kilometer von Monaco entfernten Cannes verzichten würden. Der Film selbst verfehlt nun Dahans eigenen Anspruch, das Märchen von der glücklichen Prinzessin als Märchen zu entlarven und bleibt irgendwo im Niemandsland zwischen schamloser Glorifizierung, verschämter Adelsseifenoper, unausgegorenem Psychodrama und unverhohlenen Macho-Machtspielchen stecken. Durch seine verführerische und garantiert unechte Luxusfassade strömt jede Menge heiße Luft – und auch damit ist er in Cannes durchaus am richtigen Ort.
Monaco 1962. Der berühmte Regisseur Alfred Hitchcock (Roger Ashton-Griffiths) besucht das kleine Reich am Mittelmeer, um Fürstin Gracia Patricia (Nicole Kidman) die Hauptrolle in seinem neuen Film „Marnie“ anzubieten. Sie war unter ihrem bürgerlichen Namen Grace Kelly einer der größten Filmstars der 50er Jahre und sehnt sich nach einem Leinwand-Comeback, aber ihre Aufgaben als Ehefrau, Mutter und nicht zuletzt als First Lady machen eine Rückkehr nach Hollywood schwierig. Monaco wird gerade vom französischen Präsidenten Charles de Gaulle (André Penvern) unter Druck gesetzt, der von Fürst Rainier III (Tim Roth) eine Änderung der Steuergesetze zugunsten des großen Nachbarn fordert und mit einer Wirtschaftsblockade droht. Trotzdem gibt Rainier, wenn auch widerwillig, zunächst sein Einverständnis zu Graces Plänen, doch als die Nachricht von ihrem Filmengagement durch eine Indiskretion im Palast verfrüht an die Öffentlichkeit gelangt, hagelt es Kritik an der Fürstin. Ihr wird vorgeworfen, dass sie Land und Familie inmitten einer Staatskrise im Stich lassen würde. Sie vertraut sich dem Hofkaplan Francis Tucker (Frank Langella) an, der ihr rät, sich voll ihrer Rolle als Fürstin zu widmen. Grace muss eine schwere Entscheidung treffen…
„Dies ist eine fiktionale Erzählung, die von realen Ereignissen inspiriert wurde.“ Diese Einblendung stellt der Regisseur seinem Film voran und es handelt sich bei „Grace Of Monaco“ dann auch nicht um ein klassisches Biopic, was schon der Umstand zeigt, dass Dahan sich mit Ausnahme eines kurzen Prologs auf ein einziges bewegtes Jahr im Leben der Fürstin konzentriert (das war bei seinem Edith-Piaf-Film „La Vie En Rose“, für den Marion Cotillard den Oscar gewann, noch ganz anders). Hier geht es nicht um eine Lebenschronik, sondern um die Darstellung einer Idee, die sich schon im Filmtitel angedeutet findet: „So wuchs der Filmstar Grace Kelly als Fürstin von Monaco in die größte und wichtigste Rolle seines Lebens.“ Da wird bedeutungsvoll von Bestimmung und Verantwortung geraunt, dann wird ein Protokollexperte (Derek Jacobi) engagiert, der die offene und unbefangene Amerikanerin in eine gewiefte, zurückhaltende und vernünftige Fürstengattin verwandeln soll (wenn Grace verschiedene Gesichtsausdrücke einstudiert, könnten das tatsächlich Schauspielübungen sein). Und die weder besonders originelle noch irgendwie aussagekräftig herausgearbeitete Analogie wird schließlich bei dem schicksalhaften Rot-Kreuz-Ball auf die absurde Spitze getrieben, zu dem Grace im Film Charles de Gaulle persönlich nach Monte Carlo lockt (der in Wirklichkeit übrigens nicht anwesend war). Zuerst gibt sie wie ein Filmstar den Schaulustigen Autogramme, dann hält sie eine perfekt vorgetragene Rede über „Liebe, die alles in Ordnung bringt“.
Die Verwandlung der unkomplizierten Grace in die gütige Landesmutter verläuft nicht nur sehr schematisch, sondern wird auch irritierend positiv dargestellt. Wenn Gracia am Ende des Films mit warmen Worten eine Staatskrise zu lösen scheint, ist das nur eine der kaum verständlichen Merkwürdigkeiten. Vom in zwei überdeutlichen Dialogszenen herbeibeschworenen Leiden unter ihrem Übervater bis zur finalen Stilisierung der Fürstin zum lebenden Glamour-Denkmal (adrett sitzt sie im Licht der untergehenden Sonne und liest Elle) trägt Dahan immer wieder allzu dick auf und unterstreicht damit nur die Banalität seiner Erzählung. Die naheliegenden Fragen nach individueller Identität und dem Konflikt zwischen Schein und Sein, der ja irgendwie auch im Streit mit Weinstein mitschwingt, geht Dahan kaum nach – dazu hatte selbst Oliver Hirschbiegel in seinem vielgescholtenen „Diana“ mehr zu sagen. Der Regisseur ergeht sich vielmehr bevorzugt in extremen Großaufnahmen von Nicole Kidmans Gesicht, das auf der Leinwand immer noch eine Augenweide ist und das hier dank der hervorragenden Arbeit von Licht und Maske tatsächlich eine verblüffende Ähnlichkeit zu Grace Kelly aufweist. Und wenn Dahan sich dann mal von seiner Protagonistin losreißen kann, schwelgt er in den prächtigen Kulissen des Palastes oder präsentiert uns Postkartenbilder von der Küstenlandschaft am Mittelmeer.
Die Schauspieler wurden mit Ausnahme von Kidman offenbar allesamt auf eine möglichst eindimensionale Darstellung eingeschworen – den Vogel schießt der grotesk fehlbesetzte Tim Roth („Reservoir Dogs“) ab, der mit den Händen in der Hosentasche nur auf das Szenenende zu warten scheint. Am unterhaltsamsten ist „Grace Of Monaco“ dann auch, wenn er in Richtung Seifenoper driftet – wenn sich der Fürst dazu hinreißen lässt, einen französischen Diplomaten zu ohrfeigen, wenn Grace mit Maria Callas (Paz Vega) ausreitet und sie ein hanebüchenes Gespräch über künstlerische Selbstbestimmung führen oder wenn es zum handfesten Verrat innerhalb der Fürstenfamilie kommt samt nächtlicher Verbannung. Doch von den allgemein bekannten Affären und Skandalen der krisengeschüttelten Fürstenehe ist nicht die Rede – eine schüchterne Andeutung, dass das Paar in weit auseinanderliegenden Räumen des 250-Zimmer-Palasts residiert, muss reichen. Von diesem zahmen und kurios gescheiterten Film haben die Grimaldis nichts zu befürchten, insofern war die ganze Aufregung am Ende unnütz.
Fazit: Das Fürstenhaus hat gegen „Grace Of Monaco“ protestiert, weil Tatsachen verdreht würden, dabei ist der wahre Skandal bei dieser Problem-Produktion, wie unausgegoren und banal sie geworden ist.