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    Anne liebt Philipp
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Anne liebt Philipp
    Von Elke Koepping

    Dass es ein schwedischer Kinderfilm auf die deutschen Kinoleinwände schafft, ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Das geschieht meist nur, wenn er erhebliche Vorschusslorbeeren mitbringt. So ist es auch bei „Anne liebt Philipp", der nicht nur auf einem äußerst erfolgreichen Kinderbuch der norwegischen Autorin Vigdis Hjorth basiert, sondern sich im skandinavischen Raum bereits zu einem regelrechten Kinohit entwickelte und auch bei der Berlinale 2011 in der Sektion Generation Kplus sehr gut ankam. Mit „Anne liebt Philipp" geben sowohl die Nachwuchsregisseurin Anne Sewitsky als auch die Drehbuchautorin Kamilla Krogsveen ihr Langfilmdebüt. Beiden ist ein kraftvoller Erstling gelungen, der nicht nur Kinder anspricht: Sie porträtieren das aufregende Innenleben einer Schulklasse so gewitzt und glaubhaft, dass auch bei den Erwachsenen viele Erinnerungen wach werden.

    Wer kennt das nicht? Da ist die Streberin, der ewige Zuspätkommer, der Klassenclown mit den dummen Ideen. Es gibt die Unscheinbaren, die Verträumten und die Mädels, die sich für besonders cool und gutaussehend halten und immer nach dem letzten Schrei gekleidet sind. Und dann ist da noch Anne (Maria Annette Tanderød Berglyd), die schon mit zehn Jahren ihren eigenen Kopf hat. Sie klettert auf Bäumen herum oder rast mit ihrem Mountainbike durch die Gegend. Ihren älteren Bruder Ole (Torkil Hoeg) frustriert sie damit, dass sie ihn immer im Armdrücken besiegt. Ständig geht die Fantasie mit ihr durch und sie denkt über die eigentümlichsten Sachen nach. Unter den Mädchen in ihrer Schule ist sie die Außenseiterin. Zum Glück gibt es aber auch ihre beste Freundin Beate (Aurora Bach Rodal), die ebenfalls eine Außenseiterin ist, weil sie rote Haare hat und ein Waisenkind ist. Beate ist in Einar (Sigurd Saethereng) verliebt und Anne interessiert sich eigentlich nicht für Jungs - bis sie zufällig Philipp (Otto Garli) begegnet: Philipp ist gerade in das leerstehende Spukhaus gezogen, von dem man sagt, dass dort der Geist von Helga (Anna Jahr Svalheim) umgeht, die sich einst aus unerfüllter Liebe ins Meer gestürzt haben soll...

    Die Gruppendynamik in einer Schulklasse wie sie wahrscheinlich jeder Zuschauer unabhängig von seinem Alter kennt, wird hier auf die schönste Weise lebendig. Alles wirkt absolut echt, ist zugleich wiedererkennbar und unverwechselbar. So wird Philipp, der als „Neuer" in die Klasse kommt, sofort aasgeierartig von allen tollen Mädels umschwärmt. Die Außenseiterin Anne glaubt natürlich, dass sie gegen die schöne Ellen (Vilde Frederiksen Verlo), die auch noch superreiche Eltern hat, perfekt Ballett tanzt und in der Shampoowerbung im Fernsehen zu sehen ist, keine Chance hat. Mit einer Prise Ironie werden Phänomene wie Cliquenbildung und Konkurrenzdruck ins Visier genommen, aber im Mittelpunkt stehen die alterstypischen emotionalen Achterbahnfahrten: Wenn Anne versucht, Philipp mit einem Schwindel für sich zu gewinnen, dann ist das einerseits allzu verständlich, andererseits aber natürlich auch falsch und ironischerweise völlig unnötig, denn Philipp findet Anne ziemlich cool.

    Annes Manöver fliegt selbstverständlich irgendwann auf und sie wird vor der gesamten Klasse gedemütigt: Sie steht als Lügnerin da, verliert Philipp und schließlich auch noch ihre beste Freundin – weil Anne nicht weiß, wohin mit ihrer Trauer und Wut, lässt sie sich dazu hinreißen, Beate böse zu kränken. Sewitsky und Krogsveen beschönigen nichts, dadurch ist es umso schöner, wenn sich alles doch noch zum Guten wendet. Und wenn die blöde Ellen mal so richtig mit ihrem Hintern auf dem Boden der Tatsachen landet, dann wird nicht nur auf unsere Schadenfreude spekuliert. Die arrogante Überfliegerin bekommt, was sie verdient, aber – was noch wichtiger ist - sie erhält auch eine neue Chance und lernt eine wichtige Lektion. Das alles wird keineswegs mit erhobenem Zeigefinger und tierischem Ernst dargeboten, sondern liebevoll und mit Überzeugung ausgespielt. Dazu passt, dass Regisseurin Sewitsky Annes Liebeswirren geschickt mit der temporeichen und in surreale Bilder gefassten Gruselgeschichte um Helga verbindet, was nicht nur visuell für Abwechslung sorgt.

    Anne Sewitsky hat mit ihrer Hauptdarstellerin Maria Annette Tanderø Berglyd, die wie die meisten der jungen Darsteller ihr Kinodebüt gibt, einen großartigen Fang gemacht: Der Film lebt zu weiten Teilen von der Dynamik der Beziehungen Annes zu ihrer Umwelt. Der Jungschauspielerin gelingt es, dieses ungestüme und ständig von ihren Gefühlen hin- und hergerissene Mädchen, das regelmäßig seine Hausaufgaben vergisst und keine Lust hat, über seine Frisur oder seine Klamotten nachzudenken, äußerst facettenreich zu gestalten. Aurora Bach Rodal als Beate ergänzt sie perfekt als die immer verstehende beste Freundin, die stets eine passende kitschige Liebesgeschichte parat hat, und Vilde Frederiksen Verlo spielt die Ellen derart schleimig und zickig, dass auch wohlerzogene Erwachsene zwischendurch den Wunsch verspüren, ihr an der nächsten Ecke ein Bein zu stellen. Dagegen sind die Jungs fast ein wenig blass geraten, aber im Grunde sind sie hier auch nur die Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Mädchen, die klar im Mittelpunkt stehen.

    Fazit: „Anne liebt Philipp" hat alles, was einen guten Familienfilm ausmacht: eine direkt aus dem Leben gegriffene, sensibel erzählte Geschichte, eine ordentliche Portion Humor und eine unaufdringliche erzieherische Botschaft im Sinne der mitsehenden Eltern. Und die Erwachsenen können ihrerseits auch ganz ohne Kinder eine Menge Spaß haben.

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