Seine in den Medien dauerpräsenten Skandal-Eskapaden um Sex, Drogen und Alkohol konnte sich Charlie Sheen als bestbezahlter TV-Darsteller (1,25 Millionen Dollar pro Folge) noch locker leisten. Aber als der Feierkönig dann auch noch den Hitproduzenten Chuck Lorre mit übelsten antisemitischen Beleidigungstiraden überzog, flog er schließlich doch hochkantig aus dem Ensemble seiner erfolgreichen Sitcom „Two And A Half Men" raus – ganz so unentbehrlich, wie er selbst glaubte, war Sheen also offenbar doch nicht. Nach diesem Niederschlag kommt der „Hot Shots"-Star nun so langsam wieder auf die Beine: Seine neue Sitcom „Anger Management" läuft in den USA mit ordentlichen Quoten und auch die Chancen für sein Kinocomeback standen theoretisch gar nicht schlecht: Regisseur Roman Coppola hat als Sohn von Francis Ford Coppola („Der Pate") und Bruder von Sofia Coppola („Lost in Translation") nicht nur einen berühmten Namen, sondern als Drehbuchautor auch richtig was drauf, schließlich war er gerade erst für sein Skript zu Wes Andersons „Moonrise Kingdom" für einen Oscar nominiert – und das völlig zu Recht. Auch Coppolas zweite Regiearbeit „Charlies Welt – Wirklich nichts ist wirklich" mutet nun an wie ein Wes-Anderson-Film – allerdings wie ein schwer verunglückter! Denn Coppola trägt zwar erneut etliche skurrile Einfälle zusammen, reiht sie jedoch im Gegensatz zu Anderson ohne jeden Charme und vollkommen beliebig aneinander.
Charles Swan (Charlie Sheen) ist ein erfolgreicher Werbegrafiker und Womanizer, der das Leben in vollen Zügen genießt. Alkohol, Drogen, Frauen: All das meistert Charles mit links! Als ihn seine Freundin Ivana (Katheryn Winnick) verlässt, stürzt er jedoch in eine tiefe Depression. Er will einfach nicht akzeptieren, dass er nicht mehr gefragt ist. Der Partylöwe flüchtet sich in bizarre Tagträume, in denen neben Ivana auch sein Komiker-Kumpel Kirby (Jason Schwartzman) und sein Buchhalter Saul (Bill Murray) entscheidende Rollen spielen. Charles‘ größter Halt ist indessen seine Schwester Izzy (Patricia Arquette), die neben der Kindererziehung gerade auch noch die Enttäuschung bewältigen muss, dass ihr neuer Roman nicht verlegt wird. Während Charles immer weiter in seine surreale Fantasiewelt abdriftet, steht er im wahren Leben nach einer Herzattacke kurz vor dem totalen Kollaps. Trotzdem lässt er nichts unversucht, um seine Ex zurückzuerobern...
Abseits seines experimentellen Debütfilms „CQ" von 2001 ist Roman Coppola als Regisseur bisher vor allem mit Musikvideos (unter anderem für The Strokes, Moby und Fatboy Slim) in Erscheinung getreten. Trotzdem hat er sich vor allem mit seinen Erfolgen als Drehbuchautor („The Darjeeling Limited") den Luxus erarbeitet, sich nun nach Herzenslust aus Wes Andersons Stammschauspieler-Reservoir bedienen zu können. Aber diese Steilvorlage hat er mit „Charlies Welt" fahrlässig verschenkt, denn die Komödie schwächelt trotz all des versammelten Talents an allen Ecken und Enden: Charles Swan ist ein in Selbstmitleid ertrinkender Säufer, den Charlie Sheen („Wall Street") als Version von... ja, Charlie Sheen spielt! Er bietet ein einziges Bild des Jammers, sieht vollkommen verlebt und fertig aus. Eigentlich eine mutige Performance also, doch Coppola verpasst es, Sympathien für den Exzentriker zu wecken. Zwar konstruiert er eine skurrile Szene nach der anderen, doch ein Interesse an seiner Hauptfigur ist dabei nicht zu erkennen und so bleibt das Ganze erschreckend witzlos. Während der Zuschauer den jungen Protagonisten in „Moonrise Kingdom" auch noch in den abgefahrensten Situationen ganz fest die Daumen drückt, lässt einen das Schicksal von Charles Swan ebenso kalt wie der berühmte umfallende Reissack in China – das Ergebnis: Langeweile pur! Die beste Idee ziert dann bezeichnenderweise den Abspann des Films, in dem sich alle Mitwirkenden des Films dem Publikum persönlich in einer einzigen langen, sehr kreativ gefilmten Sequenz vorstellen - eine schmerzhafte Ahnung davon, was hier vielleicht alles möglich gewesen wäre!
„Charlies Welt" entpuppt sich als fragmentarische Nummernrevue mit „Saturday Night Live"-Touch, die so gewollt hip ist, dass sie kaum weniger hip sein könnte. Erzählerisch bekommt Coppola kein Bein auf den Boden, er springt wild hin und her zwischen Gegenwart, Fantasie und wahren Erinnerungen. In Charles‘ wilden Hirngespinsten feiert er eine Beerdigungsparty, gerät mit einer Horde Indianerinnen aneinander und wird von einer sexy lederbeklufteten „Männerpolizei" attackiert. Das klingt zwar absurd, ist aber dermaßen beliebig und bemüht, dass es nie überrascht, sondern einfach nur anstrengt. Gelungen ist allein das stylische Seventies-Pop-Art-Setting, während sogar die hochkarätige Nebendarstellerriege einhellig enttäuscht: Bill Murray („Ghostbusters") wirkt vollkommen teilnahmslos und Jason Schwartzman („Rushmore") fällt allein durch seine lustig-doofe Lockenfrisur auf.
Fazit: Roman Coppolas surreal-unlustige Komödie „Charlies Welt - Wirklich nichts ist wirklich" ist ein havariertes Wes-Anderson-Imitat – damit ist Charlie Sheens Comeback als Kinostar bereits gescheitert, bevor es überhaupt begonnen hat!