Während Astrologen (und andere Pseudo-Wissenschaftler) behaupten, anhand von Sternenkonstellationen etwas über die Geschicke der Menschen aussagen zu können, reichen für den Fluglotsen Dylan in „2:22 – Zeit für Liebe“ ganz alltägliche Beobachtungen wie das Hupen eines Autos oder das Benutzen eines Handys, um die Zukunft vorhersehen zu können. Bei komplexeren oder weiter in die Zukunft reichenden „Berechnungen“ schmiert er wie Russell Crowe in „A Beautiful Mind“ seine Fensterscheibe mit kaum zu entschlüsselnden Gleichungen voll. In der Fantasy-Romanze von „One Perfect Day“-Regisseur Paul Curries bedrohen die so gewonnenen Erkenntnisse irgendwann die Beziehung zwischen dem Protagonisten und seiner Angebeteten, womit sich direkt eine ganze Reihe von Fragen stellen: Muss eine solche Liebe unter der Last des Wissens um die Zukunft zwingend zusammenbrechen oder kann sie auch stark genug sein, um selbst die lenkenden Kräfte des Universums zu überwinden? Und noch wichtiger: Wieso lässt einen der Film trotz der vielversprechenden Prämisse und einer flotten Inszenierung am Ende doch erstaunlich kalt?
Dylan (Michiel Huisman) hat ein geschultes Auge für die grundlegenden Muster im menschlichen Verhalten. Schon seit seiner Kindheit analysiert der New Yorker seine Umwelt und leitet aus wiederkehrenden Elementen Vorhersagen über zukünftige Geschehnisse ab. Für seinen Beruf als Fluglotse ist diese Begabung natürlich von unschätzbarem Wert, denn als wahrer Virtuose der Luftfahrtregulierung ist Dylan dem Unglück immer einen Schritt voraus. Eine Woche vor seinem 30. Geburtstag beginnt er allerdings plötzlich immer und überall dasselbe Muster zu erkennen, vor seinem Apartment und auf dem Weg zur Arbeit scheinen sich jeden Tag exakt dieselben Vorgänge abzuspielen. Und dann wird es auch noch richtig unheimlich: Pünktlich um 2:22 Uhr nachmittags kommt es in der Grand Central Station zu einer unerklärlichen Explosion, die sämtliche Glasoberflächen und sogar die Glühbirnen in ihren Fassungen sprengt. Zugleicht verguckt sich Dylan in die tanzbegeisterte Sarah (Teresa Palmer), wobei er mit Entsetzen feststellt, dass eine Beziehung mit ihr laut seinen Berechnungen auf eine tödliche Katastrophe zusteuern würde…
Die Prämisse von „2:22 – Zeit für Liebe“ weckt im ersten Moment unschöne Erinnerungen an Alex Proyas‘ „Know1ng“, in dem Nicolas Cage anhand von Nummernfolgen zukünftige Katastrophen vorhersagt. Hier wie dort wird das vielversprechende Konzept dann auch unter zu weit hergeholten Wendungen und uninspirierten Dialogen begraben. Zumindest gibt es in „Know1ng“ aber den - wie so oft – hemmungslos manisch agierenden Cage zu bestaunen, während man in „2:22“ nun stattdessen mit „Game Of Thrones“-Sixpack Michiel Huisman und einer geradezu leblos wirkenden Teresa Palmer („Warm Bodies“) vorlieb nehmen muss. Die beiden Hauptdarsteller bilden gemeinsam ein regelrechtes Persönlichkeitsvakuum und wirken so blass, dass sie beim Vorbeigehen sogar die Farbe aus den Wänden zu ziehen scheinen. Da fragt man sich als Zuschauer zudem ständig, was die Figuren abgesehen von einer körperlichen Anziehung überhaupt aneinander finden. Aus den Dialogen geht zumindest nicht hervor, wo die angeblich die Kräfte des Universums überwindenden Gefühle zwischen den beiden plötzlich herkommen. Deshalb entwickelt auch Dylans Dilemma, ob er trotz der vermeintlich unvermeidbaren Katastrophe an der Liebe festhalten soll, kaum einen emotionalen Punch.
Die zunächst mysteriösen Ereignisse an der Grand Central Station liefern leider ebenfalls nicht die erhoffte Spannung. Schon früh zeichnet sich ab, wohin die Geschichte letztendlich führen wird und auch der finale „Twist“ wird kaum noch wen hinter dem Ofen hervorlocken. Aus dem zentralen moralischen und philosophischen Konflikt, dass Dylan zwar unglaubliches Wissen über zukünftige Geschehnisse besitzt, diese jedoch scheinbar nicht aufhalten kann, wird zu wenig gemacht, die unglaubliche ethische Last auf seinen Schultern wird für den Zuschauer nur selten greifbar. Aber zumindest optisch gibt es nichts zu beanstanden: Die Hektik auf den Straßen New Yorks, in der Dylan zunehmend Muster erkennt, ist als Wimmelbild passend in Szene gesetzt, während die Action zwar angenehm flott, aber deshalb nicht unübersichtlich geschnitten ist. Auch die visuellen Effekte können sich durchaus sehen lassen. Nervig ist hingegen die Musik: Wenn versucht wird, eine romantische Wohlfühl-Atmosphäre aufzubauen, dröhnt einem jedes Mal irgendein laut quietschender Indie-Pop-Song entgegen, der jegliche Stimmung bereits im Keim erstickt.
Fazit: „2:22 – Zeit für Liebe“ besitzt für einen philosophischen Mystery-Thriller zu wenig intellektuellen und für ein Liebesmelodram zu wenig emotionalen Tiefgang – so kann man den Film letztendlich leider weder Romantikern noch Philosophen ans Herz legen.