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    Noah
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Noah
    Von Christoph Petersen

    Während in den USA ein Streit darüber tobt, ob sich Darren Aronofsky sklavisch genug an die Heilige Schrift gehalten hat, damit sich mit seinem Arche-Epos auch jene gläubigen Christen in die Kinos locken lassen, die schon Mel Gibsons „Die Passion Christi“ zum Megahit machten, interessiert uns ausschließlich, ob „Noah“ als Film überzeugt. Diese letzte Frage wiederum können wir eindeutig bejahen. Der Regisseur von „Requiem for a Dream“ und „Black Swan“ liefert nicht einfach nur plump runtergefilmte Bibelseiten ab, sondern entwickelt eine eigene Vision und rückt den Mann hinter dem Mythos in den Mittelpunkt. Er betont die menschliche Seite des dramatischen Geschehens und hält sich zugleich eng an den magisch-urtümlichen Tonfall des Alten Testaments. So fügen sich nicht nur die gefallenen Engel in Steinmonster-Gestalt, die durch die traumhaft-schöne Szenerie stapfen, und andere Fantasy-Elemente wie selbstverständlich in seine durchaus eigenwillige, aber gleichzeitig sehr konsequente Lesart des biblischen Stoffes ein, sondern auch die zum knappen Vorlagentext dazu erfundenen Kapitel und Elemente – egal was einige Strenggläubige und Puristen sagen mögen.

    Nachdem Kain Abel aus Eifersucht erschlagen hat, überzieht die Sündhaftigkeit des Brudermörders die dem Untergang geweihte Erde. Nur der von Gott auserwählte Noah (Russell Crowe), der in seinen Träumen eine gewaltige Sintflut kommen sieht, kann nun noch dafür sorgen, dass das irdische Leben nicht komplett ausgelöscht wird und nach dem Abfließen des Wassers eine zweite Chance erhält. Gemeinsam mit seiner Frau Naameh (Jennifer Connelly), seinen Söhnen Shem (Douglas Booth), Ham (Logan Lerman) und Japheth (Leo McHugh Carroll) sowie seiner Adoptivtochter Ila (Emma Watson) baut Noah eine gewaltige Arche, auf der von jeder Tierart ein Männchen und ein Weibchen Platz finden sollen. Doch auch der König Tubal Cain (Ray Winstone) und seine sündigen Mannen wollen sich an Bord in Sicherheit bringen. Zwar gelingt es Noah mit Hilfe riesenhafter Wächter aus Stein zunächst, die feindliche Armee zum Abzug zu bewegen. Aber als dann der todbringende Regen niedergeht, lässt sich die gewaltige Schlacht um die Arche nicht länger verhindern…

    Wenn man genau hinschaut und nachliest, dann haben Darren Aronofsky und sein Co-Autor Ari Handel („The Fountain“) die Bibel in vielen Punkten erstaunlich wörtlich genommen: So sind zum Beispiel die Wächter genannten Steinwesen nichts anderes als die Film-Version der riesenhaften Nephilim, die laut dem 1. Buch Mose in alter Zeit das Land Kanaan bevölkerten. Bei seiner gründlichen Lektüre haben sich für den Filmemacher aber auch Fragen ergeben, die in der Heiligen Schrift nicht beantwortet werden: Wie kommt Noah zum Beispiel mit der Last zurecht, nur seine Familie retten zu dürfen, während der Rest der Menschheit jämmerlich verreckt? Auch davon erzählt Aronofsky und setzt sich damit von der „reinen Lehre“ ab (wie auch beispielsweise bei der Darstellung des Sündenfalls und bei der Schöpfungsgeschichte). So entsteht ein reizvoller Mix aus mystischen Fantasy-Elementen und gänzlich menschlichen Konflikten. Dazu gibt es immer wieder für Aronofsky typische Surrealismus-Einschübe (von einer neongrünen Garten-Eden-Schlange über einen pulsierenden Apfel bis hin zu einer grandiosen Stop-Motion-Sequenz, in der sich ein Fluss über die Jahre seinen Weg durch eine Landschaft bahnt). „Noah“ ist ebenso monumental wie wunderschön, das gigantische Arche-Set ebenso atemberaubend wie die isländische Natur (nach Ridley Scott in „Prometheus“ macht sich nun auch Aronofsky diese überwältigend-unberührte Landschaft zunutze). So bleibt die schwache Animation der an Bord kreuchenden und fleuchenden Tiere die einzige inszenatorische Schwäche.

    Während sich die ersten zwei Drittel des Films etwas verkürzend als „Mad Max 3“ trifft „Herr der Ringe“ beschreiben lassen, werden die wunderhaften Elemente nach der Sintflut deutlich zurückgefahren. Stattdessen entwickelt sich „Noah“ an Bord der Arche zu einem intensiven Psycho-Drama. Der weise Gottgesandte, der den Bau der Arche unbeirrt vorantreibt, wird in diesem letzten Drittel zum Zauderer und Zweifler; nachdem er zuvor all die anderen Menschen sterben sah, droht Noah nun auch den Glauben an sich selbst und die seinen zu verlieren – mit potentiell grausamen Folgen (die Details wollen wir hier nicht spoilern). Diese Entwicklung dürfte jedenfalls so manchen strenggläubigen Christen auf die Palme treiben, dabei macht Aronofsky nichts anderes, als die Bibelstory schlüssig weiterzudenken. Das mag im Einzelnen so nicht im Buch der Bücher stehen, aber Aronofskys Entwurf ist psychologisch, dramaturgisch und auch spirituell stimmig. So kann man ihm als Filmemacher nur vorwerfen, dass dieser Schlussteil sogar ein wenig zu knapp geraten ist und Noahs Umdenken doch ein wenig plötzlich kommt. Zwei, drei weitere Szenen mit dem mit sich selbst und seiner Menschlichkeit ringenden Noah hätten da noch gut reingepasst.

    Oscar-Preisträger Russell Crowe hat den Part als Noah zwar erst bekommen, nachdem Christian Bale und Michael Fassbender wegen Terminüberschneidungen absagen mussten, aber dennoch dominiert er den Film mit derselben unnachahmlich-unantastbaren Anführer-Ausstrahlung, die ihn auch schon in „Gladiator“ und „Master and Commander“ ausgezeichnet hat. Allerdings kommt hier eben noch eine weitere spannende Ebene hinzu, wenn Noah im finalen Drittel schließlich an seinen Selbstzweifeln zu zerbrechen droht. An seiner Seite gibt es auch von Jennifer Connelly (Oscar für „A Beautiful Mind“) und Logan Lerman („Vielleicht lieber Morgen“) starke Leistungen, aber herausragend sind vor allem zwei andere Nebendarsteller: Ray Winstone („Auftrag Rache“) verkörpert seinen Bösewicht mit archaisch-sündiger Energie und man kauft ihm sofort ab, dass er selbst gegen Raubein Russell Crowe bestehen könnte (und das ist noch nicht vielen gelungen). Und dann ist da noch Emma Watson („The Bling Ring“), die zwar lange Zeit etwas blass bleibt, aber dann im entscheidenden Schlussdrittel einige emotional extrem fordernde Szenen großartig meistert. Sie allein auf ihren „Harry Potter“-Ruhm zu reduzieren, ist spätestens nach „Noah“ endgültig nicht mehr angebracht.   

    Fazit: Ein visionärer Regisseur widmet sich der biblischen Noah-Figur und formt den Stoff auf seine ganz eigene Art zu einem intensiven Kino-Erlebnis mit viel Emotion und spektakulären Bildern: Großes Kino.

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